Heft 
(1889) 23
Seite
390
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Seite 390 . Deutschland. 23 .

sinecken feiner! Dree Pulld, oll Fründ? Kamt Se damit nt? Drei Pund mis'n Prick!' Ja, ich Hab das all so in'n Griff, wissen Sie, meine zwei Hände sind so gut als 'n Wagschale! Sich so, drei schöne Mittelstücken ans jeden! Und nu da 'n büschen Essig über, denn soll'n Sie mal sehn, wie die blau

werden!-Geht hild her? Freut uns, is Geschäft! Soll so

sein! Uns wird's so leicht nicht zu" er bricht ab und läßt einen Augenblick die Hände ruhen ; es ist eben ein kleines Mäd­chen in die Thür gekommen. Er meint, die Frau habe ihn gerufen, läßt alles liegen, geht zu ihr hin und flüstert mit beklemmtem Atem:Wat seggst Du?" Die Frau starrt ihn an, ohne zu antworten. Es wird ihr plötzlich zu viel, das Gedränge und Gerede und das Licht und selbst ihr Mann, der mit den anfgekrempten Ärmeln und den beschmierten Hän­den dasteht und spricht wie im Fieber. Sie muß hinüber zu Schwartaus, ans dem vollen Laden, wo sie so nötig ist. Sie sagt im Hinansgehen:Ick kam gliek wedder;" aber er­hört nicht, er arbeitet wie eine Maschine. Wie sic die Treppe hinanfschleicht, muß sie weinen über ihren Mann. So ist er doch sonst nicht. Ein kleiner rötlicher Strahl von der Straßen­laterne draußen fällt über die Stube, wo der Schrank steht, und Plötzlich springt sie zurück und schreit laut! Das Kind liegt ja da in seinem Bett, da vor ihr, aber weiß und still, wie ein totes!Kind, büst Du all dar?" Sie geht zitternd ans das Bett zu; aber cs antwortet nichts, und sie langt mit unschlüssigen Fingern nach dem weißen Gesicht. Dann thut sie einen langen Atemzug es ist ja nur Jdas znsammen- gerolltes Nachtjäckchen! Wie sollte denn das Kind auch so still hier heraufgekommen sein? Aber sie muß niedersitzen, denn sie bebt über und über.Wenn dat man nix to bcdüdcn hctt," murmelt sie lind hört znsammenfahrend die Uhr halb nenn schlagen. Sie reißt Hut und Mantel aus dem Schrank; ach, das ist ja ihr Sommerhnt! Na, das ist einerlei heute abend, wenn das Kind nur bei Schwartaus ist.

Das Geschäft geht fort, und nun ist der Mann allein, denn Trinas Hilfe ist kaum zu rechnen. Es ist, um sich zu zerreißen. Er sagt auch nur noch das Notdürftigste, und um ihn surrt es und summt es:Ja, was ich Ihnen sag, allens weggcschwommcn, und allens mit Netze und Stangen und Eimers dahinterher! 'n Hallo war das, nicht zu glauben! lind unter das Eis kriegt man sie ja nicht wieder! Einige sagen zwar, das war'n man all so'n halbtote, die kommen doch nicht weit; aber 'n großen Schädel! ist cs doch für Borne- lnann. Herr Wvbbc, is Ihnen nicht gut? Soll ich Ihnen 'n kleinen Schnaps holen? Und Watt ick scggen wall, 'n lüttje Deern soll ja dabei ertrunken sein, sagen sie, die erste, die da was von gemerkt hat."

Und nun ein allgemeiner Schrei:Herrjes, Herr Wobbe!" Der Fischhändler hat sich den Gvldsischhafen von der Toon- bank über den Leib gerissen, an dein er sich im Umsinken hatte halten wollen. stwei Nachbarn sind ihm beigesprnngen, und nun sitzt er mit verglasten Augen auf dem Hanblock, und neben ihm steht Trina und trocknet ihm mit seiner Schürze das Ge­sicht ab, das von Wasser trieft und auch von Blut, denn die Glassplitter haben ihm die Backe zerschnitten, und schreit und heult fortwährend:Uns' Jda is noch nich to Hns, wenn dat man nich uns' Jda is!"

i Auf ein Haar.

