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arbeit und in Widersprllch mit dem modernen Rechtsbewnßt- sein, demzufolge die Person durchaus frei ist und in rechtlicher Hinsicht immer nur Subjekt, niemals aber Objekt sein darf. Man kann sich demgegenüber nicht mit Grund auf die formale Vertragsfreiheit berufen; denn ein Vertrag, durch welchen die Person, wenn auch nur teilweise und auf Zeit, wie eine Sache behandelt wird, ist, obgleich nicht nach dem positiven, doch nach dem wahren Rechte nichtig. Außerdem gewährt die formale Bertragsfreiheit, die nach der Meinung des ökonomischen Liberalismus schon die ganze Freiheit sein soll, keine reale Freiheit, wenn der Inhalt des Vertrages, wie es bei dem zwischen Arbeit und Kapital der Fall ist, durch die rechtliche Dynamik der Gesellschaft den Kontrahenten anfgedrängt, wenn nicht durch das Recht dem formal freien Willen auch sein substantieller Gehalt gesichert wird. — Wenn also in dem Verhältnis zwischen Arbeit und Kapital die Freiheit der Person eine Wahrheit werden soll, so muß das Rechtsinstitut der Dienstmiete verlassen, und es muß dieses Verhältnis rechtlich als das anerkannt werden, was jede vertragsmäßige Vereinigung verschiedener Personen zur Erreichung eines gemeinschaftlichen Zweckes in Wahrheit ist, nämlich ein Gesellschaftsvertrag. Selbstverständlich erstreckt sich dieses Geseklschaftsverhältnis nicht weiter als auf den gemeinschaftlichen Zweck, also nicht etwa auf das Handelsgeschäft des Unternehmers, falls nicht die Arbeiter ausdrücklich in dasselbe als Gesellschafter ausgenommen worden sind, sondern nur ans das mit vereinigten Kräften hergestellte Produkt oder vielmehr, da das Produkt selbst regelmäßigerweise in das Eigentum des Unternehmers übergeht, auf den Wert dieses Produktes.
Die Auseinandersetzung in betreff dieses Wertes wäre der freien Vereinbarung der Kontrahenten zu überlassen mit der alleinigen Maßgabe, daß das Gesetz bestimmte Grundsätze und Ouoten festznstellen hätte, die mindestens bei der Auseinandersetzung innegehalten werden müßten.
Dies ist auch keine neue Erfindung, sondern es ergiebt sich, sobald das Rechtsverhältnis zwischen Arbeit und Kapital als Gesellschaftsvertrag anerkannt wird, ans dem Wesen des letzteren schon nach römischem Rechte; denn die römischen Juristen - ans sehr mißverständliche abweichende Meinungen neuerer gehe ich hier jetzt nicht ein — lassen keinen Zweifel darüber, daß die Teilnahme der Gesellschafter am Gewinn ein gleicher oder doch, wenn die Leistungen verschieden sind, ein denselben entsprechender sein muß, und das ist auch vollkommen richtig; denn Sachen kann man zwar taxieren, wie man null, und sich darüber beliebig vertragen, aber die Person ist von unendlichem Werte, und Personen können sich rechtlich nur als freie und gleiche miteinander vereinigen.
Wie das Problem durch die Gesetzgebung am zweckmäßigsten zu lösen seist mag hier eine offene Frage bleiben; daß es gelöst werden müsse, durfte erwiesen sein. Kaum braucht Wohl noch bemerkt zu werden, daß eine Reform des Privatrechts, wie die hier bezeichnetc, nur, nachdem ihre Notwendigkeit allgemein anerkannt worden, und nur ans dem Wege internationaler Vereinbarung ins Leben treten könnte.
Der hier vorgetragene Reformvorschlag erstrebt die Lösung der sozialen Frage, abweichend von der Sozialdemokratie, auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung und in Kontinuität mit unserer ganzen voransgegangenen Rechtsentwicke- lnng, nicht auch durch Aufhebung der wirtschaftlichen Freiheit, sondern durch Erhöhung derselben, durch Erhebung der Arbeit in die Reihe der selbständigen wirtschaftlichen Kräfte. Andererseits erstrebt er dasselbe, was die Sozialdemokratie erreichen will, nämlich der Arbeit statt kümmerlichen Lohnes ihren wirklichen Ertrag zuzuführen; aber er erstrebt es auf einem gangbaren Wege und mit gesicherter Aussicht, nicht nur ans Befreiung der Arbeit, sondern auch auf Steigerung der Produktion imd Erhöhung des allgemeinen, aber gerechter verteilten
- Einige Grund.-,iM habe ich aufznstellen versucht in „Tie Arbeit und ihr Recht." S. 24t u. f.
