ist (. . .) unter Umständen die wahre diplomatische Klugheit; es ist dann das einzelne nicht mehr recht festzustellen oder noch besser, das eine hebt das andere wieder auf" (77).
Der Seemannsroman der Mutter Hansen (vgl. 81 ff.) ist bloß noch eine leichte Dechiffrieraufgabe. Vom Vater aus dem Hause gejagt, verbringt Brigitte die Jugendjahre im Dienst bei der Danner — „immer war sie mit ihm an Bord" —. Kurze Zwischenaufenthalte im bürgerlichen Stadtmilieu — „immer wenn sie nach einer langen, langen Reise wieder hier war" — werden ihr zur Qual — „wollte sie gleich wieder fort" —, weil sie als Alleinwohnende ohne Mann jedem Argwohn ausgesetzt ist — „weil sie jedesmal meinte: die Menschen hier gefielen ihr nicht" —, so daß sie sich zur Danner zurücksehnt — „und draußen in der Welt sei’s am schönsten" —. Man molestiert sie mit Anträgen — (auf Holks Frage, ob die Kopenhagener sie denn nicht umworben hätten:) „Das haben sie freilich" —, denen sie sich durch Ignorieren — „Aber Brigitte war immer gleichgültig dagegen" — oder Gegenwehr — „Nur mitunter war sie so rabit" (Witwe Hansens rätselhaftester Satz, so oder gar nicht zu deuten) — entwindet. Im Sommer 1854 lernt sie im Kurtisanendienst einen Leutnant kennen
— „einen blutjungen Offizier von der Leibgarde, der bei der Rasmussen — ich meine die Gräfin Danner, aber wir nennen sie noch immer so — aus- und einging" (Man höre den Tonfall! So redet es sich nur über eine gute alte Bekannte. Auch daß sie keinen erdichteten, sondern ohne Not den wirklichen Ort der Bekanntschaft angibt, mutet an wie ein lapsus linguae) — in den sie sich verliebt — „da gestand sie mir, ,der gefiele ihr'" — und mit dem sie ein Verhältnis eingeht — „Und sie zeigte es auch gleich" —. Im Herbst will sie den Dienst aufkündigen — „Und als Hansen in demselben Herbste wieder nach China mußte, da sagte sie ihm grad heraus: ,sie wolle nicht mit'" — und eröffnet der Danner, sie werde heiraten — „und sagte ihm auch, warum sie nicht wolle" — , was diese aber wohl schon aus anderer Quelle r ' erfahren hat
— „Oder vielleicht haben es ihm auch andere gesagt" —. Aus der Ehe wird aber nichts, und sie kehrt in den Dienst zurück — „als der Tag kam, wo das Schiff fort sollte, da wurde Hansen doch ganz ernsthaft und verstand keinen Spaß mehr und sagte: .Brigitte, du mußt nun mit'" —, in dem sie mindestens noch 1857 steht, denn da war der Vater tot, das Elternhaus stand wieder offen, aber Holk hat sie trotzdem nicht kennengelernt. Erst später, auf die dreißig zugehend, verläßt sie den Dienst abermals —„da war Hansen nicht bloß einverstanden damit, sondern auch ganz entzückt darüber, daß sie die Reise nicht mehr mitmachen wollte" —, nunmehr für immer — „diese nicht und alle folgenden nicht" —.
Die Mutter nimmt ihr enttäuschtes Kind wieder ins Haus auf und hüllt es zärtlich ein in den schützenden Mythos vom weltbereisenden Schwiegersohn, damit es vor den erbarmungslosen Normen der christlich-bürgerlichen Schein- moral bestehen und im bürgerlichen Alltag wieder Fuß fassen kann — „Denn das darf ich wohl sagen, ich ängstigte mich; eine Mutter ängstigt sich immer um ihr Kind und macht keinen Unterschied, ob verheiratet oder nicht" —. Wie rührend ihre Fürsorge noch das Entlegenste bedenkt, beweist jene Tasse mit dem Aufdruck Dem glücklichen Brautpaare, die Holk in der Etagère seines Zimmers findet (vgl. 81). Daß der Schwiegersohn nicht nur den Namen, sondern auch den Beruf mit dem Schwiegervater gemein hat, gibt der Sache zwar etwas
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