Heft 
(1889) 29
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Deutschland.

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durchsichtigen Zusammenhang gebracht" werde (vergl. Prüfungs­ordnung für das höhere Lehrfach vom 5. Februar 1887 tz 13 und Erläuterung), sondern nunmehr wird, wo in der That das praktische Bedürfnis im Gymnasialunterricht" dazu vor­liegt, ein gewisses sprachvergleichendes Studium vom Kandi­daten verlangt werden müssen. Dies führt keineswegs Zu der so gefürchteten Zersplitterung der Arbeit; wieviel Kandidaten beschäftigen sich nicht schon jetzt mit den Grundzügen der Sprach­vergleichung ! Die Zeit dazu ist durch Fortschaffung der münd­lichen und schriftlichen Sprachübungen entschieden vorhanden, und es würde sogar ein gewisser Zeitüberfluß geschaffen werden können, wenn weniger auf die geisttötende Handschriftengruppie­rung und fade Textkritik, als auf tiefdringendes, umfassendes Verständnis der Schriftsteller gegeben würde. Es ist völlig ausreichend, wenn der Studierende ein bis zwei Semester ein besonderes praktisches Kolleg über Textkritik durchgemacht hat, statt wie jetzt in seiner ganzen Wissenschaft nur noch eine text­kritische Spitzfindigkeit über die andere erörtern zu müssen. Aber selbst ein sprachvergleichendes Studium kann uns nicht genügend erscheinen, da es leicht in ein äußerliches Handwerk Umschlagen könnte. Es muß vielmehr noch der höhere Geist hinzntreten, die Grundlage aller wahren Wissenschaft, die das künstlich Getrennte wieder von höheren Gesichtspunkten zusam­menfaßt, die Synthesis durch sprachphilosophische Anschauungen. Wie der wahre Jurist der Rechtsphilosophie, der Theologe der Religionsphilosophie, der Naturforscher der Naturphilosophie, der Historiker der Geschichtsphilosophie außer einer allgemeinen, grundlegenden philosophischen Bildung im besonderen bedarf, so auch der Sprachgelehrte der Sprachphilosophie, diese For­derung müßte unbedingt bei der Prüfung gestellt werden. Durch solche Umgestaltungen in erster Linie könnte sowohl die Schul- als die Universitütswissenschaft dem Geiste unserer Zeit ent­sprechend vertieft und von den Äußerlichkeiten auf ihr wahres Wesen schon frühzeitig zurückgeführt werden. Dadurch würde schon der Schüler einen würdigen und den Thatsachen ent­sprechenden Begriff von der Wissenschaft erhalten, und nun­mehr würde in einzig richtiger Weise der ganze Unterschied zwischen Gymnasium und Universität darin bestehen, daß dort dem jugendlichen Geiste die Wissenschaft gegeben wird, hier er­ste suchen und finden lernt. Zugleich aber würde dadurch mit Ober-Sekunda ein noch viel tieferer Einschnitt in das Schnl- leben gemacht werden als bisher, und wer mit dieser Stufe nunmehr abgeht, nimmt eine in sich geschloffene gelehrte Bil­dung in das Leben mit. Von der erhöhten Freudigkeit und den damit reicheren Erfolgen des Schülers soll hier nicht weiter aufs neue gesprochen werden, es soll nur der Wunsch ausge­drückt werden, daß man in weitesten Kreisen den hier entwickel­ten Gedanken nachgehen möge!

Mk Anwendung der Elektlmtiit in der Heilkunde.

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vr. Kregor Weymev.

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ff^^ie Elektrieitüt wird in der Heilkunde zu sehr verschiede- nen Zwecken und in sehr verschiedenen Formen in Ge- brauch gezogen. Man kann ihre Anwendung in zwei große Gruppen trennen, für diagnostische und für Heilzwecke. Zur letzteren, der Elektrotherapie, würde eigentlich im weitesten Sinne jede Benutzung des elektrischen Stromes zum Zwecke der Behandlung von Kranken gehören. Gewöhnlich versteht man jedoch unter der Elektrotherapie die elektrische Behandlung einer Person bei unverletzter Haut zur Hervorbringung haupt­sächlich physiologischer Wirkungen, während man den Physi­kalisch-thermischen Einfluß der Elektrieitüt auf den Platindraht, welcher ebenfalls zur Behandlung verwendet wird, mit beson­