Wohlstandes. Die Sozialdemokratie kann bei ihren volkswirtschaftlichen Vorschlägen einen gleichen Erfolg nicht garantiereit. Wenn ihre Pläne überhaupt ausführbar wären, — sie sind es nicht, weil sie mit dem Wesen des Menschen und mit der Natur der wirtschaftlichen Bewegung in Widerspruch stehen, — wenn also alles Kapital in den Händen der gesellschaftlichen Centralleitung zusammengefaßt würde, und alle Arbeit in den Dienst dieser Eentralleitung treten müßte, so würde damit die eigentliche bewegende Kraft des wirtschaftlichen Lebens, die Freiheit, die jetzt in der Konkurrenz der Unternehmer wirkt und in der selbständig gewordenen Arbeit wirken würde, in Wegfall kommen, und das müßte eine unberechenbare Herabmindernng des Ertrages der Produktion zur Folge haben; wie sich dann aber das Los der Arbeit gestalten würde, ist doch sehr fraglich. Die Arbeiter werden aber erst dann aufhören, diesen Irrlichtern zu folgen, wenn sie auf eine wahre und gründliche Verbesserung ihrer Lage, die sowohl ausführbar, als mit der Freiheit in Einklang ist, die Einsetzung in ihr Recht, hoffen dürfen.
Randbemerkungen zum deutsch-böhmischen Ausgleich.
Bon
L. Schönhoff.
sH^W^as Jahr 127 '.» spielt in der Geschichte Böhmens eine verhängnisvolle Rolle. Von diesem Jahre aus muß man die Rassenkümpfe, die zwischen Deutschen und Tschechen toben, datieren. Zum erstenmal tauchten damals Schlagworte aus, die bis zum heutigen Tage ihre Bedeutung bewahrt haben, zum erstenmal kernte die tschechische Landbevölkerung, vom Adel aufgestachelt, die Worte nachbeten: Die Deutschen sind Fremdlinge (oimrmv) in unserem Lande, und der Statthalter, Markgraf Otto von Brandenburg, ist ihr Verweser, nicht der unsere. Ein blutiger Krieg aller gegen alle entstand und nach Jahren erst wurde ein Waffenstillstand geschlossen. Nie mehr aber schwand aus dem Gedächtnis der tschechischen Landbevölkerung der Glaube, daß die Deutschen doch nur Fremdlinge im Laude seien bis ans seine letzten Reste. Die Überlieferung der Jahrhunderte allein sollte vorsichtig machen in dem Urteil über die Wandlung der Dinge, die zur Zeit in Böhmen sich vorzubereiten beginnt nicht entfernt aber vollendet ist. Die Geschichte Böhmens ist- überhaupt, wie die Geschichte kaum eines zweiten Landes, dazu angethan, vor voreiligem Sangninismus zu warneil, und die Deutschen Böhmens selber habeil an ihrem eigenen Leibe zu dutzeud Malen erfahren, wie übel ihnen die übergroße Hoffnungsfrendigkeit mitgespielt hat, sei es, daß sie aus die Hilfe der Mutternation pochte, sei es, daß sie nach Wie» schaute. Selbst ein Geschichtsschreiber, wie IR. Ludwig Schlesinger in Prag, der seine umfangreiche Geschichte Böhmens mit dem trostreichen Ausblick abschließt: „Für die Erhaltung der deutschen Nationalität in Böhmen bürgt das jahrhundertelang festgehaltene Programm, die Freiheit des Bürgertums zu entwickeln, ebenso sehr wie der geistige und geographische Zusammenhang mit der Mntter- nation!" selbst dieser Geschichtsschreiber muß in allen Haupt stücken der Entwicklungsgeschichte Böhmens vor der Vertrauensseligkeit warnen, die den Waffenstillstand gerne mit dem Frie den verwechselt.
Die Wiener AnsgleiclMerhandlnngen sind vorüber; vorüber ist der deutschböhmische Parteitag zu Teplitz, dem die Ab- geordnetenkonferenzen zu Prag vorangegangen waren. Ein Verwunderliches ist geschehen, ohne Frage, und von zwei bestimmenden Gesichtspunkten aus ist die plötzlich veränderte Politische Lage in Böhmen zu betrachten. Einmal von dem volks- und wirtschaftlichen Interesse, das für das Land Böhmen Geltung hat, und dann sind die wesentlichen Beziehungen ins Auge