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Deutschland.
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irrten Schafe wieder zu der rechten Herde der Gläubigen zn- rückzubringen . . . Die Verfolgung reizt die Gemüter der Menschen. Die Glaubensfreiheit hingegen erweichet die verhärtetsten Herzen, beuget die Halsstarrigen und ersticket ihre der Ruhe des Reichs und der bürgerlichen Eintracht nachteiligen Zänkereien." Insbesondere muß man „bei Untersuchung derjenigen Sachen, welche die Zauberei und Ketzerei betreffen, sehr behutsam zu Werke gehen."
Den „Beschluß" macht die Aufforderung, „diese Instruktion zum öftern zu lesen, damit sie einem desto bekannter werde, und alsdann kann ein jeder hoffen, daß er sie verstehen werde... Um aber bei diesem mühsamen Werke eine Erleichterung zu verschaffen: so soll gegenwärtige Instruktion in der zur Verfertigung des Entwurfs zu einem neuen Gesetzbuche verordneten Kommission und in allen unter selbiger stehenden ab geteilten Kommissionen einmal zu Anfänge jeden Monats verlesen werden."
Als XXI. und XXII. Kapitel schließen sich zwei „Beilagen zur großen Instruktion" — vom 28. Februar und 8. April 1768 — an, welche „von der guten Ordnung, sonst die Polizei genannt," und „von denAusgaben und Einnahmen und der Staatsverwaltung derselben, d. i. von der Staatswirtschaft, sonst das Kameralwesen genannt," handeln; und ein „Plan, nach welchem die Kommission zur Anfertigung des Entwurfs zum neuen Gesetzbuch einzurichten und zu Ende zu bringen ist" — ebenfalls vom 8. April 1768. Derselbe weist den Stoff der Instruktionen, den er teilweis wiederholt, achtzehn Subkommissionen zu, nämlich den Kommissionen:
1. zur Ordnung des Staats nach dem allgemeinen Recht;
2. wegen der Städte; 3. zu den in die bürgerlichen Verfassungen einschlagenden geistlichen Gesetzen; 4. über das Justizwesen überhaupt; 5. zur Verhütung der Widersprüche zwischen den Kriegs- uud bürgerlichen Gesetzen; 6. über die Polizei; 7. wegen der Schulen und der Aufsicht über dieselben; 8. wegen der Posten und Gasthäuser; 9. wegen der Bevölkerung des Landwesens, der Wirtschaft, des Ackerbaues, der Handwerke, Künste und des Gewerbes; 10. wegen der Bergwerke, wegen Hegung und Vermehrung der Wälder und wegen des Handels überhaupt; 11. zur Regulierung der Ausgaben und Einnahmen; 12. wegen der Stände im Reich; 13. zu verschiedenen Anordnungen in Absicht der Personen; 14. wegen des Vermögens; 15. wegen der Verbindungen; 16. wegen Untersuchung der Instruktionen; 17. der Direktions- und 18. der Expeditionskommission.
Endlich ist noch eine „Instruktion für den Generalpro- eureur, nach welcher sich derselbe sowohl als der Marschall bei der Kommission wegen Ausfertigung des Entwurfs zum neuen Gesetzbuch zu richten haben" — vom 3. Juli 1768 — beigefügt, welche nach einigen allgemeinen Ausführungen dem Generalproeureur persönlich „vier von den geschicktesten Rechts- verständigen unter der Benennung von Konsulenten mit einem gewissen Gehalt" beiordnet und ihm freistellt, bei schweren und streitigen Materien sich des Rats derselben zu bedienen, auch „die Meinungen der Universität, der Akademie der Wissenschaften und der Juristenklasse des Kadetteneorps" einzuholen.
