Heft 
(1889) 39
Seite
643
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39.

Deutschland.

Seite 643.

Aufregung des Zuhörens ließ die Bäckchen dunkel erglühen denn Mascha, die alte Mascha mit dem achtzigjährigen Gesicht, mit den seherhaft blickenden Augen spann wundersame Mär­chen nie Geschehenes durcheinander, während das Schweigen des Mittags einschläfernd über der Natur lag.

Als das Zauberfeuer brannte und der kleine Knabe das Kleeblatt hineingeworfen hatte," fuhr die Alte eintönig in einer angefangcnen Erzählung fort --da ballte sich der Ranch dichter und dichter und bildete Kreise und seltsame, gespenstische Figuren."

So wach' doch, Gila jetzt kommt ja die Hauptsache" Der kleine Gilo stieß unsanft die Schwester an, der die Augen­lider schwer und schwerer geworden und endlich gänzlich zu­gefallen waren. Die Glut der Mittagsstunde hatte die Kleine überwältigt. Erschrocken fuhr sie auf, blinzelte ein paarmal wie ans einem Traume heraus und schloß dann aufs neue die Angen. Nur wie ein leises Summen noch tönte die Stimme der alten Mascha an ihr-Ohr.-

Der Rauch fuhr wirbelnd durch die Luft und färbte sich rot und grün und blau. Und das Zanberfeuer leuchtete Heller und Heller, wie Tausende von Karfunkeln und plötzlich stand in all dem Glanze eine schimmernde Feengestalt, angethan mit herrlichen Kleidern ein goldnes Stübchen in der Hand"

Gilas schwarzes Köpfchen sank vorwärts ans die Kniee der Alten, die die knochigen Hände ausgestreckt hielt. Des Kindes Gliederchen hatte fester Schlaf gelöst.

llnd mit blitzenden Augen, mit klingender Stimme sprach die Fee zu dem Knaben: Dir wird die Welt gehören, wenn Du dieses Stäbchen schwingst in Güte und Menschenfreund­lichkeit! Aber Elend wird Dein Teil sein, wenn Du es hältst in grausamen Gedanken und Härte! Du hast die Wahl bedenke das Ende!"

Die alte Frau hatte nur noch wie im Traume gesprochen, ihre .Hände waren herabgesunken, der graue Kopf nickte vorn­über ein- zweimal die Lippen öffneten sich noch wie zum Wort dann war auch sie der einschläfernden Macht der Stunde erlegen.

Nur der kleine, blondlockige Knabe blickte noch mit Hellem Auge um sich. Aber auch ihn hatte eine seltsam beklommene Stimmung erfaßt es lastete ans ihm mit schwerem Druck. -

Er sah nach den schillernden Tauben, die ans dein Dach­first des Häuschens saßen ihr Gefieder blitzte auf im Sonnen­schein. Mürchenzauber webte um ihn her. ...

Und plötzlich kam ihm ein Gedanke.

Er blickte spähend um sich. Kein Mensch zu sehen weit und breit.

Dort drüben der Verwaltersstall es geht!" dachte er und rutschte behutsam von dem Bänkchen, auf dem er saß, herunter. Leise schlich er sich ins .Häuschen.

Nach einem Weilchen schlüpfte er vorsichtig heraus, die rechte Hand fest auf die Tasche seines Kittelchens gedrückt.

Noch einen Blick auf die Gruppe^ die alte, nickende Mascha, die schlafende Schwester und er rannte davon. Plötz­lich hielt er inne im Laufen, bückte sich und suchte eifrig etwas unter den Kräutern des Heidebodens.

Nach einer Weile schien er gefunden zu haben und ver­schwand in dem Verwaltersstalle, der leer und unbewacht dalag. Knechte und Pferde waren draußen aus dem Felde beschäftigt.

Noch ein paar Minuten und er trat mit hochrotem Ge­sicht unter der Thür hervor und sprang über den Rain, zurück zur Schwester. Seine Augen blitzten.

Gila, Gila," flüsterte er der Kleinen ins Ohr, fast atemlos.

Erwachend fuhr sie auf und blickte verständnislos in des Brüderchens erregte Züge.

Was ist?"

Ein paar blaue Heideschmetterlinge taumelten in mattem Flug ans von den Erikaglocken, in denen sie geträumt hatten und fuhren irr hin und her.

In hastigen, sich überstürzenden Worten flüsterte Gilo: Schnell, komm mit das Zanberfeuer brennt. Ich hab's angezündet. Und hier ist auch das vierblättrige Klee­blatt".

Er öffnete seine Hand.Siehst Du?" fragte er trium­phierend.

Dann blickte er noch einmal zweifelnd auf Mascha.Sie hört uns nicht und schläft fest," beruhigte er sich.Wenn sie aufwacht, ist alles längst vorbei. Was sie nur sagen wird?"

Er drängte die Schwester aufznstehen.

Schlaftrunken verstand sie noch immer nicht, was Gilo von ihr wollte. Aber sie ließ sich von ihm fortziehen über den rotschimmernden Heidegrnnd.

Die Schmetterlinge schwebten wie ein paar lose Blumen­blätter auf zum funkelnden Äther . . .

Schon waren die Kinder drüben bei den verlassenen Ver­waltungsgebäuden. Gilo drängte die Schwester in den Stall, dessen Thür halb offen stand und die er vorsorglich hinter sich znzog. Der große, schwere, von außen angebrachte Riegel fiel ins Schloß.

Leises Knistern qualmender Ranch drinnen.

Gilo zog die Schwester zu einer Ecke. Flammen schlugen dort auf von einem kleinen Reisigfeuer. Flackernd, züngelnd lohte es den Kindern entgegen.

Der Knabe schlug die Hände zusammen vor Freude.

Es brennt noch! Es brennt noch!" jubelte er.Warte - - ich hole gleich noch mehr Reiser. Da hinten liegt noch ein ganzes Bündel."

Gila stand daneben und riß die Angen weit auf. Sie packte den Bruder am Arm.Hast Du das an gezündet?" llnd sie wies auf das lustig flackernde Feuer.

Er nickte wichtig.Das ist das Zanberfeuer!" flüsterte er.Paß auf, jetzt werf' ich gleich das Kleeblatt hinein aber dann dürfen wir kein Wort mehr sprechen, sonst ist der Zauber zu Ende und die Fee kommt nicht! So!" Er warf den Vierklee in die Glut und legte sich dann mit ge heimnisvoller Miene den Zeigefinger auf sein in Erwartung geöffnetes Mündchen. Neugierig vorgebengt blickte er ans die Flammen, die weiter nur sich zu greifen begannen und nach dem Stroh leckten, das über den Fußboden des Stalles hin gestreut lag.

Schon huschten knisternd einige Funken an den trockenen Halmen entlang.

Gila stand entsetzt. Ihr reiferer Verstand erfaßte die Größe der Gefahr, die hier drohte. Mit einem Schreckensrnf stürzte sie sich auf Gilo und riß ihn zurück.Was hast Du qethan!" schrie sie angstvoll ans. Wir werden hier verbrennen! Schnell! Fort - fort!"