Da vor der Thür Wagengeroll, und die Thür wird langsam aufgemacht mit der ernsthaften Frage:Wohnt hier der Amtsfischer Wobbe?"

Da bringen sie sie allst' murmeln die Leute und drän­gen sich zusammen, um Platz zu machen.

Ein Mann trägt etwas herein, das in einen großen dnn keln Shawl gewickelt ist. Wobbe springt mit gerungenen Hän­den von seinem Sitz auf:Min Kind!"

Da thnt sich der Shawl etwas auseinander, und eine kleine weiße Nasenspitze wird sichtbar, und eine schwache Stimme sagt:Ich bin 'n büschen in' Wasser gefallen, Papa; sei man nich böse!"

So schwach die Stimme war, Frau Wobbe muß sie ans der Straße gehört haben, denn da ist sie, Mantel und Hut hinter sich herschleifend, stöhnend und lachend:Kind, Kind, Wat malst Du mi for Kummer!" Wobbe aber steht scheu von weitem, als sei es noch nicht Wahrheit, als dürfe er die Gerettete nicht anrühren.

Sei man nicht böse, Papa," sagt die Stimme wieder, ich könnt' ja doch nicht leiden, daß Bornemann all seine Karpfen wegschwimmen, und da bin ich ans dem alten Eis 'n büschen ansgeglitscht."

Die Leute stehen und wischen sich die Augen: sie hätten nicht geglaubt, daß ein Mann so weinen kann, und diesen! rot­bäckigen. sidelen Wobbe hätten sie es gewiß nicht zngetrant. Er schluchzt wie ein kleines Kind, streckk immer die Arme nach seiner Tochter ans und geht doch nicht näher. Die Frau ist lange nicht so außer sich, die schreit nur nach Trina undThee- kessel anssetzen!" undWärmflasche füllen!" und guckt das Kind nicht mal an; ja, der eine nimmt es schwer, der andere weniger.

Wie das Wohl bloß zngegangen is?" fragt jemand Lührs, der die Kleine hergebracht hat. Wobbe wendet sich nin und guckt ans den Boden.

Der andere zuckt die Achseln:Es war ja woll alles morsch in dein alten Fischkasten, es scheint ja woll, das; die Natten alles dnrchgenagt haben, die Kleine hat es zuerst bemerkt."

Jda steckt den Kops aus dein Shawl:Ich geh da rum und such Papa, und da is unser Schuppen zngeschlossen, aber Bornemanns nebenan is offen, und der große Kasten auch, und wie ich so reinkuck, merk' ich mit eins, daß all die Karpfen so rnntergehn und nach einer Stelle hin, und daß sie immer weniger werden, und da Hab' ich um Hilfe geschrieen und n Ketscher von der Wand genommen. Und Lührs könnt' mich gern rnntersetzen, wenn ich man nich Frau Lührs ihr Kleid an hätt', was mir natürlich 'n halbe Meile zu lang is."

Und all die Karpfen sind weg?" fragt jemand.

Lührs schüttelt bedächtig den Kopf:Ich denk', wir krie­gen woll das meiste wieder, wenn das Eis ans ist, so was fällt da Wall mal bei vor, und unser Geschäft kann da ja gottlob ans stehen."

Der Fischhändler hat endlich sein Kind in die Arme ge­nommen und trägt es in die gewärmten Kissen. Aber er zit­tert noch immer, wie er nun vor dem Bette sitzt und Jdas Händchen hält. Sein ganzes Gesicht ist eine Selbstauklage, ein heiliges Versprechen. Auch er wird diesen Shlvesterabend nicht vergessen.

Schon.

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