Heft 
(1889) 34
Seite
572
Einzelbild herunterladen

Seite 572.

Deutschland.

34.

nn musikalischen Schönheiten außerordentlich reich ist. Beson­ders sind die Osterchöre zn nennen, ferner das Thema, durch das Fausts Jugenderiuuerung bezeichnet wird, und das trium­phierendeO tönet fort, ihr süßen Himmelslieder," unmittelbar vor Schluß des Aktes.

Den zweiten Aufzug eröffnet Zöllner äußerst wirkungsvoll durch den Soldatenchor, der ihm Gelegenheit bietet zu prächtig strahlender Massenentfaltung. Ein sehr drolliger Gedanke ist die Einführung des zweiten Bürgers mit seinem stereotypen verständnisinnigenJa, ja!" auf des Freundes Klagen über den leidigenneuen Bürgermeister."

Bei der StelleVom Eise befreit sind Strom und Büche" versinnlicht die Flöte reizend der linden Lenzesluft leises Säu­seln, während die Harmonieen der Hörner und Holzbläser einen warmen, frühlingssonnigen Glanz verbreiten. Der Famulus Wagner ist vielleicht durch das Meckern der Klarinetten und Fagotte etwas zu sehr karikiert. Hervorgehoben zu werden verdient die drastische Tonmalerei, durch die das Kegelschieben angedeutet wird.

Daß Zöllner keineswegs außer staude ist, ein Thema geistvoll durchzuführeu, zeigt er am Schluß des Bauerutanzes, zugleich einem Meisterstückchen pikanter Instrumentation.

Den musikalischen Höhepunkt des zweiten Aufzuges bildet Fausts Traum," der sich durch instrumentalisches und har­monisches Raffinement auszeichnet. Besonders die Verwendung der Harfe ist hier eine äußerst glückliche.

Von tief erschütternder Wirkung ist das dumpf verzwei­felnde Motiv, das bei Fausts Worten,dann mag die Toten­glocke schallen," zuerst auftritt.

In der zweiten Scene des dritten Aufzuges findet sich eine sehr schöne und stimmungsvolle Komposition der Ballade vomKönig in Thule." Daß am Schlüsse dieser Scene alle drei Personen, Martha, Gretchen und Mephisto, gleichzeitig singen oder richtiger gesagt: reden, ist ein feiner realistischer Zug, dessen Absicht nur leider durch die Textwiederholung in Frage gestellt wird.

Die schönsten Momente, vielleicht des ganzen Werkes, finden sich in der Gartenscene. Die wunderbar süßen Harmo­nieen der Hörner (Laß diesen Blick, laß diesen Händedruck Dir sagen"), der weihevoll innige Zwiegesang zwischen Faust und Gretchen, und gar erst das entzückend naiveDu lieber Gott, was so ein Mann nicht alles, alles denken kann," mit dem weichen Gesang einer Sologeige, das sind Stellen, deren Schönheit selbst der eingefleischtesteAntizukuuftler" wird zu­geben müssen.

Wunderbare Töne hat Zöllner für die bange Verzweif­lung Gretchens vor der runter ckoloro8a gefunden. Ein recht eigentlich satanischer Hohn liegt in der Instrumentation des kurzen Nachspiels, das dein Stündchen Mephistos folgt. Der Komponist erreicht diese Wirkung durch die originelle Zusam­menstellung von Harfe und Flöte.

Ganz von Wagnerschem Geiste durchtrünkt ist die Ein­leitung der Kerkerscene mit der langsam kriechenden Melodie in Kontrabaß und Violoncello und den feuchtkalten grabes­schaurigen Harmonieen der Bläser. In dein schlichten Liede vom Waldvögelein, das von der Singstimme allein ausgeführt wird, ist die Nachahmung des Vogelgezwitschers ganz kostbar. Ähnlich wie bei Gounod findet sich auch bei Zöllner eine mu­sikalische Reminiszenz an die Gartenscene, nur mit dem Unter­schied, daß sie bei Zöllner trotz all ihrer Einfachheit oder viel­leicht eben darum, viel tiefer packt.

Von eigenartiger Schönheit ist die Wirkung der Drei­klangfolgen im Achtvierteltakt, durch die Gretchens Grüberbe- schreibung begleitet wird.

