Heft 
(1988) 45
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Vermag ich mir doch Berlin u. den Thiergarten, in dem ich ihm so manchmal u. noch vor wenigen Wochen in der Abenddämmerung begegnet bin, 88 gar nicht ohne ihn zu denken! Wie wenig könnt' ich ahnen, als ich vor drei oder vier Tagen seinen Namen auf die Adresse eines die Schillerstiftung betreffen­den Briefes schrieb, daß es das letzte Mal sein sollte! Das Jünglingshafte in seinem Wesen ließ die Vorstellung gar nicht aufkommen, daß wir ihn so bald verlieren würden. Und doch, ist er, der so glücklich war bis an sein Ende, nicht zu beneiden, daß er friedlich, wie er gelebt u. schmerzlos, wie wir es uns alle wünschen möchten, entschlummerte? Doch mit Ihnen, verehrte Frau, u. den Ihrigen trauern wir um den Verlust eines Mannes, der, so lange wir selber noch leben, uns fehlen wird. Niemals werde ich, wird dieRundschau" ver­gehen, was wir ihm an Dank u. Liebe schulden. Das eben erscheinende Heft bringt eine Besprechung seines letzten Buches, 8 9 die er nun nicht mehr lesen wird; seine literarische Würdigung hat Prof. Schmidt für das nächste Heft sich Vorbehalten. 90 Der Gedanke, daß der Name Theodor Fontane's zu denen gehört, die den Tod überleben, kann Ihnen den geliebten Todten nicht erset­zen; aber Ihren Schmerz wird es doch lindern, zu sehen, daß so ungezählt viele ihn theilen u. schon jetzt die Gewißheit zu haben, daß die Welt sein Andenken niemals sterben laßen wird.

Meine Frau u. Tochter bitten, sich meiner Beileidsbezeigung anschließen zu dürfen, u. ich bin verehrte Frau,

in aufrichtiger Hochachtung

ergeben

Ihr

D. Julius Rodenberg.

Nr. 31 [An Friedrich Fontane] Hochgeehrter Herr Fontane!

Berlin W den 24. Mai 1901

Empfangen Sie meinen aufrichtigen Dank für die freundlichen Mittheilungen, die mich im höchsten Grade interessiert haben; in beßere Hände, als die unseres Freundes Schlenther, hätte die schöne Aufgabe, das Leben Ihres Vaters zu schreiben, 91 nicht gelegt werden können; wenn er nur recht bald (Zeit) Muße fände, an das Werk zu gehn! Unterdessen ist es mir eine Freude, Ihnen die Briefe zu unterbreiten, 92 die sich über einen Zeitraum von nahezu dreißig Jahren erstrecken u. in der That wichtige Beiträge zur Entstehungsgeschichte von Theodor Fontane's, namentlich späteren, Werken enthalten. Sie liegen voll­ständig u. nach dem Datum geordnet bereit, u. ich könnte sie jeden Augenblick abliefern, wenn ich nicht zuvor jenen Brief, von dem ich Ihnen schrieb, 93 her­vorsuchen u. copieren möchte. Da ich nun binnen Kurzem eine Reise anzu­treten gedenke, weiß ich nicht, ob ich bis dahin noch dazu kommen werde; sollte dieß der Fall sein, so erhalten Sie die Briefe im Laufe der nächsten vierzehn Tage, sonst nach meiner Heimkehr im Juli.

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