Heft 
(1889) 37
Seite
618
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Deutschland.

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aber aus Freundschaft zu mir wird er Dir nicht den kleinsten Rat geben, bevor Du nicht meinem Bruder Jwolzow hilfreich gewesen bist. Augenblicklich z. B. steht Julius Casar dicht neben mir und teilt mir die schönsten Kabinettsgeheimnisse mit. Dabei lacht er wie ein Affe über Dein dummes Gesicht. Dir aber wird er nicht früher erscheinen, als bis mein Bruder Jwolzow 60000 Fr. erhalten hat . . .

Marquis: Wie bist Du zu der nahen Freundschaft mit Julius Cäsar gekommen?

Wasserschlange: Cäsar und ich leiden beide an den­selben Erscheinungen einer gewissen Blutleere. Ihm haben die vielen Dolchstiche geschadet, und ich wurde bekanntlich gepfählt. Wir machen nun seit mehr als 200 Jahren im Frühjahr die gleiche Milchkur und im Herbst die gleiche Traubenkur durch. Es war anfangs nur eine Badebekanntschaft; aber jetzt sind wir unzertrennlich wie Orestes und Pilatus. (Er wollte wahr­scheinlich sagen: Wie Pontius und Pilatus.) . . .

Marquis: Ist Julius Cäsar immer noch an kalt?

Wasserschlange: Vollkommen. So oft ein Diplomat oder General stirbt, geht ihm Cäsar bis an die äußerste Grenze des Jenseits entgegen und fragt ihn aus. Außerdem ist er in allen Ministerwohnungen und Königspalüsten zu Hause.

Die kleine Wasserschkange: Ja, Onkel Cäsar ist sehr Helle . . .

Marquis: Könntest Du den Geist Julius Cäsars nicht bewegen, daß er sich herbemühe?

Vercingetvrix (Übersetzung): Er thut's nicht. Seine Ehre verlangt, daß jede Forderung sofort erfüllt werde, die für seinen Rat gestellt worden ist. Er war schon damals so eigensinnig.

Marquis: Würde es ihm aber nicht Spaß machen, wie­der einmal, und wäre es auch nur unter dem Namen eines bescheidenen Diplomaten, die Welt zu beherrschen?

Vercingetorix: Das thut er ohnehin. Viele große Staatsmänner verdanken ihre Erfolge ihrer spiritistischen Ver­bindung mit Julius Cäsar. Richelieu war in beständiger Ver­bindung mit ihm. Von Bismarck will ich nichts verraten; aber Hütte Kaiser Napoleon HI. beizeiten auf die Spiritisten gehört, so wäre alles anders gekommen. . . .

Der Marquis war eine noble Natur und die hohe Geld­summe schreckte ihn nicht. Nur die Thatsache, daß ein Medium überhaupt Geld verlangte, war ihm so widerwärtig, daß er gewissermaßen aus Ekel mißtrauisch wurde. Er setzte sich durch meine Vermittelung mit einem französischen Medium in Ver­bindung, welches direkt von Paris verschrieben wurde und nach seiner Versicherung den Herrn Jwolzow nicht kannte. Der Pariser sollte hinter dem Rücken vonWasserschlange" mit Julius Cäsar anzuknüpscn suchen und vor allem herausbringen, obWasserschlange" ein ehrlicher Geist sei. Übermut und Gutmütigkeit verführten mich, meinem guten Marquis zu ver­schweigen, daß der Russe und der Pariser alte Kameraden waren und auch jetzt heimliche Zusammenkünfte hatten. In der Sitzung, welche der Pariser sich durch Vergeistigung eines wertvollen Brillantringes, den der Geist der Kleopatra angeblich zu be­sitzen wünschte, teuer genug bezahlen ließ, erschien zwar Julius Cäsar für wenige Minuten, erklärte aber kurz und bündig, daß er sich auf nichts weiter einlasse, bevor sein Freund Wasserschlange nicht befriedigt sei.

Diese Übereinstimmung der beiden Geistererscheinungen ließ den Marquis nicht länger zögern. Er wies dem freudig über­raschten Jwolzow bei einem Berliner Bankier die erste Rate von 20000 Fr. an, trotzdem Wasserschlange recht unhöflich auf Auszahlung der ganzen Summe drängte.

Nun muß ich rasch darüber hinweggehen, daß ich während der Anwesenheit des Parisers den Russen gebeten hatte, mir von seiner Beute auch einen kleinen Teil abzulassen. Ich machte es nicht gerade zur Bedingung meines Schweigens, aber ich hätte es anständig gesunden.

