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Deutschland.
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fertigen können. Man hat von dergleichen Gerichten so wenig Nutzen zu gewarten, daß es nicht der Mühe wert ish um deswillen die gewöhnliche Gerichtsform zu verändern."
In weitem Umfange wird der Schutz der persönlichen Freiheit gewährleistet. „Jemand in Verhaft — d. i. in Untersuchungshaft — ziehen ist eine Strafe, die von allen übrigen Strafen darin unterschieden ist, daß sie notwendigerweise dem Gerichtsurteile vorhergeht. Es kann aber mit dieser Strafe niemand belegt werden, von dem nicht wahrscheinlich ist, daß er ein Verbrechen begangen habe. Folglich muß das Gesetz die Anzeigen des Verbrechens genau bestimmen, nach welchen ein Beklagter in Verhaft gezogen, ja nach welchen er auch nur befragt werden kann, indem auch dieses eine Art der Strafe ist." Die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls, für welche verschiedene Beispiele angeführt werden, soll das Gesetz und nicht der Richter bestimmen; insonderheit soll nach Möglichkeit derjenige mit der Untersuchungshaft verschont werden, der für sich Bürgschaft stellen kann. Jedenfalls aber „muß die Verhafthaltung so wenig Zeit dauern und so glimpflich sein, als möglich ist." Auch sollen Untersnchungsgefangene streng von den Strafgefangenen getrennt gehalten werden, damit ihnen, wenn sie unschuldig befunden werden, die Haft „zu keiner Beschimpfung gereiche."
Das Mittel, zur Überführung der Angeklagten Kronzeugen, d. i. Mitschuldige, welche gegen Zusicherung von Straflosigkeit ihre Gefährten entdecken, zu verwenden, „hat seinen Nutzen und auch seine Unbequemlichkeiten, wenn es in besonderen Füllen gebraucht wird. Ein immerwährendes allgemeines Gesetz, das einem jeden Mitschuldigen, der das Verbrechen entdeckt, Verzeihung verspricht, ist einzelnen besonderen Versprechungen, die nur für gewisse Fälle gelten, vorzuziehen."
Ganz entschieden hingegen wird als Überführungsmittel die Folter verworfen. „Der Gebrauch der Tortur ist der gesunden Vernunft zuwider; die Menschlichkeit selbst schreiet dawider und fordert, daß sie ganz abgeschasft werde." Mit warmen Worten wird zugleich die Unbrauchbarkeit der Peinigung des Beschuldigten zur Erreichung aller ihrer Endzwecke darge- than — sei es, daß man „dadurch sein eigenes Geständnis erzwingen; daß man Widersprüche, in die er sich beim Verhör verwickelt hat, erläutern; daß man ihn zwingen will, seine Mitschuldigen zu entdecken; oder daß er andere Verbrechen bekennen soll, die er etwa begangen haben könnte, und deren er doch nicht beschuldigt wird."
Im übrigen werden zu einem ausreichenden Schuldbeweise zwei Zeugen gefordert — „der gesunden Vernunft nach: denn ein Zeuge, der die Sache bekräftigt, und der Beklagte, der sie verneinet, machen zwei gleiche Teile aus; ... da hat ein jeder das Recht vor sich, daß man ihm glauben solle. Vielmehr giebt diese Gleichheit auf die Seite des Beschuldigten den Ausschlag." Jedoch kann man „jedermann zum Zeugen zulassen, der ein falsches Zeugnis abzustatten keine Ursache hat," insbesondere auch „einen Menschen, der schon einmal durch richterlichen Spruch verurteilet ist." Auf Rang und Stand des Zeugen soll nichts ankommen, da sonst „die Sache nach der Person, die Person aber nach der Würde geschähet" werde; vielmehr nur darauf, ob er „des Beschuldigten Freund oder Feind ist, oder sonst zwischen ihnen Verbindungen oder Mißhelligkeiten obwalten." — „Den Eid durch öfteren Gebrauch allzugemein machen, ist nichts anderes, als die Kraft desselben schwächen."
Materiell werden die Verbrechen zu deren Verfolgung behufs Vermeidung des Denunziantenwesens Staatsanwälte, Procureurs angestellt werden sollen - in vier Arten geschieden: in Verbrechen wider die Religion, wider die Sitten, wider die Ruhe und den Frieden, Wider die Sicherheit der Mitbürger. Für sie alle gilt der Satz, daß ein bloßes Vorhaben nicht bestraft werden könne, und die Strafe für den Versuch und die Beihilfe geringer sein müsse als für das vollendete Verbrechen und die Hauptthäterschaft. Von einzelnen Verbrechen werden vornehmlich der Schleichhandel, der Bankrott
und der Zweikampf besprochen; für letzteren wird verlangt: „daß man den angreifenden Teil, denjenigen, der zum Zweikampfe Anlaß giebt, bestrafe; hingegen denjenigen, der zum Streite keine Ursache gegeben und seine Ehre zu verteidigen sich gezwungen gesehen, für unschuldig erkläre."
