Heft 
(1889) 23
Seite
393
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23.

Deutschland.

Seite 393.

-Geheimnisse der Axiritißen.

Vvn

Hitdegavd Uitso».

III.

Der spiritistische Tischler. Das kleine Lotto.

rühling und Sommer des Jahres 1880 verbrachten wir größtenteils im nördlichen Böhmen. Es war eine Leidenszeit, und weder das gute Wetter, noch die herrliche Gegend vermochte uns vollständig über die Prosa der schlechten Geschäfte zu trösten. Wie ein böser Engel verfolgte uns der neue Amtsrichter von O . . . mit allerlei behördlichen Anfragen und Chicnnen; uns konnte nur das stolze Gefühl aufrecht halten, daß sein Haß nicht unseren Personen galt, sondern der spiritistischen Wissenschaft, in deren Dienste wir thütig waren.

Nach Reichenberg hatten uns verschiedene ernste Gründe hingezogen; der Reichtum dieser angesehenen Fabrikstadt und daneben die Existenz eines der größten und ältesten Spiritisten­vereine ließen uns für unsere Kasse das Beste hoffen. Und jen­seits der Grenze hofften wir der kleinlichen Plackerei der Preußi­schen Behörden entschlüpft zu sein. In Reichenberg wirkte aber auch der hervorragende Industrielle, ans dessen Werkstatt mein liebes Schreibtischchen hervorgegangen war; wir wußten ans unseren Fachzeitschriften, daß der Umsatz in seinem Geschäft sehr groß war, und Eduard hatte den unklaren Wunsch, mit diesem Manne in Geschäftsverbindung zu treten. Es sei gewiß ein eingefleischter Spiritist und werde uns darum leicht reinfallen. Eduard drückte sich öfter als mir lieb war in so ungebildeter Weise ans.

Eine Enttäuschung folgte ans die andere. Die Grenze schützte uns, wie gesagt, nicht vor der Bosheit des Amtsrichters, und Reichenberg erwies sich lange nicht so ergiebig, wie die Umstünde hatten erwarten lassen. Im Spiritistenverein übcr- wogen damals die unlauteren Elemente, welche entweder nur Ulk suchten und dafür nicht viel ansgeben wollten, oder welche gar selbst ans den spiritistischen Erwerb angewiesen waren und dadurch die besseren Elemente vertrieben hatten. Wir wurden von den einen mit spöttischen Huldigungen, von den anderen mit offenem Konkurrenzneid empfangen. Als wir die ärztliche Praxis beginnen wollten, drohte ein spiritistischer Bruder sogar mit einer Anzeige bei der Polizei. Er war uns nachher, als ihm für jeden Patienten fünfzig Kreuzer zngesichert worden waren, recht nützlich; aber weder in Neichenberg noch in den anderen böhmischen Ortschaften kam ein rechter Zug in die Sache. Ich weiß nicht, woran es lag. Der Doktor meinte, die Leute Hütten die höhere Bildung nicht und gäben darum so wenig ans klassische Autoritäten, ich glaube aber, es lag an uns selbst, weil wir durch die Katastrophe in O. . . nervös geworden waren und an zuversichtlichem Auftreten eingebüßt hatten. Dazu kam, daß der Doktor in seiner übertriebenen Angst vor einer Verhaftung den Schauplatz unseres Wirkens jedesmal allzuschnell verließ. Ich konnte mich sogar einer bangen Ahnung über sein Vorleben nicht verschließen. Soviel war gewiß, daß wir in Nord-Böhmen zur Not unsere Geschäfts­unkosten und unser bißchen Leben heransschlugen, daß aber unsere schlesischen Ersparnisse dabei nicht vermehrt wurden.

Auch der spiritistische Tischler war eine Enttäuschung; aber es kam doch zu einer geschäftlichen Verbindung, welche uns eine Zeitlang wertvolle Nebeneinnahmen verschaffte, am Ende jedoch den Ruin unseres ganzen Unternehmens zur Folge haben sollte. Bevor ich jedoch auf diese neue Wendung auf den verschlungenen Pfaden meines Geschickes eingehe, möchte ich den geneigten Lesern mitteilen, was ich über den Tischler­meister Bilek und über seine spiritistische Fabrik in Erfahrung gebracht habe.