Als die erste Rate eintraf und Jwolzow nicht nur jedes Scherflein verweigerte, sondern auch meine weibliche Eitelkeit

durch Wort und That verletzte, da geriet ich in einen unseligen Jähzorn und eröffnete dem Marquis, daß die beiden Medien im Einverständnisse gehandelt hätten. Der alte Narr glaubte mir jedoch nicht, und als ich auch gegen ihn heftig wurde, setzte er mich auf die Straße, zu meinem Glücke auf die xrornMacke ckos ^rr^Iais von Nizza.

Als der Marquis übrigens vierzehn Tage später die zweite Rate anweisen wollte, erschien ein entfernter Verwandter ans dem Schauplatze. Der Marquis wurde ins Irrenhaus ge­bracht, unter Kuratel gestellt, dann wieder freigelasseu, starb aber endlich doch in einer solchen Heilanstalt.

Du bist eine gefährliche kleine Person," sagte mein Croupier, als er mir dieses traurige Ende erzählte.Du machst alle Leute verrückt. (Fortsetzung folgt.)

Der UaiuralU imier llen norniegisliim NlHiem.

Bon

chkcr Kerrrston.

(O^l^Gn kann sehr geteilter Meinung darüber sein, wer von den norwegischen Dichtern der hervorragendste ist. Uher es kann nnr eine Meinung darüber geben, daß Arne Garborg Norwegens litterarische Zuknnft bezeichnet. Die beiden Dichterheroen Ibsen und Björnsvn sind bald alte Männer, die ihre Arbeit vollbracht; von Jonas Lie kann man auch keine weitere Entwickelung erwarten. Die aller­jüngsten wiederum, Christian Krogle und Hans Jäger, scheinen keine rechte geistige Wachstumskraft zu haben. Übrig bleiben also Alexander Kielland und Arne Gnrbvrg.

Sie sind ungefähr in gleichen Jahren und sie behandeln ungefähr dieselben Probleme in ihrer Dichtung. Aber wegen der Kluft in ihrer sozialen Herkunft und ihrem individuellen Tempera­ment sind sie so verschieden wie Tag und Nacht, wie Feuer und Wasser. Kielland ist ans der höheren norwegischen Bour­geoisie hervorgegaugeu, Garborg aus der eingeborenen Bauern­bevölkerung des Landes. Ersterer brachte für seine Schrift­stellerwirksamkeit die elegante Oberflächlichkeit, den frivolen ,j6iin6886-äorö6-Ton und das etwas süßliche Pathos eines nor­wegischen Bourgeoisie-Salons mit; letzterer kam heran mit einer erdrückenden Last finstern Bauernernstes, der aber doch glänzen und Funken sprühen konnte wie Stahl, und schneiden wie eine Damastener Klinge. Während Kielland in seinen Gesellschafts­satiren den Eindruck eines Mannes macht, der in einem be­quemen Lehnstuhl sitzt und über das Unwetter schreibt, das draußen rast, kommt uns Garborg in seinen Dichtungei: mit dem Aussehen eines Wanderers entgegen, der sich eben selbst durch Nacht und Sturm und Schnee gekämpft.

Kielland formt in Terracotta, Garborg haut in Granit. Der erstere ist wie ein Wasser, auf dessen Grund man jeden Kiesel, jede Muschel, jede Pflanze sehen kann; denn es ist nicht tief bis zum Grunde. Der andere ist wie ein norwegischer Gebirgssee, eingeschlossen, dunkel und unergründlich. Und während Kielland sich schon auf dem thalabwürts führenden Wege einer kleinen Alpenpromenade zu befinden scheint, ist sein Berufsgenosse wie eine Pflanze im Wachsen, die noch keine Blüte angesetzt.

I.

Arne Garborg wurde am Anfang des Jahres 1851 ge­boren. Seine Heimat ist der Jüder, eine schmale, flache Strecke an der Südwestspitze Norwegens. Im Westen wird sie vom Meer, im Osten von niedrigen Bergen begrenzt. Es ist ein armer Landstrich, ohne eine Spur dessen, was man im allge­meinen Schönheit nennt. Er besteht aus heidekrautbewachsenem Torfmoor und heidekrautbewachsenen steinigen Hügeln. Die Grundfarbe der Landschaft ist heidebrann, das Klima regnerisch, die Luft bewölkt und grau.