Heft 
(1988) 45
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was er denn sonst vermuten könnte. So läßt er die Sache einen Volksaber­glauben sein, das ist immer ein bequemer Ausweg. Der König lasse sichin seiner Neigung nicht beirren und kann auch nicht, wenn das Volk recht hat, das an eine Art Hexenzauber glaubt, worin ihn die Danner eingesponnen; aber er kann in seiner Neigung durchaus beharren und die Gräfin doch drüben in Skodsborg belassen. Er besucht sie dann jeden Tag, was ihm vielleicht noch besser behagt, als sie von Morgen bis Abend um sich zu haben. Denn jede Stunde sie mit Liebesaugen anzusehen, wenn es solche Zeiten überhaupt für ihn gegeben hat, das sind doch wohl Tempi passati". Daraufhin jener Spott der Prinzessin.

Am besten Bescheid weiß Brigitte. Sie kann sogar einen kleinen und einen großen Zauber der Danner unterscheiden. Über den großen zu sprechen, ziert sie sich:Meine Mutter sagt zwar immer: ,Höre, Brigitte, du sagst auch alles'; aber das mit der Danner, das ist doch zuviel" (110). Ohne Auskunft gelassen, rettet sich Holk, ähnlich wie nach der Unterhaltung mit Ebba, in eine Attitüde des darüberstehenden Humors (vgl. 111), doch die unechte Selbstberuhigung hält nicht vor. Brigitte hatte ihn mitten im Gespräch verführen wollen, hatte, auf ein unabsichtliches oder vermeintliches Augenzwinkern hin, dieKomödie der Würdigkeit" aufgegeben und der sexuellen Annäherung ein Tempo ver­liehen, dem er nicht gewachsen war. Er bremste es ab, indem er sichauf den Sittenvormund" hin aufspielte (109 f). Die Ungewißheit darüber, ob er höchste Respektabilität" (77) vermuten dürfe odernicht viel anders (...) als in einer Spelunke" (118) untergebracht sei, wird ihm unerträglich. All die Fragen, mit denen er einen Tag später Pentz bombardiert (vgl. 116 ff), krei­sen um den einen Punkt: Ist Brigitte eine treue oder aber untreue Ehefrau?

Es ist, wie man sieht, eine rondothematische Frage, und das Schema will jetzt die Antwort diktieren: weder dies noch das, sondern ein Drittes; was nur heißen kann, Brigitte sei gar keine Ehefrau. Ich möchte hier bekennen dürfen, daß ich mich gegen dieses Diktat anfänglich gesträubt habe, aus Mißtrauen gegen heuristische Routine jeglicher Art. Doch dann habe ich mich versuchsweise auf die Hypothese eingelassen und bin auf so viele, so harmonisch zusammen­passende Erklärungen gestoßen, daß ich die schematische Antwort heute für die richtige halten muß, obwohl sich abermals kein expliziter Textbeleg anbieten läßt. Trotzdem also: Brigitte ist unverheiratet, den jüngeren Hansen hat es nie gegeben.

Holk hätte feiner hinhören sollen, als ihm Pentz am ersten Abend bei Vincents für den Umgang mit der Prinzessin dies riet:(...) wenn Sie sich vor einem politischen Kreuzverhör fürchten, so brauchen Sie nur von Berling oder der Danner oder von Blixen-Fineke zu sprechen und nur anzudeuten, was in Skodsborg oder in der Villa der guten Frau Rasmussen an Schäfer- und Satyr­spielen gespielt worden ist, so fällt jedes politische Gespräch sofort zu Boden (. . .)" (76).

Sapienti sat. Deutlicher konnte man zu Fontanes Zeiten über derartiges kaum werden. Die einstige Putzmacherin Rasmussen hat bei Hof für delikate Dinge ein Monopol inne, und wenn das, was man immer ihren Liebeszauber nennt, in Wirklichkeit dieses Monopol sein sollte, dann wird begreiflich, warum er als stabil gilt und weshalb sich die Prinzessin über die Vorstellung eines Pausierens und Intermittierens so amüsiert hat. Die Putzmacherei war insofern

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