Heft 
(1889) 34
Seite
567
Einzelbild herunterladen

^ 34.

Stelle, und nur so weit die Rede sein, als es bei dem für die vorliegende Darstellung in Betracht Kommenden von Belang ist.

Im allgemeinen gilt das Gesagte von den oberirdischen Teilen des Pslanzenkörpers überhaupt; Wurzeln dagegen zeigen meist die entgegengesetzte Reizbarkeit. Sie krümmen sich vom Lichte weg. Doch kommt letzteres auch bei oberirdischen Luft­wurzeln vor; auch bei manchen Ranken; ja sogar Laubsprossen, wie denen des Epheus, so lange er klettert. Die blüten­tragenden Sprosse alter, vieljühriger Epheustöcke wenden sich wieder dem Lichte zu. In Berlin hat man, wie sonst selten in großen Städten, an hohen Mauern und alten Bäumen die mannigfachste Gelegenheit, beides nebeneinander zu sehen; wo sie von Ephen berankt sind, unterscheidet man leicht die be­kannten, spitz-dreilappigen Blätter der klimmenden Zweige von den lang-rautenförmigen der abstehenden Blüttersprosse. Die einen schmiegen sich mit ihren Kletterwurzeln, die sie büschel­weise entwickeln, der Unterlage dicht an und fliehen das Licht; die anderen verhalten sich umgekehrt. Die Ursachen dieses Unter­schiedes können nur in inneren, lebensbaulichen Verhältnissen liegen, von denen wir uns bis jetzt noch keine Vorstellung zu machen vermögen.

Man hat die beiden Arten der Reizwirkung des Lichtes, wie sie an dem eben erwähnten Beispiel in die Erscheinung treten, als positiven und negativen Heliotropismus, also Svn- nenwendigkeit und Sonnenflüchtigkeit, die gesamten hier­her gehörigen Erscheinungen aber alsHeliotropismus" über­haupt, Sonnenwendigkeit im allgemeinen bezeichnet. Alan spricht demnach von lichtwendigen, und lichtscheuen oder lichtflüchtigcn Pflanzen oder Pflanzenteilen, und hat damit eine kurze Bezeichnung für die uns im Grunde ihres Wesens noch tief verschleierten Vorgänge geschaffen, die doch nicht wert­los ist. Nur Schritt für Schritt läßt sich die Natur ihre Geheimnisse abringen; aber selbst Namen können solche Schritte darstellen, wenn sic passend gewählt sind und wenigstens das Äußerliche der Erkenntnis treffend wiedergeben. Sie vermitteln dann eben ein schnelleres Fortschreiten, weil sie ein schnelleres Denken begünstigen.

Im einzelnen sind die erwähnten Ausdrücke so zu ver­stehen, daß die Einzelgebilde des Pslanzenkörpers sich, jedes nach seiner Art, überhaupt gesetzmäßig zum Lichte stellen. Die Blätter thun es meist quer zur Richtung des einfnllen- den Strahles; sie sind nach Darwins Ausdruckdiaheliotro- pisch," querlichtwendig. Genau genommen heißt dies indes nichts anderes, als daß ihre Oberseite sonnenwendig, ihre Unterseite sonnenflüchtig ist; somit ist die Qnerlichtstellung der Blätter nicht eine besondere Art, sondern nur ein beson­derer Fall der Lichtwendigkeit überhaupt.

Die Bewegungen, die nötig sind, um die noch nicht aus­gewachsenen und somit allein noch wachstumsfühigen Blätter in die erforderliche Lage zu bringen, geschehen meist, wo ein solcher vorhanden ist, durch Krümmungen oder Drehungen des Blattstiels; sonst auch durch solche des Blattgrundes oder des ganzen Blattes. Das Ergebnis ist dann, daß die fer­tigen Blätter dauernd eine Lage einnehmen, welche im Durch­schnitt für die ihnen erwünschte Beleuchtung am günstigsten ist. Im Freien führt dies meist dazu, daß das Laub seine Ober­fläche mehr oder weniger wagerecht und nachallen Richtungen der Windrose ausbreitet. Es giebt jedoch auch senkrecht ge­stellte Blätter, wie die der australischen Gummibäume (Euka- lhptusarten), die die bekannten schattenlosen Wälder Neuhol­lands möglich machen. Bei ihnen strebt der Rand zum Lichte und verhindert so eine zu starke Bestrahlung und Verdunstung der Flächen, welche in jenen schon ziemlich trockenen Gegenden verhängnisvoll werden müßte. Auch hier stehen aber im ganzen die Blätter strahlig nach allen Richtungen vom Stamme ab.

II.

