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Deutschland.
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Albertus (zu Marie). Und wagst Du's mit mir?
Marie. Mensch, ich denke, ja!
Kobus (freudig). Sagt' ich Dir's nicht, Du nimmst noch diese da?! ...
(Plötzlich seine Freude dämpfend, bedenklich.)
Wie aber, wenn's Dich eines Tags von freien Stücken znrückverlangt nach Teufeleien,
Nach Hexensabbath und Allotria?
Albertus. Nie kommt mir wieder solch Gelüsten nah!
Von all dem Unsinn bin ich weit zurück.
Ich lernte viel und weiß nun ganz genau:
Das beste Los ist eine brave Frau,
Ein stilles Heim und ein bcscheid'nes Glück!
(Zu Marie.) Komm mit, Du meines Lebens holder Stern! Laß uns zur Mutter gehn!
Marie (ihm die Hand reichend). Bon Herzen gern!
Albertus (wahrend er mit Marien Hand in Hand der Thür zuschreitet, zu Kobus). Leb' wohl!
Kobus (ihnen nachrnfend). All Heil zu Eurem Kirchengang!
Albertus (im Gehen innehaltend, zu Kobus zurückgewendet und mit den Augen nach dem Rauchfang winkend)
Kobus! . . . Herunter mit dem Hexenfang!
(Der Vorhang fällt.)
Sinngedichte
von
Ludwig Fuldu.
„Du solltest laufen und nicht schlendern."
Ach liebster Lreund, ich thw das Meine- „Du bist noch jung: du kannst Dich andern." Dann ändre Du mir erst die Beine-
(tÜLinera obsonra.)
vom Photographen magst Du lernen:
Im Hellen, grellen Sonnenlicht
Laßt man das Bild, doch prüft man's nicht.
vom Tage mußt Du Dich entfernen,
In eine dunkle Kammer gehn Und einsam in Dich selber sehn:
Da wirst Du Klarheit bald erlangen.
Ob Du ein Weltbild eingefangen.
Mir sind auf nichts so arg versessen Als auf ein Rezept zum Selbstvergessen. Jed Mittel ist recht zu diesem Ziel:
Liebe, Krieg oder Kartenspiel.
-K *
Hebt einer aus langen Dämmerungen Gereift ans klare Licht sich,
Dann rufen ihm nach die Gassenjungen: Hurra! — er widerspricht sich!
4 -
Mer kräftig nie den Luß gehoben.
Dem scheint es Trug und Hochverrat,
Menn Ihr die Stelle seht von oben,
Die gestern Ihr von unten saht.
-b ^
(„Neue Richtung.")
Läßt sich ein schwarzer garstiger Llecken Meder vertilgen noch verstecken,
Dann macht man eben Noch einen daneben
Und schwört, man hätte den ersten gemacht Mit tiefem, symmetrischem vorbedacht.
Tin junger und neuer Himmelsstern Hat zwar seinen eigenen starken Kern; Doch ohne daß er's wehren kann,
Hängt sich ihm unauflöslich an Trüb dunstig und zur Lorm nicht reif Tin endlos langer Uebelstreif:
So schleppt auf Erden Schritt für Schritt Lin neuer Großer die Kleinen mit-
(Streber-Brevier.)
Mer aufwärts will, muß Einsicht haben, Mit Umsicht brauchen seine Gaben,
Sich keiner Ansicht widersetzen.
Die That nach ihrer Aussicht schätzen.
Zu steter Nachsicht sich bequemen Und täglich so viel Rücksicht nehmen,
Daß er aus Vorsicht ganz und gar Vergißt, was seine Absicht war.
„Faust," ein Miistkdram« von Heinrich Zöllner.
Von
Ernst Otto Nodnagel.
on zweien der größten unserer deutschen Tonmeister weiß man, daß sie die Absicht gehabt, Goethes „Faust" GTT" einem musikalischen Drama zu Grunde zu legen. Im Oktober 1808 macht das Cottasche Morgenblatt die Mitteilung (in den „fliegenden Blättern aus dem Portefeuille eines Reifenden im Juni und Juli 1808"), daß der „geniale" Beethoven eine Oper nach Goethes „Faust" zu schreiben gedenke und nach einem geeigneten Textdichter suche. Er hat ihn nicht gefunden. Ebenso ist es jetzt bezüglich Richard Wagners nachgewiesen, daß er ein Musikdrama „Faust" geplant hat. Auch dies ist uns vorenthalten geblieben bis auf die düster leidenschaftliche „Ouvertüre zu Faust."
Obwohl beide Meister nicht zur Ausführung ihres Vorhabens gekommen, haben wir doch eine ganz stattliche Zahl von Opern, deren Text an Goethes Meisterwerk antnüpft; die bekannteste ist Gounods „Margarete," die bedeutendste „Me- fistofele" von Boito. Dieser ist Italiener, Gounod Franzose? Bei beiden liegt eigentlich nicht der Inhalt der Goetheschen Dichtung zu Grunde, sondern nur ein Teil desselben, der in dem Buch von Barbier und Carrö auf eigene Füße gestellt ist und mit dem Original nur noch die Namen der handelnden Menschen und eine Anzahl von einfach entlehnten Versen gemeinsam hat, während Boitos Dichtung die Bekanntschaft mit dem Original voranssetzt und nur eine Reihe von Seenen desselben ohne engeren Zusammenhang herausgreift.
Als nun, vor drei Jahren etwa, das erste verlautbarte von einem deutschen Musikdrama, das die Handlung des „Faust" in ausschließlich Goetheschen Worten enthalten solle, erwartete ich nur ein „Musikdrama," dessen Held Faust sei. Ich muß sagen, ich war enttäuscht, in beiden Punkten. Genau zugesehen, was hat Zöllner denn anderes gethan als Boito und die berüchtigte französische Operettentextfabrikationsfirma?
Wenn man freilich unter „Oper" nur ein rein musikalisches Kunstwerk versteht, ein solches also, bei dem die Handlung gleichsam die Schnur bildet zum Aufreihen der musikalischen Perlen, dann wird man Zöllners „Faust" wohl nicht als solche bezeichnen dürfen. Aber der Begriff „Oper" ist doch ein etwas weiterer geworden. Hat nicht selbst Wagner seine „Meistersinger" noch Oper genannt! Und wenn bei Boitos „Mefistofele" diese Bezeichnung zutreffend ist, dann ist auch „Faust" nichts weiter.
* Von den Komponisten der übrigen Faustopern sind drei Franzosen, einer Italiener und einer Brite. Der Deutsche Spohr kommt deshalb nicht in Betracht, weil der Text seines „Faust" mit dem Goethes in keinem Zusammenhang steht.