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Deutschland.
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Abgeordneten irp den Landtag. Um den nenen Plan der Kn- riatvoten zn verstehen, iiluß man dessen eingedenk sein, daß in den Landgemeinden die tschechischen Wahlbezirke stark überwic- gen nnd daß durch die Verluste der Deutschen in den letzten Jahrzehnten, durch Slavisiernng von Kleinstädten, auch in den städtischen Wahlbezirken immer eine Majorisiernng der Deutschen droht. Wo nun nationale Parteien, wie im böhmischen Landtag, aufeinanderstoßen, da fährt das Majoritütsprinzip in seiner schroffen Form zur rücksichtslosen Unterdrückung der nationalen Minderheit. Dem soll die Kurie des Großgrundbesitzes, die als Kompromißlandtag zwischen einem deutschen nnd einem tschechischen gedacht ist, abhelfen. Mehr der Notwendigkeit als dem eigenen Trieb folgend, fügt man sich also in Vertrauen dem Großgrundbesitz, wiewohl gerade er in Böhmens Geschichte stets beseelt vom rücksichtslosesten Eigennutz ausgetreten iß. Darum ist es gerade dieser politische Punkt in den Ansglcichsversnchen, der mit kaum beschwichtigten: Mißbehagen in der Bevölkerung Dentschböhmens hernntergewürgt wird nnd der unter den Jnngtschechen auf den heftigsten, offen geäußerten Widerspruch stößt.
So bleiben überall schwere nnd bange Zuknnftsfragen offen; und wenn die Krone, wenn die Regierung, wenn der Großgrundbesitz der ehrlichen Einsicht von der Notwendigkeit iines einheitlichen Österreich folgten „und wirklich Sonne nnd Wind unter Slaven und Deutschen Österreichs gerecht verteilt- tcn, noch immer müßten die Deutschen in unseren Tagen wirtschaftlicher Kreuzungen verschiedenster Art, hin nnd her flutender Industrie- und Arbeiterbewegungen mit voller Spannkraft ihren nationalen Besitzstand wahren. Noch immer müßten sie bedacht sein, daß nur mannhaftes Selbstbewußtsein ohne chauvinistische Überhebnng Achtung abringe. Sie dürfen nicht als Freunde behandeln wollen, die sie mit Fug Jahre hindurch als Gegner erkannt haben; nnd selbst in so kleinen Zügen müßten sie stärkeren Stolz bewahren nnd nicht um die Vermittelung des Grafen Taaffe ansnchen, wenn sie dem Monarchen für seine Initiative danken wollen, wie sie es am deutsch- böhmischen Parteitag gethan haben. Ein Volk „soll nicht di- plomatisieren wollen. Man horcht in Deutsch-Österreich mit feinfühligem Dhr und empfindlichem Herzen auf den Wiederhall, den das Kämpfen und Streben Deutsch-Österreichs in Deutschland findet; der Wiederhall wird um so Würmer, um so kräftiger klingen, je klüger, je regsamer und ausdauernder der Brnderstamm in Österreich treue Wache lind scharfen Lng- aus hält.
„Hup Jüa."
Hamburger Skizze von Ilse Frapan.
(Schluß.)
