Heft 
(1889) 34
Seite
565
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Deutschland.

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Beweggründe vollständig darzulegen, in fast völlig ausreichen­der Weise dafür, daß hier nur die ganz ernsten und schweren Fälle schließlich zun: Zweikampf führen können. Daß freilich auch diese sehr anerkennenswerte Seite und Thätigkeit der Ehrengerichte nicht ohne ernste Bedenken ist, hat der nenliche beklagenswerte Fall in Mainz gezeigt, wo ein Premier-Lieute­nant, der sich von einem Hcmptmann benachteiligt glaubte, diesen meuchelmörderisch überfiel und niederschoß weil und nachdem das Ehrengericht seine früher erfolgte Forderung des Hanptmanns als unbegründet verworfen hatte. Allein gerade die Seltenheit dieses Falles unter so vielen tausenden durch den Spruch der Ehrengerichte verhinderten Zweikämpfen zeigt deutlich und überzeugend, daß es doch möglich ist, diese Hand­lungen des verletzten Ehrgefühls durch Erwägungen des ruhigen Verstandes bei anderen zu unterdrücken.

Wenn wir nun weiter das Ehrgefühl bei den Veranstal­tungen des Duells als mitwirkend und thütig annehmen, so ist es in gewissem Sinne weniger das der beiden Hanptbeteiligten, als das der dabei irgendwie mit thatenden oder ratenden Dritten. Es ist ein alter und doch immer wieder (so auch

z. B. wieder von Zola im l^ot-llonills) wirksam angewandter Roman- und Lustspiel-Scherz, zu zeigen, wie der Held des Duells erst durch die musterhafte Strenge der Anschauungen über alles, was Ehre heißt und damit znsnnnnenhängt, bei seinen Ratgebern dazu gebracht wird, die verhängnisvolle Forderung zu stellen oder anznnehmen. Dieses Bild entspricht durchaus der Wirklichkeit. Es würde kein einziges der oben gekennzeichneten Duelle ausgesuchten werden, wenn jeder, der dazu rät, auch mit ans sich schießen lassen müßte.

Aber wir dürfen uns, wenn wir wirklich ernsthaft die Abschaffung des Duells anstreben wollen, nicht damit begnügen, uns diese leichten Fälle anzusehen; denn diese stehen und fallen, wie heutzutage die Sache liegt, nur mit den schweren, und wir müssen daher die Citadelle des Feindes selbst un­mittelbar angreifen. Gestatten Sie, daß ich mich hierzu bei der Schwierigkeit des Angriffs eines verdeckten Ganges (soge­nannten Sappe) bediene. Als neulich die leider unbestätigt ge­bliebene Nachricht verbreitet wurde, es seien auf Anordnung des Kaisers erschwerte Grundsätze über das Duell im Heere zur Anwendung empfohlen, da befand sich darunter auch der, daß das Duell bei Familienvätern überhaupt nicht gestattet sein solle. Bon beteiligter Seite wurde unmittelbar darauf be­merkt, es sei nicht abzusehen, weshalb ein verheirateter Mann eine andere Ehre haben solle, als ein unverheirateter. Das ist nicht nur einfach, sondern mindestens doppelt richtig; denn er hat außer seiner eigenen auch noch die Ehre seiner Frau, viel­leicht noch von Töchtern zu verteidigen. Allerdings ist hierbei von vornherein bemerken, daß die Ehre einer Frau oder eines Mädchens, die als ihren festesten Anker nur den Degen oder die gezogene Pistole ihres Gatten oder Vaters haben soll, überhaupt nicht als sehr seetüchtig angesehen werden dürfte. Ist es aber wirklich keine schon an sich reparaturbedürftige, sondern eine wirk­liche echte und volle Ehre, welche ohne Schuld ihrerseits durch List, Betrug oder Lüge angegriffen oder, was hier dasselbe ist, geschmälert wird, dann kann doch nicht mehr von einen: wirklichen Duell die Rede sein, das ja auf beiden Seiten Ehren­haftigkeit voraussetzt. Ein solcher Beleidiger hat sich durch sein Verhalten selbst als ein Lump gekennzeichnet, dem gegen­über, wenn man sich nicht auf den christlichen Standpunkt der Verzeihung stellen kann, was man keinem gegen seinen Willen znmuten soll, allein der alte römisch-rechtliche Grundsatz von der erlaubten unmittelbaren Selbsthilfe angemessen erscheint. Aller­dings ist eine solche Selbsthilfe mit einem geordneten Staatswesen nur so verträglich, daß sie als Ausnahme für den einen Fall der Ertappnng in ünAranti zugelassen wird, während sie im übrigen sonst nicht stattfinden darf. Aber hier muß die Sitte und auch das Recht helfend eingreifen. Wenn wir Gesetze wie in England und Amerika Hütten, welche den ein weibliches Wesen irgend­wie benachteiligenden Umgang mit demselben unter schluere Vermögensbußen stellen würden, dann würden wir nicht so