In letzter Zeit hat nun eine nordamerikanische Steppen­pflanze durch ihr ganz eigentümliches, scheinbar stark abweichen­des Verhalten in'erwähnter Hinsicht die wiederholte Anfmerk-

Seite 567.

samkeit der botanischen Forschung auf sich gezogen. Sie führt den kunstsprachlichen Namen Lihünum Imüiüwmn und gehört zur bekannten Sippe der Körbchenblütler, insbesondere in die nähere Verwandtschaft der Sonnenrosenartigen. In Amerika ist sie unter dem Volksnamen der Terpentinpflanze (tnr- pxmtiuo plo-nt) oder des Gummikrantes (rosin-tveeck) be­kannt, und ihr Vorkommen erstreckt sich durch das gesamte nordamerikanische Steppengebiet zwischen den Felsengebirgen und dem Mississippi, gen Süden bis Texas.

Unter den Jägern und Ansiedlern des Westens hatte ihr indes die hier fragliche Eigentümlichkeit längst schon einen an­deren Namen eingetragen. Sie bezeichncten sie als die Kom­paßpflanze, «tlle conqmss mit ot' Uro prmrios,» wie uns Asa Gray berichtet. Auf sie beziehen sich Longfellows Verse in dem bekannten GedichtEvangeline," die er dem tröstenden Priester in den Mund legt:

Schau aus das zarte Gewächs, das sein Haupt von der

Matte empvrhebt,

Sieh seine Blätter, gen Norden gewandt, getreu, dem

Magnet gleich:

Das ist die Kompaßblume, die Gottes Finger gepflanzt hat

Hier in der Heimlosen Wildnis, dem Wandrer die Wege

zu weisen

Über die meergleiche, schadlose Dde der endlosen Steppe."

So in der Seele des Menschen der Glaube," führt der Priester fort.*

Daß jedoch der Dichter die Pflanze niemals selbst gesehen, geht aus dem Umstande hervor, daß er sie alszart" bezeich­net; denn sie ist eher das Gegenteil und wird nach Hookers Angabe nicht weniger als acht Fuß hoch; überhaupt ähnelt sie äußerlich der derben gewöhnlichen Sonnenblume. Er kannte sie nur aus persönlichen Mitteilungen des Generals Alvord, welcher sie in den vierziger Jahren unseres Jahrhunderts be­obachtet hatte.

Die fragliche Eigenheit war nun ebenso oft geglaubt wie von der strengen Wissenschaft wieder bezweifelt worden; neuer­dings hat sie jedoch durch einwandsfreie Versuche ihre end­gültige Bestätigung und Erklärung gefunden. Auch Beobach­tungen an Ort und Stelle, die in ausreichender Änzahl von den beiden Botanikern Gray und Hooker angestellt wurden, haben zu dem gleichen Ergebnis geführt.

Danach stellen sich die Blätter dieses merkwür­digen Gewächses nicht bloß senkrecht, sondern unter den noch näher zu beleuchtenden Umständen sämtlich in die Mittagsebene. Ihre Ränder schauen sämtlich nach Norden oder Süden, ihre Flüchen nach Osten oder Westen. Sie weisen in der That die vier Him­melsrichtungen.

Sucht man sich dieses überraschende Verhältnis anschau­lich vorzustellen, so kommt man zu dem Ergebnis, daß bei der gleichen Richtung aller Flächen das Laubwerk überall einen Durchblick in der Nvrdsüd-Richtung und umgekehrt gestatten wird, in der Ost- oder Westrichtung dagegen größtenteils ver­wehren muß. Die Blätter stehen zeilig ; sie sind insgesamt in gleich gerichtete Lotebenen verteilt.

In den botanischen Gärten hatte sich aber die Erschei­nung anfangs nicht bewahrheitet. Dies liegt daran, daß sie sich vollkommen ausgeprägt nur an trockenen, sonnigen Standorten, und besonders bei auf dürrem Boden erwach­senen, nicht allzu üppigen Pflanzen zeigt, wie es eben in jenen amerikanischen Steppen der Fall ist. Als sie Professor Stahl zu Jena unter Berücksichtigung dieses Umstandes in Zucht nahm, hatten die Versuche Erfolg.

* «Imolv nt tin» Ueimnts xiniit timt Iwt^ it« imn(t woin tiie

iimnUovz

bmv imnv it« lenve» nre turimä nortU, im true n« tim

nmZimt;

IMm m tim üovver, timt tim tin^er ot Ooä ium

plnntsU

Ov«?i- tim »en-like, Miller, limitier >vn«t6 ok tim Uemi't.

SämU in tim ^oui ot nmn m initi>.>

Deutschland.