Dies der wesentliche Inhalt der kaiserlichen Instruktion und der zugehörigen Erlasse. Es bedarf keines Nachweises, daß auf dieser Grundlage das geplante Werk, auch wenn es nicht überhaupt die Kräfte des damaligen russischen Reiches bei weitem überstiegen Hütte, niemals zur Vollendung gelangt wäre. Bei aller Größe der Gesichtspunkte, bei allem Wohlwollen und Gerechtigkeitssinn spricht doch aus jeder Seite krasser, wenn auch strebsamer Dilettantismus, seichtes, wenn auch geistreiches Räsonnement; und es ist sehr bezeichnend, wie stiefmütterlich gegenüber dem Staats- und Strafrecht, der Domäne der Laien, das mehr juristisch-technische Privatrecht behandelt wird. Wenn schon jene ganze Zeit im allgemeinen nicht dazu berufen war, auf dem Gebiete der Gesetzgebung große positive Leistungen von dauerndem Gehalt hervorzubringen das preußische Landrecht bildet nur eine wohlbegründete Ausnahme -- vielmehr ihre reichen Kräfte darin erschöpfte, das Alte zu beseitigen und
für das Neue nur erst die Keime auszustreuen, so mußte dieser mehr negative kritische Zug der Zeit bei einer Natur wie der von Katharina II. und in Verhältnissen wie den russischen ganz besonders scharf hervortreten. In der That ist denn auch das mit so vielem Aufsehen begonnene Unternehmen gar bald schmählich ins Wasser gefallen: nachdem die Kommission beschlossen hatte, der Kaiserin den Namen einer „Mutter des Vaterlandes" zu verleihen, wurde sie im Februar 1768 von Moskau nach Petersburg verlegt, im Dezember ergebnislos vertagt und ist nie wieder zusammenberufen worden.
Lin Jukunftstrsum.
Von
Paul Michaelis. (Schluß.)
^E^t^^er zwei Jahre in der ersten Klasse des ersten Grades gewesen ist, der wird zum Lieutenant befördert und braucht nun nicht mehr zu arbeiten, sondern kann kommandieren. Die Hauptleute werden dann wieder „in kluger Auswahl" aus den Lieutenants genommen, während die Wahl der höheren Kommandostellen nach einem anderen Prinzip erfolgt, das nuseinauderzusetzen zu weitläufig sein würde. Es genügt, die Thatsache festzustellen, daß der einzelne bis zum Brigade- und Corpsgeneral aufsteigen kann, eine Stellung, in der er nur noch den Präsidenten über sich hat. Welch eine Carriöre für ehrgeizige Seelen!
Das ganze große Arbeiterheer — auch die Frauen gehören dazu, die ihre besondere Organisation haben — produziert nun für den Staat so viel Güter, als Bedürfnis danach vorhanden ist. Alle Einrichtungen sind natürlich im größten Stile getroffen, nur mit möglichst wenig Aufwand von menschlicher Kraft und Zeit das höchstmögliche Quantum zu erreichen. Und dies läßt sich dadurch bewirken, daß eben der Staat nicht bloß der größte, sondern der einzige Unternehmer ist. Er ist der einzige Kapitalist, der alle andern verschlungen hat, und arbeitet im Interesse und Nutzen aller.
Aber das ist noch nicht alles. Das Interessanteste ist die Verteilung der produzierten Güter unter die Gesellschaft. Während im übrigen reichlich viele Unterschiede gemacht werden zwischen den gemeinen und höheren Arbeitern und Rang und Titel nicht fehlen, unterscheidet sich die Neuordnung in einem Punkte ganz specifisch von der heutigen Gesellschaftsordnung, nämlich darin, daß alle den gleichen Anteil vom Produkte erhalten. Alle, nicht bloß die arbeitstüchtigen Männer, sondern auch die Invaliden, und ebenso die Frauen und Kinder; auch die letzteren, so erstaunlich das klingt. Aber allerdings, wer kann an der Güte dieser Maßregel zweifeln? Was könnte auch das Selbstgefühl eines Baby in höherem Maße stärken, als das Bewußtsein, über dieselbe Menge von Dollars zu verfügen, als sein Papa? Erst mit der Emancipation der Säuglinge ist die Reform der Gesellschaft vollendet. Ungläubige könnten fragen, welches Recht denn derjenige, der nichts arbeitet, hat, denselben Lohn zu empfangen wie der Arbeiter, und der Faule denselben wie der Fleißige? Aber Herr Bellamy würde ihn mit unwiderleglichen Gründen schlagen: „Sein
Rechtstitel ist sein Menschentum. Sein Anspruch ruht auf der Thatsache, daß er ein Mensch ist." Das ist doch verblüffend einfach. Und zur Erläuterung setzt er dann noch hinzu: „Die Größe des Arbeitsproduktes hat mit der Größe des Verdienstes nichts zu thun. Verdienst ist ein moralischer Begriff, und die Größe des Arbeitsproduktes ein materieller. Es würde eine sonderbare Art von Logik sein, welche eine moralische Frage durch einen materiellen Maßstab zu entscheiden versuchte. Der Grad der Anstrengung allein kommt beim Verdienst in Frage. Alle, welche ihr Bestes leisten, leisten das Gleiche." Wäre es nicht unbescheiden, so könnte man hier vielleicht Herrn Bellamy den Vorwurf der „sonderbaren Art von Logik" zurückgeben.