laut und nicht so unbekümmert die halb wahren, halb erfun­denen Liebesabenteuer junger Mars- und anderer Söhne hören und weiter erzählen hören, als dies heute der Fall ist. Und wenn die Sitte der wirklich guten Gesellschaft nicht die That selbst (das wollen wir ihr nicht znmuten, das kann sie nicht selbst Fürstensöhnen und Fürstinnen gegenüber), aber jedes Bekanntwerdenlassen derselben nnnachsichtlich mit einer streng dnrchgeführten Ächtung des betreffenden Jünglings und trüge dieser einen noch so glänzenden Namen und eine noch so schöne Uniform oder noch so viele Orden ahnden würde, dann würde sich auch für die Verletzten die Möglichkeit finden, das natür­liche Rachegefühl wenigstens soweit zu unterdrücken, um nicht zu den: rohen und immer noch unzweckmäßigen Mittel des Duells zu greifen.

Will nun: also den Verfechtern des Duells diesen letzten und wirksamsten Verteidignngspnnkt entziehen, dann schasse man um Gottes willen nicht in: Strafrecht, wie derMän­nerbund zur Bekämpfung der Unsittlichkeit" will, sondern in: Civilrecht, welches ja glücklicherweise als Privatrecht auch für und gegen das Militär gilt, eine Möglichkeit, Verletzer weiblicher Ehre in That oder Wort mit empfindlichen Ver­mögensnachteilen zu Gunsten der Geschädigten heimznsuchen. Man wende hier nicht die Gefühle ein, aus denen der in der Atmosphäre höherer Bildung erzogene Bruder des leichtsinnigen Mädchens in SudermannsEhre" das Angebot der Geldab- findnng durch den alten Kommerzienrat als die tödlichste Schmach empfindet. Es ist etwas ganz anderes, ob eine Summe von fünfzigtausend Mark als eine freiwillige Abfindung gegeben und angenommen wird, oder ob sie erstritten und als Recht zuerkannt verlangt werden kann. Wir haben bekanntlich ein ähnliches Gesetz, aber nur für die äußersten Folgen und mit einer nur auf das Notwendigste zur finanziellen Entschädi­gung hierfür beschränkten Wirkung, das demzufolge natürlich meist nur für die niederen Klassen des Volkes in Wirksamkeit tritt. Aber hier wird diese Zuerkennung einer Geldentschüdi- gung, so verhältnismäßig unbedeutend uns diese in Bezug ans das Verlorene und die wirklichen Aufwendungen erscheinen mag, in den beteiligten Kreisen geradezu als eine wenigstens teil­weiseWiederherstellung der Ehre" empfunden. Es kommen in der Praxis der Gerichte zahlreiche solche Falle vor, in denen von vornherein die Möglichkeit, von dem Schädiger etwas zu erlangen, durch seine volle Vermögenslosigkeit absolut ausge­schlossen ist, und doch seine Verurteilung zu den sogenannten Alimentations-Leistungen dringend angestrebt wird, weil die Klägerin und noch mehr ihre Familie darin für sie eine moralische Genugthuung erblickt. Und kann man dieses Gefühl ein ungesundes nennen? Man sollte es doch wenigstens für natürlicher und verständiger erklären müssen, als wenn der Vater oder Bruder der Betreffenden noch verpflichtet sein sollte, sich obendrein von dem Beleidiger totschießen zu lassen. Und warum sollen wir dies nicht mit entsprechenden Abänderungen und Ausdehnungen ebensogut auf die Verhältnisse und Gewohn­heiten der höheren Klassen ausdehnen, wie in England und Amerika. Man darf sicher annehmen: die Möglichkeit, daß das Duell in England vor einigen Jahrzehnten abgeschafft werden konnte, hing mit jener gesetzlichen Möglichkeit eng zusammen.

Damit würde ein großer Teil der erwähntenschweren" Fülle, welche heutzutage noch für eine grundsätzliche Notwen­digkeit des Duells angeführt werden können, für diese Beweis­führung wegfallen. Es bliebe eine zweite Klasse dieserschweren" Fülle, in denen es sich um die unmittelbare Störung des ehe­lichen Besitzes, um Eingriffe in die Rechte des Ehestandes

handelt. Man sagt, das Gebot der Ehre fordere hier von

den: benachteiligten Gatten, daß er den Störer seines Ehe­friedens fordern könne und müsse. Geht man hier der Sache aber näher auf den Grund, so wird man zngeben müssen, daß

dies doch nur dann und unter der Bedingung einen Sinn

haben kann, wenn der benachteiligte Ehegatte trotz dieses Ein­griffs in seine Rechte die Ehe fortsetzen will. Denn wenn er, wozu ihm ja das bürgerliche Gesetz heute wohl in allen Staa-