Heft 
(1988) 45
Seite
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Heikles. Es muß aber sein. Nur so kann sie auf ihre Erfahrungen aus der Ehe mit einem real existierenden Schiffskapitän zurückgreifen und die schwie­rige Fiktion so glaubwürdig wie einer Laienepikerin möglich supplementieren. Daß es mit der realistischen Erzählkunst doch nicht so einfach ist, wie sie sich das vorgestellt hatte, bekommt sie bei ihrer Siamgeschichte zu spüren. Sie läßt sich zum Fabulieren über eine Perlenkette hinreißen, die dann peinlicher­weise nicht vorgezeigt werden kann. Wie sie es anstellt, aus dieser Klemme wieder herauszukommen, kann als Musterbeispiel für mißglückte Erzählprosa in die Lehrbücher aufgenommen werden. Sogar Holk, dessen Hellhörigkeit nur für das Gröbere reicht, schöpft endlich Verdacht. Vielleicht haben wir jenes Debakel aufzufassen als die prompte Bestrafung des unweisen Versuchs, über den so gewitzt vorabgesteckten Faktenfundus doch mal ein bißchen hin­auszugreifen. Holk, selber kein Glücksburger, kennt trotzdemvon Glücksburg her" den alten Hansen. So wird dieser wohl kein sporadisch heimkehrender Überseefahrer gewesen sein, sondern ein ihm dienstlich bekannter Fährschiffer wie Iversen oder jener Brödstedt, den Astas Phantasie zur Hauptfigur eines leibhaftige(n) Märchen(s)" (63) erhöht. Äußerungen wie:Und das chinesische Geschirr zu dem Tee! Man merkt an allem, daß Ihr Seliger ein Chinafahrer war, (. ..)" (79) oder:Übrigens ein kapitaler Tee; man merkt auch daran den Chinafahrer, (.. .)" (81) machen klar, daß Holk über das Vorleben des alten Hansen wieder einmal bloß spekuliert und nichts Gesichertes weiß; wie er es ja auch verschmäht, danach zu fragen, ob der junge tatsächlich zwischen Singapor und Shanghai pendelt:So nehm' ich wenigstens an, denn da fahren sie so ziemlich alle" (80). Nichts macht glaubhaft, daß Hansen, gar mit seiner Frau (vgl. 83), je in Siam, war, und das fernöstliche Porzellan, das Teegeschirr, das japanische Tablett, die Vasen, die türkischen Teppiche (vgl. 69, 79, 108, 118) darf man wohl ähnlich interpretieren wie jene Brautpaartasse: als Requisiten einer für Uneingeweihte veranstalteten Maskerade, mit den Ein­künften einer femme entretenue in Kopenhagener Läden zusammengekauft. Es stehen dadurch (sc. durch Brigittes Zuzug; W. S.) wohl größere Mittel zur Verfügung", schreibt Holk seiner Frau, die Sache richtig, die Ursache falsch deutend (112). Der Zauberhauch von Abenteuer und Geheimnis weht davon, und von der Weltkennerschaft der Hansens bleibt nicht einmal ein Rest zurück. Wir stehen plötzlich vor einem Genrebild des damaligen Kleinbürgertums in seiner ganzen trostlosen Nüchternheit und Enge.

Daß noch manches sich unter der Hypothese vom nichtexistenten Schwieger­sohn anders liest als bisher, möge eine abschließende Kostprobe illustrieren. Pentz, der, wie man sieht, in schier alles Eingeweihte 7 , hat beim ersten Auftritt im Hause der Witwe Hansen mit dieser folgenden small talk:

(. ..) Wobei mir einfällt, sind denn Nachrichten von Kapitän Hansen da, diesem glücklichsten und beneidenswertesten und zugleich leicht­sinnigsten aller Ehemänner? Wenn ich solche Frau hätte, hätt' ich mich für ein Metier entschieden, das mich jeden Tag runde vierund­zwanzig Stunden ans Haus fesselte; Schiffskapitän wäre jedenfalls das letzte gewesen."

Witwe Hansen war sichtlich erheitert, rückte sich aber doch einiger­maßen ernsthaft zurecht und sagte mit einer gewissen Matronenwürde:

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