Bilek war Geselle bei einem Sargtischler gewesen, als im Jahre 1850 der Krieg ansbrach und er ans Angst vor der

Rekrutierung nach Amerika ging. Dort ernährte er sich ganz gut, größtenteils mit dem gelernten Handwerk, und sah sich übrigens den Weltlauf an. Ein Zufall schaffte ihm Arbeit in einer Fabrik, wo allerlei spiritistische Möbel massenhaft für die ganze Welt gearbeitet wurden. Er bemerkte bald, ein wie ein­trägliches Geschäft das war, und sah mit Schmerz, daß gerade Europa diese amerikanischen Erzeugnisse am häufigsten brauchte und am teuersten bezahlte. Da es ihm um dieselbe Zeit mög­lich wurde, ohne Furcht vor Bestrafung in die Heimat zurück­zukehren, kaufte er für einen Teil seiner Barschaft die leichten amerikanischen Hölzer, welche für spiritistische Möbel wünschens­wert sind, schrieb an einem freien Sonntage aus den Geschäfts­büchern des Chefs die Adressen Vvn dessen deutschen und öster­reichischen Kunden ab und reiste mit der nächsten Post über Hamburg nach Böhmen. Schon ans dem Wege durch das Deutsche Reich knüpfte er Handelsbeziehungen an und hatte jetzt sechs Jahre nach seiner Rückkunft einen Umsatz von jährlich 34000 Tischchen und, einen Reingewinn von über 10000 Gulden jährlich. Der Form wegen und weil man ihn in Reichenberg selbst mit seiner spiritistischen Fabrik zu sehr foppte, hatte er auch einen Gesellen für Sargtischlerei eingestellt.

Wir wußten daher, daß wir unseren Mann gefunden hatten, als wir alle drei, kurz nach unserer Ankunft in der Stadt, über dem Thorweg eines kleines Hauses in einer Seiten­gasse eine große Tafel mit der Inschrift:Sargmagazin von Franz Bilek" erblickten. Wir traten ein und stellten uns dem Besitzer vor, der in dem städtischen Anzug mit dem runden Bäuchlein und dem roten, glatt rasierten Gesichte anssah, als ob er ein katholischer Pfarrer in Civil gewesen wäre. Er em­pfing uns in seiner Schreibstube und fragte, ob wir eine größere Bestellung zu machen hätten. Als der Doktor daraus ehrlich zngab, daß wir kein Geld ausgeben, sondern mit unserem Tischchen welches verdienen wollten, wurde Bilek grob, ja so­gar ungemütlich. Bettlern und Spiritisten werde hier nichts gegeben, schrie er, sprang von seinem Drehstuhl auf und schimpfte auf seinen Laufburschen, der solche Leute hereinlasse. Glücklicherweise warf Eduard, während wir uns erschreckt zurück­zogen, die Drohung hin, er sei Sekretär des Mnttervereins und Redakteur der Mntterzeitschrist und werde dem Fabrikanten schon sein Handwerk legen. Das mit dem Redakteur war da­mals noch unrichtig, aber es half. Bilek wurde sofort katzen­freundlich und wollte sogar schon das Portemonnaie ans der Tasche langen. Der Doktor war moralisch so herunter, daß er gern etwas angenommen hätte. Eduard aber verlor auch in trüben Tagen seinen edlen Anstand nicht, belehrte den Fabri­kanten und stellte mich noch einmal als das beste Schreib­medium der alten und neuen Welt vor.

Sie können mit meinem Tischchen schreiben, Sie da?" rief er mehr ungläubig als bewundernd aus.

Ich erklärte mich sofort zu einer Probe bereit; er ließ eines seiner Schreibtischchen, das genau wie das weinige kon­struiert war, in das Sargmagazin bringen, stellte es mit einem derben Stoß ans die Diele, legte selbst einen Bogen Schreib­papier unter und sagte:Da, schreiben Sie einmal. Wenn

Sie es können, verstehen Sie mehr als Gold machen. Gold machen habe ich erlernt, aber dieses verdammte Schreiben nicht."

Zuversichtlich setzte ich mich auf einen schön mit Silber­blech beschlagenen Eichensarg vor das Tischchen hin und begann zu schreiben, was der Augenblick mir eingab. Nach den erstell Worten hielt ich errötend still und machte die Bemerkung, daß ich vergessen Hütte, in den medinmistischen Zustand zu geraten, bevor ich einen schreibenden Geist citierte.

Unsinn," rief Bilek erregt,schreiben Sie nur weiter."

Ich vollendete ziemlich gedankenlos den. Satz:Bilek ist ein Meister in seinem Fach und wird den Gästen in dem guten Reichenberg die Wege ebnen. Kapisnti ml! Archimedes."

Bilek riß den Bogen unter dem Tischchen hervor, las und sagte:Merkwürdig, sehr merkwürdig. Mehr als 20000 solche Tischchen habe ich bis heute verkauft und nun kann wirklich jemand damit schreiben."