Heft 
(1988) 45
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des stocklangweiligen Erichsen zurücklegen muß, glaubt sie auch Holk mit einer dahin zielenden Stichelei empfindlich treffen zu können:

Ach, daß ich Sie noch sehe" wandte sie sich an den Grafen, als dieser unter verbindlichem, aber lächelndem Gruß an ihr und Erichsen vorüber wollte.Ja, diese Schleppegrells .. . Und nun gar er! In seiner Jugend, wie mir die Prinzessin versicherte, war es sein Apostelkopf, womit er siegte, jetzt, in seinem Alter, ist es Herluf Trolle. Daß sich ein Fort­schritt darin ausspräche, kann ich nicht zugeben" (155).

Aber sie überschätzt ihn erheblich. Sein Erkenntnisstand läßt es nicht zu, daß er wenigstens erfaßt, was an dieser Kränkung des Kränkende sein will. Wie Herluf Trolle in diesen Zusammenhang hineinkommt, ist freilich nicht recht plausibel. Wenn nicht mehr gemeint wäre als die in Holk wachgerufene Begeisterung, hätte sie Otto Rud nennen müssen, den Holk noch über Herluf Trolle stellt. Aber vielleicht läßt sich hier eine Merkwürdigkeit mit einer zweiten aufklären. Am Morgen danach schickt Schleppegrell dem Grafen seine Herluf-Trolle-Ballade. Dieser liest sie und urteilt dann so:

(...) Hm, gefällt mir, gefällt mir gut. Es hat eigentlich keinen rechten Inhalt und ist bloß eine Situation und kein Gedicht, aber das tut nichts. Es hat den Ton, und wie das Kolorit das Bild macht, so wenigstens hat mir Schwager Arne mehr als einmal versichert, so macht der Ton das Gedicht. Und Alfred wird wohl recht haben, wie gewöhnlich" (160). Der eingeübte Leser hat ein Ohr für solche Töne: immer wenn Holk so redet, ist ihm wieder einmal etwas entgangen, ist sein Blick wieder einmal an der Außenfassade einer Sache hängengeblieben. Sonderbarerweise hat Fontane dieses Holksche Urteil einmal ganz im Ernst seinem Verlagsredakteur ans Herz gelegt. Am 9. Juni 1889 reichte er bei Rodenberg vier Gedichte, darunter als letztes .Admiral Herluf Trolles Begräbnis', ein und schrieb dazu:Das letztre stammt aus dem Roman, der (. ..) für die .Rundschau' bestimmt ist. Sämtliche 4 Gedichte sind ohne besondre Gedanken und noch mehr ohne Gefühlstiefe, nach der Seite des Virtuosen, des balladesk Sprachlichen hin aber habe ich nichts Besseres gemacht" 8 . Es kommt nicht alle Tage vor, daß ein Autor seinen Verleger auf die vollständige Inhaltslosigkeit des Eingesandten ausdrücklich hinweist. Als wollte er herausfinden, wie weit man es mit einer solchen Keck­heit treiben dürfe, fügte er noch hinzu:Das Handwerk, der Schneddredin feiert in diesen Sachen einen kleinen Triumph." Was ist hier los? Wollte Fontane an Julius Rodenberg etwas Bestimmtes ausprobieren? Ist dieser auf gewisse Weise unser aller Vorläufer? Doch mir scheint, daß den Leser diese Fragen etwas verworren anmuten, ich breche den Gedankengang ab.

Es steht auch wirklich nicht viel drin in der Ballade. Wenn sie überhaupt eine Bedeutung haben sollte, dann muß dies eine sekundäre sein, eine, die ihr aus irgendeinem Begleitumstand erwächst, auf den Holk nicht genug achtgibt. Schleppegrell schickt seine Ballade zusammen mit einem Brief, und dessen Formulierungen sind in der Tat etwas auffällig:

Hochgeehrter Herr Graf. Ihr Interesse, das Sie gestern so freundlich für meinen Freund Herluf Trolle zeigten, gibt mir den Mut, Ihnen ein sich mit eben diesem Freunde beschäftigendes Balladenbruchstück zu schicken, das ich vor Jahr und Tag gefunden und aus dem Altdänischen

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