^^McMnd nun tarnen sie alle zwei nicht wieder, nnd Trina, die „man eben mal en Gratnlatschonskarte" hatte einstecken wollen, war in dieser Airgelegenheit jetzt schon eine Stunde abwesend, obgleich der Briefkasten gleich an der Ecke war, und auch noch die Apfelkuchen geholt werden mußten. Und nun, es war doch wie verhext, kam plötzlich ein Käufer nach dem andern. Und jeder hatte große Eite, und jeder fragte: „Sind Sie heut ganz alleirr?" nnd jeder zog auf die Bejahung dieser Frage ein langes Gesicht nnd ineinte, das wäre doch „komisch" am Shlvesterabend, wo die meisten Karpfen verkauft würden. Frau Wobbe wurde es so heiß, sie mußte das Kopftuch abwerfen, sie that sogar den „Seelenwürmer" herunter, damit sie sich schneller drehen nnd wenden könne. Sie nahm all ihre Kraft zusammen, um jeden Fisch rrrit einem Schlag zu töten; aber einmal schlug sie fehl nnd quetschte sich den linken Daumen, nnd ein großer Karpfen biß sie in die
Hand, daß das Blut hernnterlief. Ja, das hilft nicht, dazu
darf man kein böses Gesicht machen! Dafür ist man eine
Geschäftsfrau. Aber sie konnte es doch nicht unterlassen, ängstlich nach der Thür zu sehen unter dein atemlosen Bedienen, und — lieber Gott, das fehlte noch, — jetzt stehen soviel Leute da, nnd die Karpfen sind fast alle! - Wenn Christian nicht bald kommt und Nachschub bringt, dann kann sie nur den Laden znmachen! Na, an den Splvesterabend will sie denken! — Jetzt! Ein Stein füllt ihr vom Herzen, —
„Krischan, büst Du dar?" Ja, da ist er, nnd draußen ist Klas
mit sechs Kufen voll Karpfen. Gott sei Dank! Sie winkt ihm mit den Augen zn; er hat auch schon die Schürze um und springt umher in seinen großen Wasserstiefeln und vertröstet die Wartenden nnd fischt ans den Kübeln nnd schlägt tot und wägt nnd wickelt ein; das geht ihm anders von der Hand als ihr. Aber sie wundert sich, soviel ihr das Gewühl rundum Zeit läßt, daß er sich so wenig über das gute Geschäft zu freuen scheint. „Was hat er denn nu wieder in'n Kieker?" denkt die Frau, und plötzlich steigt es ihr in den .Hals, und sie sagt zn ihm hinüber: „Hast Du die Lüttje nich mitgebracht?" Er sieht aber ganz abwesend aus, er scheint nicht gehört zu haben. Nein, denkt sie, die .Kleine ist es nicht, er hat was anderes im Kopf. Aber wo bleibt denn das Kind? „Jda wollt' Dir entgegengehn nach'in Schuppen." Er steht zufällig eben neben ihr, hat sie aber Wohl gar nicht gesehen, denn er führt zusammen und fragt: „Nach'in Schuppen? Was soll denn das heißen?" Hat der Mann getrunken? Tie Kleine läuft ihm ja sonst überall nach. „Na, sie wird Wohl bald kommen, Krischan," sagt sie beruhigend, denn sie sieht, daß ersetzt immer nach der Thür guckt. Da nun ein neuer Kübel hereingebracht werden soll, benutzt er die Gelegenheit, sich ein bißchen draußen umznsehen.
„Gun Abend, Wobbe," sagt eine Nachbarin und drängt ! sich an ihn heran. „Nehmen Sie man Ihr Jda in acht, ich wollt' es drinnen nich sagen wegen Ihre Frau; aber es is eben wieder eine ertrunken."
„Ertrunken? Wer? Wann?" Wobbe greift sich mit der nassen Hand nach den: Kopf.
„Auf die Alster, 'n lüttje Teern," flüstert die Frau, „ich hör' inan, daß Ihre Kleine noch nich zu Haus is."
„Krieg ich bald, Herr Wobbe?" ruft ein Dienstmädchen, das ihm auf die Straße gefolgt ist, und zupft ihn am Ärmel. „Min Olsch ward duck, wenn ick nich wedder kam, nn ick hew all so'n kolke Fänt." Von der andern Seite hält ihm Trina einen großen zappelnden Fisch vor die Nase: „Herr, de Snie- der seggt, dat is keen Karpen, dat is 'n Plötzen! Kann dal nu woll angahn?"
Dem Wobbe stehen die Schweißtropfen ans der Stirn, wie er wieder znrückkehrt. Die dnnkelgeringten Angen seiner krünklichen Frau bohren sich in sein Gesicht: Jda? „Sie wird bei Swartans sein," wirft er so Hill. Die Frau nickt. „Ja, dat wör möglich, do ward hüt de Dannenbom plünnert."
Und immer mehr Kundeil drängen sich herein, lind immer eifriger plaudert der Mann: „Ja, mein werter Herr Nachbar, gewiß sind sie frisch: sehen Sie woll? Ganz springlebendig! Nehmen Sie lieber große oder kleine, Madam? Große, ganz recht, sollst hat man so viel Swänze. Und Sie, Fräulein? Lieber drei kleine? Sie haben den richtigeil Gnstns, die kleineil