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Deutschland.
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Webber nix tv dohn," sagte sie kleinmütig, während ihr
sah er in seiner breiten, weißen Schürze und der Schirmmütze, mit den roten Backen und den blauen Angen wie die Zuverlässigkeit selber ans. Es war etwas Rundliches, Behäbiges nicht nur in seinem Gesicht, sogar in seinen Bewegungen, wie er einen großen, zappelnden Karpfen ans dem Bassin nahm und mit einer Art von behutsamer Zärtlichkeit in die Wagschale legte. „Und wenn Madam ihn lieber gleich tot haben will, denn will ich ihn ansin Kopf schlagen: aber ich leg' da 'n Tuch über, daß Madam das nich so sieht, denn welche sagen, daß ihnen der Appetit vergeht, wenn sie das sehn. Mir? Nee, Madam, ich weiß da nix von, das is alles Gewohnheit; und wenn man das genau nimmt, — sie sünd ja mal dazu da, nich, Madam? Dafür sünd ja die Karpfen in die Welt, daß wir sie uns zu Sylvester, will ich mal sagen, oder auch zu andere Gelegenheiten gut schmecken lassen. Sich so, Madam, — nee, er lebt nich wieder auf, — und durchlecken thut das auch nich, is gut eingewickelt; — auch gleich 'n Stange Meerrettig? Haben Sie all? So, Hütten Sie bei mir auch kriegen können, wür' ein dohnN gewesen, — adjüs, Madam, und 'n recht vergnügtes neues Jahr, und beehren Sie mich bald wieder."
Die Frau zog ihr Geldtäschchen und zahlte. „Bloß 'n büschen teuer is unser Herr Wobbe," sagte sie, ihm mit dem Finger drohend, „noch immer so wie vorig Jahr? Bei Bornemann gradüber kosten sie diesmal schon zehn Pfennig weniger das Pfund'."
„Madam, was ich Ihnen gesagt Hab'! Denn sünd das keine Holsteiner! Das is all zusammengekanftcn Kram, was sich so angro nennt! Karpfen angro, nn bitt' ich Ihnen bloß!" Wobbes ganzes Gesicht drückte Widerwillen und Verachtung ans. „Wo jeder Fisch einzeln behandelt werden will!" fügte er gewichtig hinzu.
Die Käuferin zuckte die Achseln. „Ich mein' man bloß, sonst ging das bei Ihnen auch hilder- zu; bei Bornemann stehen die Leute bis ans die Straße hinaus, und seine Niederlage ans der Alster war ganz schwarz von Menschen."
„Ja, es is schwer heutzutage!" seufzte der Amtssischer und sah ängstlich nach der Thür, in der ein paar Dienstmädchen angelegentlich schwatzten; „aber alles, was recht is, 'n reinen Kram is das nich mit den Bornemann!" Er schüttelte den runden Kopf und fügte leiser hinzu: „Ich Hab' ja meinen Schuppen neben seinen stehn auf der Alster, das is all so'n halbtote Ware! Ich macht' sie nich essen, das is gewiß."
Plötzlich sah er, daß die Mädchen wieder hinansgingen. Er sprang ihnen nach und erfaßte eins am Arm.
„Fräulein! Lüttmaid! Hebben Se all kregen? Nee? Na, wat lopen Se denn wedder weg? Könt Se nich en Ogenblick töwen?"^ rief er eifrig.
„Wi hört man eben, dat Se negentig Penn nehmt, denn gaht wi na Bornemann röber," sagte eins der Mädchen schnippisch, „da spar ick tein Penn op't Pund; kumm, Life!"
Eine blaß und kränklich aussehende Person, Frau Wobbe selber, iu einem dicken lila Seelenwürmer, den Kopf in ein wollenes Tuch gehüllt, tauchte ueben dem Ladentisch auf; die kleine Kellerstube hinter demselben war ihr gewöhnlicher Aufenthalt während der Verkaufszeit.
Ein Abmachen. Hitziger, eiliger. ^ Warten.
Auge den leeren Laden überflog, „ick kann dat nich begriepen."
„Ick woll!" versetzte ihr Mann, „nn ick wnll manch ick kunn da 'n Petch vorschrieben!"
„Wovor, Krischan?"
„Dat he nich allens an sick ritt!"^ rief er grimmig.
„Wo kannst Du da woll wat gegen dohn!" sagte die Frau, „dat is nn mal so."
„Dat fall aber nich sin!" rief der Fischhändler dunkelrot und drohend, wie man es diesem gutmütigen, vollwangigen Gesicht mit dem Doppelkinn und der kleinen Stnmpfnase gar nicht zngetraut Hütte, und schlug mit der Faust auf die Marmorplatte des Verkaufstisches, „dat is ja de reine Mord, is dat ja!"
„Dat Kind is noch buten," sagte die Frau ablenkend und schob die Hände unter die Schürze, „weet Gott, wat se sick nich verkölt."
„De Deern is mehr vnn min Slag," murrte der Mann, „aber kannst se ja rinropen."^
Die Frau ging an die Ladenthür, öffnete eine Spalte breit und rief: „Jda, Jda!" mit vor den Mund gehaltenem Tuch, denn es kam ein Wagen voll nassen Nebels und Zugs herein.
Der Mann hatte in mürrischem Schweigen, die Hände hinterm Rücken, an einem der Bassins gestanden.
„Dat is de Minschenmöglichkeit!" murmelte er vor sich hin.
„Wi möt doch to hüt aben noch mehr War' herinhebben, schallst man rnt gähn, Krischan."
„Wi bliwt mit den ganzen Kram sitten, fällst mal sehn."
Die Frau setzte sich auf eineu Stuhl, der eigcutlich für Kunden dastand.
„Hör, Krischan," begann sie zögernd, „wenn Du un ok mit dein Pris dalgungst
Wobbe sah sie zornig au. „Dalgahn? De Swindelei mitmakeu? Ick weet gor uich, wat Du deukst!"
„Aber Boruemann —" fiel sie ein.
„Wat he kann, dat kann ick nich!" rief er, „wat for ein Spekulatschon is, dat wnrr mi rungenieren! Dat mußt Dil doch insehn! Twintig Düsend fall he gistcrn kregen hebben! Is da nu gegen antokamen? Ick kann mi termaudbar- sten" nn is all for de Katt!" Er ballte die Faust. „Ick wull, ick kuun ein bikameu, den Schinner!"
Die Frau sah ihn erschrocken an. „He hett Di doch sünst nix dahn."
„Is dat noch nich nog,"" schrie er heftig, „dat he mi dat Brot for'n Mnn'n wegritt? Dat min ganzen Kram for de Hun'n geiht? Dat ick mit min goden Nam un renommiertes Geschäft vnn Vadderstiden her, sitten mutt un op Kun'n luurn, as wör ick 'n lütten Anfänger? Noch nich nvg, dat de Kirl herkummt nn plant sick mi vor de Näsi heil mit sin Spegelscheibens nn Marmortischens nn grote Springbrunnens un wat nich all, un giwt noch allens billiger? O, ick much' ein —"
Er verstummte, es trat endlich wieder ein Käufer ein. Doch konnte die kleine Bestellung seine Laune nicht für lange verbessern.
' Ich möchte nur. ' Verbieten. ^ Reißt. ^ Hereinrufen. Zer- arbeiten. '' Genug. ' Möchte.
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