Die Strafen dürfen nicht zu hart und grausam sein. „Damit eine Strafe die verlangte Wirkung hervorbringe: so wird genug sein, wenn das Übel, welches sie dem Missethüter anthut, das Gute oder den Nutzen, den er sich von dem Verbrechen versprochen hatte, übertrifft. Die Länder und Zeiten, worin die grausamsten Strafen gebräuchlich gewesen, waren diejenigen, worin die unmenschlichsten Laster herrschten." — „Alle Strafen, die den menschlichen Körper verunstalten können, sind billig abzuschaffen." Ünd auch die Todesstrafe ist „in dem gewöhnlichen Zustande eines gemeinen Wesens weder nütz lich noch nötig; . . . denn der Tod eines Bürgers kann nur in einem Falle nötig werden: d. i. in demjenigen, da ein Gefangener noch Mittel und Kräfte findet, durch Empörung des Volks Unruhe zu stiften" — im Falle der Revolution oder der Anarchie. Jedoch wird überhaupt „unter einer gemäßigten Regierung ... der Gesetzgeber sich nicht so sehr angelegen sein lassen, die Verbrechen zu bestrafen, als denselben vorzukommen. Und dieses ist, worauf man den meisten Fleiß zu verwenden hat . . . Das allersicherste, aber auch schwerste Mittel, die Menschen zu bessern, ist indes die Einführung einer vollkommenen Kinderzucht." — Erziehungsregeln bilden denn auch den Gegenstand eines besonderen Kapitels.
Die Jnstruknon wendet sich nunmehr zur Lehre von den Ständen. Sie scheidet Bauern, Adel und den „mittleren Stand." Die Leibeigenschaft läßt sie nur widerstrebend und „nicht um des eigenen Nutzens willen, sondern zum Besten des Reichs" zu, und verlangt den Schutz der Gesetze und die Verleihung von Eigentum für die Leibeigenen, warnt aber auf der anderen Seite davor, „auf einmal und durch ein allgemeines Gesetz vielen Leibeigenen die Freiheit zu schenken." — „Der Ackerbau ist die erste und vornehmste Arbeit, wozu die Menschen müssen aufgemuntert werden." Deshalb soll der Bauernstand vorzüglich gepflegt, insbesondere aber auch vermehrt werden: denn „Rußland hat nicht nur nicht genug Einwohner, sondern fasset noch überaus große Länder in sich, die weder bewohnt sind noch bearbeitet werden." Belohnungen für reichen Kindersegen, Strafen für Ehelosigkeit werden in Erwägung gezogen. Bezüglich der Industrie wird der Zunftzwang im allgemeinen gebilligt und weiterhin hervorgehoben, daß „Werkzeuge und Maschinen, wodurch die Handarbeit verkürzt wird, nicht allemal nützlich sind. Wenn eine Manufakturware in mittelmäßigem Preise ist, mit dem der Käufer sowohl als der Manufaktnrist zufrieden ist, so werden die Maschinen, indem sie die Arbeit verkürzen und die Zahl der Arbeiter verringern, in einem volkreichen Lande schädlich." Der Handel soll frei sein, zumal von lästigen Zollplackereien; Ein- und Ausfuhrzölle sind nützlich, dürfen aber den internationalen Handelsverkehr nicht aufheben. „Vernünftig verführet man ... an denjenigen Orten, mo chte Käufleute keine Edelleute sind, jedoch Edelleute werden können . . . Hingegen ist es dem Wesen der Handlung . . . und dem Wesen der Monarchie zuwider, daß der Adel handle." Die „anständigste Beschäftigung eines Edelmanns" macht der Kriegsdienst aus, demnächst die Rechtspflege. „Tugend und Verdienste führen den Menschen ans die Ehrenstaffel des Adels;" verloren wird derselbe durch „allen ehrlosen Betrug und vornehmlich diejenigen Handlungen, welche Verachtung nach sich ziehen."
Es folgen Ausführungen über Erbrecht — welches bezüglich der freien Teilung von Bauergütern im Interesse der Landwirtschaft eingeschränkt wird —, Vormnndschaftsrecht und eine Reihe von Einzelpunkten, von denen Preßfreiheit und religiöse Duldung die wichtigsten sind. Jene soll nicht zu sehr eingeschränkt werden: denn sonst „vernichtet man die Gaben des menschlichen Verstandes und benimmt die Lust zum Schreiben." Toleranz aber ist das einzige Mittel, „die ver-