zu, für den unsere Herzen klopfen, und so läßt es sich denn auch nicht einrichten, daß uns, wenn ihn das Verhängnis ereilt, Furcht und Mitleid anwandeln.
Damit endet der Mittel- und Hauptteil des Romans, vierundzwanzig Kapitel stark; die ersten sechs Kapitel sind ein Vorspiel, die letzten vier episches Resümee, Epilog, Ausklang. So ergeben sich drei sehr ungleich große Einzelblöcke. Die Legitimität anderer Gliederungen braucht deshalb nicht bestritten zu werden, Fontane selber war in solchen Dingen großzügig. In der Fachliteratur ist es üblich geworden, die erste Blockzäsur hinter das 9. Kapitel zu setzen, vor Entdeckung von Kruses Grab das Einleuchtendste. Der Autor allerdings scheint einer anderen Gliederung den Vorzug gegeben zu haben:
„Und nun die Einteilung. Sie können nach Kapitel 6 (...) einen Einschnitt machen, aber auch nach Kapitel 10 (. ..) (Fontane meint wohl Kapitel 9, W. S.) Der Schluß von Kapitel 6 und die dort gesprochne Waiblingersche Strophe sind eine Art Dreh- und Entscheidungspunkt der Geschichte (der Schluß des Ganzen rekurriert darauf), aber der Einschnitt bei Kapitel 10 hat auch seine Vorteile und würde dann lokaliter das Ganze in 4 Teile teilen:
1. Schloß Holkenäs (Schleswig), 2. Kopenhagen, 3. Schloß Frederiksborg und 4. wieder Holkenäs" 11 .
Das deckt sich mit der hier vorgeschlagenen Gliederung, die Begründung lautet zwar anders, aber das scheint nicht viel zu besagen. Der Ausdruck „Dreh- und Entscheidungspunkt der Geschichte" ist recht auffällig und gestattet die Vermutung, daß Fontane an mehr gedacht hat als das sanfte Wäiblinger- Gedicht. Damit soll seine Begründung indes nicht als reine Vorspiegelung abgetan werden. Es würde sich offenbar lohnen, auch Vorspiel und Epilog einmal vergleichend zu untersuchen. Nur war dies hier nicht das Thema.
Es ging hier um die Mittelpartie des Romans, die mit dem siebenten Kapitel einsetzt und mit dem dreißigsten endet. Ihre eindrucksvolle ästhetische Folgerichtigkeit beruht auf der Iteration jenes vier- bis sechsgliedrigen Motivspiels, das einfachheitshalber das Rondothema hieß. Hier die Übersicht;
— Legitime Elisabeth Petersen oder legitime Elisabeth Kruse?
(Alle Motive außer dem fünften.)
— Rosenberg-Gruszczynski oder Rosenberg-Lipinski? (Alle sechs Motive.)
— Treue Ehefrau Brigitte oder untreue Ehefrau Brigitte? (Vier Motive.)
— Eheglück mit der Pastorin oder sehnsuchtsvolles Zurückdenken an die Prinzessinnen? (Vier Motive.)
— Ehe mit Christine oder Ehe mit Ebba? (Alle sechs Motive.)
Fünfmal lautet die Antwort: weder dies noch das, sondern ein Drittes 12 . Man sehe die schöne Strenge und Geschlossenheit! Es ist, als stünde man vor einer prächtigen Domfassade. Nun kann man auch mit einem Blick erfassen, weshalb die thematischen Durchläufe verschieden lang sind: die Fortsetzung, auf jeden Fall aber das fünfte Motiv, fällt immer genau da aus, wo es um eine dieser versteckten Nicht-Ehen geht. Es ist eine Kernidee des Romankonzepts, daß der Protagonist von den Menetekeln, die seinen Weg ins Verhängnis umdüstern, nichts bemerken soll. Darum also dieser sogar für einen Autor wie Fontane ganz ungewöhnlich große Aufwand an apokryptischer Energie, hier endlich enthüllt sich sein wahrer Grund. Aber sind nicht auch wir, Hand aufs
64