Ein genialer Jnstrumentaleffekt findet sich noch unmittel­bar vor Schluß des Werkes. In einem feierlichen trauer­marschartigen Satz wird von der Harfe im Verein mit dem Pizzikato der Streicher Totenglockenklang angedeutet, während die Flöten wie das Armsünderglöckchen dazwischen gellen. Eine mächtige harmonische Steigerung führt dann bei Gretchens Auf­

schreiGericht Gottes!" zu dem Hauptthema des Prologs demEngelthema" zurück, das dem Musikdrama einen weihe­voll erhabenen Schluß giebt.

Das ist so ziemlich der Gesamteindruck, den dieses eben­so schöne wie interessante Werk hinterläßt. Es ist befremdend, daß dasselbe so selten zur Aufführung gelangt, um so befrem­dender, als es bei seinen Erstaufführungen in München und Köln eines fast ungeteilten Beifalls bei Publikum und Presse sich zu erfreuen hatte. Zöllner hat seinenFaust" dem Ge­dächtnis seines Vaters geweiht, der ebenfalls sich mit dem Ge­danken zu einem derartigen Musikdrama getragen hatte. Wie ich gehört habe, sollen auch noch einige kleine Bruchstücke der Komposition, wie die Osterchöre, von jenem herrühren. Diese wären in der That des beliebten Chorkomponisten völlig wür­dig, wie sie sich in durchaus ebenbürtiger Umgebung befinden.

Gebcimnissc öer Dpiritillln.

Von

Hildegard Uilson.

VI.

Eine spiritistische Zeitschrift. Die Geister­photographie.

wir im September nach Berlin kamen, versprachen wir uns nicht gerade goldene Berge, hofften aber, auf Grund unserer spiritistischen Erfahrungen, in der Riesenstadt unser bescheidenes irdisches Futter zu finden. Ich träumte von guten reichern Beschützern, welche mich für einige Geistererscheinnngen von der Sorge befreien würden, über die Notdurft des Lebens zu sinueu, uud wenu ich gauz übermütig träumte, so stellte ich mir meine Beschützer jung vor, oder wenigstens liebenswürdig. Auch mein Eduard hatte seine fixe Idee. Ju verschwiegenen Stunden sprach er davon, daß der Spiritismus am Ende doch irgend eine Wahr­heit enthalten könnte, und daß es dann eine schöne Aufgabe wäre, eine Wechselstube, oder wie das Ding heißt, nur für Lotterielose zu begründen, sich von den Freunden aus dem Jen seits die Nummern der Haupttreffer voraus verraten zu lassen, diese Nummern selbst zu spielen und so allmählich alle Höhen der Menschheit zu erklimmen. So hatte jedes von uns seine Ideale, und in unserer elenden Lage fehlte es darum nicht an fröhlichen Aussichten.

Das spiritistische Fnchblatt, dessen Redaktion mein Eduard übernehmen sollte und auch wirklich vom l. Oktober ab über­nahm, erwies sich freilich als ein sehr mangelhaft fundiertes Unternehmen. Und der Redakteur hatte für alle seine Mühe nur die Ehre zum Lohn. Diese Ehre aber war wiederum recht zweifelhafter Art.

Das Blatt hieß oder heißt vielleicht noch:Rundschau über beide Welten." Es erschien ungefähr zwölfmal im Jahr, fast jedesmal einen Bogen stark und wurde in hundert Exem­plaren gedruckt. Wir hatten, als mein Eduard die Leitung übernahm, siebzehn Abonnenten. Die einfachste Rechnung er- giebt, daß dieses Blatt nur mit Schaden arbeiten konnte; und da unser Drucker und Herausgeber nicht der Mann war, uni seiner spiritistischen Überzeugung Opfer zu bringen, wenu er sie überhaupt besaß, so standen wir einige Zeit vor einem Rätsel. Erst als das waltende Schicksal und die bittere Not mein Da­sein dem unseres Druckers näherte, erfuhr ich etwas von dem geheimen Budget derRundschau über beide Welten." Wir standen im fünften Jahrgang. Der Begründer des kleinen Spiritistenblattes hatte seine Schöpfung zwei Jahre lang allein geschrieben und bezahlt und war dann in einem Jrrenhause verschwunden. Ein reicher Bäckermeister, überzeugter Spiritist, und einer von den sechzig damaligen Abonnenten, zahlte von da ab die Drucktasten, um seine Lieblingszeitschrift nicht ein-