derem Namen als Galvanokaustik und die chemische Wir­kung des elektrischen Stromes als, gleichfalls therapeutisch sehr- wertvolle, Elektrolyse bezeichnet, obwohl bei beiden Vorgängen eben auch die Elektrieitüt zur Behandlung benutzt wird. Als noch hierher gehörig ist der Elektromagnet zu nennen, welcher in der Augenheilkunde wichtige Dienste leistet. Außerdem wird die Elektrieitüt für diagnostische Zwecke alsElektro- diagnostik," ferner zur Beleuchtung sowohl oberflächlich gelege­ner Teile als der in der Tiefe befindlichen Körperhöhlen sowohl zur Erkennung daselbst befindlicher krankhafter Vorgänge, als um bei ihrem Lichte operativ eiuzugreifen, verwendet. Ich will diese einzelnen Gebiete der Elektrieitüt, welche der Medizin nutzbar gemacht sind, ihre Wirkungs- und Anwendungsweise, die dazu nötigen Apparate und Werkzeuge kurz beschreiben und beginne mit der

Elektrotherapie.

Die Elektrieitüt wurde zuerst nach Erfindung der Elektri­siermaschine in der Mitte des vorigen Jahrhunderts als Rei- bungselektricität zur Behandlung von vielen Krankheiten benutzt. Nach der Entdeckung des Galvanismus gegen Ende des vori­gen Jahrhunderts und der Voltaschen Säule wurden diese zu Behandlungszwecken herangezogen. Die Jndnktionselektri- citüt wurde erst in diesem Jahrhundert durch Faraday ent­deckt und mittels der magneto-elektrischen Notationsmaschinen, welche in älteren Instrumentarien noch vielfach gesunden wer­den, erzeugt. Etwa in der Mitte unseres Jahrhunderts wur­den die ersten galvano-elektrischen Induktionsapparate verfertigt, welche mit verschiedenen Änderungen noch heute im Gebrauch siud uud sich durch große Bequemlichkeit gegenüber den älteren mit der Hand in Bewegung zu setzeuden Maschinen auszeichnen. Diese drei verschiedenen Arten der elektrischen Ströme, welche sehr verschiedene Wirkungen haben und daher auch individuell den einzelnen Leiden augepaßt werden müssen, werden zum Elektrisieren" verwendet. Die weitere Schilderung wird zeigen, daß nur jahrelang ausgedehnte Übung und sorgfältiges Studium der betreffenden Krankheiten, besonders des Nervensystems, und der Physiologischen Wirkungen der verschiedenen Stromesarten, des galvanischen, faradischen, sowie der besonders in neuester Zeit wieder in Aufnahme gekommenen Frauklinisatiou tJuflueuz- elektricitüt), in den Stand setzt, in sachgemäßer Weise die Elektrotherapie anzuwenden, und daß ihre Applikation möglichst niemals oder doch nur in ganz beschränkten Füllen der unge­übten Hand des Laien überlassen werden sollte.

Im folgenden beschreibe ich das hauptsächlichste in der Behandluug mit den drei Stromesarteu benutzte Rüstzeug.

Eine galvanische Batterie, welche, den galvanischen oder- konstanten Strom liefert, besteht aus einer größeren Anzahl bis zu sechzig Elementen, welche in einem Schrank vder sür den transportablen Gebrauch in einem Kasten sich befinden. Die Elemente sind in der allerverschiedensten Weise zusammen­gesetzt, meist enthalten sie je ein Zink- und Kohlenstück in feuchten: Leiter, oder sie sind als sogenannte Trockenelemente konstruiert. Welches System von Elementen den Vorzug ver­dient, dürfte noch nicht sicher festgestellt sein. Der Nachteil, welcher den meisten feuchten Elementen anhaftet, ist, daß sie nicht dauerhaft uud zuverlässig geuug sind, sondern recht häufig gefüllt und gereinigt werden müssen und nicht ihre Konstanz behalten; bei den Trockenelementen füllt allerdings der erstere Übelstand fort, jedoch bleiben sie gewöhnlich auch nur begrenzte Zeit konstant und müssen dann vollständig erneuert werden, so daß man keineswegs ein abschließendes Urteil über ihre Brauchbarkeit bis jetzt füllen kann. Die Pole der Elemente sind durch Drähte verbunden, welche sich in den auf der Ober­platte des Elementenbehälters angebrachten Nebenapparaten vereinigen. Bon letzteren sind notwendig der Stromwühler oder Elementenzühler, durch welchen eine bestimmte Anzahl von Elementen, welche gerade gebraucht werden soll, eingeschal­tet wird. Der Stromwender bewirkt eine Veränderung der Stromrichtung, ohne daß die beiden Elektroden chie auf der Haut des Patienten gehaltenen Elektrieitütsleiter) eine andere