Deutschland.
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Wir machen hiermit die ergebenste Mitteilung, daß nach langem Zögern und Schwanken endlich im Schoße des vorbereitenden Komitees beschlossen worden ist, am 1. Oktober dieses Jahres zu Rom einen großen internationalen Spiritistenkongreß abzuhalten. Wir leben der Hoffnung, daß auf diesem Kongresse die Spiritisten der verschiedenen Länder erst völlig zu der stärkenden Überzeugung ihrer Zahl und ihrer Harmonie, ihrer äußeren und ihrer inneren Macht kommen werden. Die Grundsätze der neuen Wissenschaft werden auf diesem Kongresse in festere Formen gebracht, und die etwas lockere Organisation unserer Bestrebungen wird bestimmten Satzungen unterworfen werden. Bereits sind für die Abende der Sitzungstage Vortrüge unserer ersten spiritistischen Geistesheroen und Manifestationen unserer leistungsfähigsten Medien in sichere Aussicht gestellt. Ein fröhliches, brüderliches Fest, an welchem auch unsere Schwestern gern teilnehmen werden, wird den Kongreß in der ewigen Stadt beschließen. Der Entwurf der neuen Satzungen wird nur denjenigen Vereinen, Redakteuren und Privaten zngehen, welche ihr Erscheinen auf dem Kongresse angemeldet haben.
Wir haben unter den vielen schönen Städten der alten und der neuen Welt Rom gewühlt, weil diese Stadt schon zweimal der Mittelpunkt einer Weltreligion war und weil wir durch Mitteilungen ans dem Jenseits wissen, daß der Spiritismus die künftige Weltreligion sein wird. Ünser Prinzip ist zwar keiner der bestehenden Konfessionen feindlich, weil sie alle durch hervorragende Medien der Menschheit zu teil geworden sind. Da aber in früheren Zeiten die seligen Geister nur auf indirektem Wege, nie aber persönlich zu der Menschheit gesprochen haben, so Verhalten sich die alten Konfessionen zu der neuen Lehre, welche eine Wissenschaft ist, wie reflektiertes Licht zum Urquell des Lichtes selbst. Wir haben aus dem Jenseits das Versprechen erhalten, daß die auserlesensten Geister uns erscheinen und noch weit mehr Schleier als bisher lüften werden, wenn erst durch den internationalen Kongreß und die neue Organisation ein vollkommener Sieg der Jenseitigen über die Zweifelsncht einer Afterwiffenschaft gewährleistet ist.
Doch schon heute ist jedem Spiritisten klar, daß er in seinem Glauben eine Vereinigung von Religion und Wissenschaft besitzt, welche ihn hoch über das Irren und Suchen der übrigen Menschheit erhebt. Das Fundament aller echten Religiosität, der Glaube an die Unsterblichkeit der menschlichen Seele war dem Volke so gut wie abhanden gekommen. Der Spiritismus erst hat diesen Glauben wieder geweckt und durch Vorführung sichtbarer, hörbarer und greifbarer Geister ans dem vagen Gebiete der Meinungen heraus auf den starken Fels der Wissenschaft gestellt.
Die edelsten Geister aus dem Jenseits haben ihr Erscheinen auf dem Kongresse zugesagt; mögen auch die fortgeschrittensten Geister ans dem Diesseits, mögen die Spiritisten nicht fehlen.
Anmeldungen werden nur zugleich mit einer Geldsendung angenommen, welche nicht unter zehn Francs betragen darf. Für die Mitglieder des Kongresses ist Ermäßigung des Eisenbahnfahrpreises in Aussicht gestellt. Besonders verdienten Medien und Redakteuren wird vom Vorstande ein Beitrag zu den Reisekosten bewilligt werden. Alle Briefe und Geldsendungen sind an den Doktor N. N. ras cks 1a 1oA6 3, den Präsidenten des vorbereitenden Komitees zu richten.
Licht und Liebe!
Das vorbereitende Komitee.
Das Cirknlar wurde unvorsichtigerweise auch an reiche Spiritisten in Nizza selbst verschickt, und durch diesen Mißgriff erfuhren die Medien den Plan schon am folgenden Tage. Es gab in unserer geschlossenen Gesellschaft einen sehr stürmischen Abend. Da aber die meisten die ganze Kongreßidee albern
fanden, und da überdies mein Doktor Wiedererstattung der dreihundert Franes verlangte für den Fall, daß die anderen Medien den Plan aufgreifen wollten, so kam es zu einem friedlichen Ausgleich. Monsignore widersetzte sich der Ausbeutung seines genialen Einfalls noch am heftigsten. Schließlich konstituierten sich sämtliche Anwesende als vorbereitendes Komitee. Mein Doktor wurde zum ersten Präsidenten gewählt, Monsignore zum zweiten. Mündlich wurde verabredet, daß die einlaufenden Geldsummen, falls der Kongreß schließlich doch scheitern sollte, an notleidende Medien in Nizza nnd Umgebung verteilt würden.
Unsere Rechnung schien anfangs ohne den Wirt gemacht. Der ganze Januar verging, ohne daß unter des Doktors Adresse auch nur der geringste Beitrag einging. Höchstens trafen spiritistische Zeitschriften ein, in denen unser Aufruf abgedrnckt war; aber diese Sendungen waren mit erstaunlicher Regelmäßigkeit mit der Bitte um Zahlung eines Abonnements begleitet.
Wie durch ein Wunder veränderte sich die Lage etwa von Anfang Februar ab. Täglich kamen Briefe und Geldanweisungen, an manchen Tagen bloß ein Stück, an dem gesegneten 17. Februar achtzehn Stück, darunter eine Zehnpfundnote. Die Briefe enthielten gewöhnlich den Mindestbetrag von zehn Franes, mitunter auch unziemliche Scherze oder wertlose Papiersetzen. Als Trost für diesen Scherz enthielten andere Briefe wieder hübsche Überraschungen. Einerseits, namentlich aus England und Amerika, große Beträge in Pfund- nnd Dollarnoten, andererseits bescheidene Gaben mittelloser Spiritisten, ans Deutschland besonders häufig Briefmarken. Mein Doktor sah auf diese Kleinigkeiten mit Verachtung herab, wahrend mich bei meinem zarten Gefühl die Gläubigkeit rührte, die ans jedem winzigen Scherflein sprach. Alle Beitrüge unter zehn Franes durfte ich als mein Nadelgeld betrachten und brachte so, ohne daß der Doktor es ahnte, etwas mehr als die vorgestreckten dreihundert Franes zusammen.
Die Hauptsammlung mochte gegen Mitte April nach meiner Schätzung nahe an zehntausend Franes ergeben haben. Rechnung führten wir nicht. Doch glaube ich nicht, daß der Doktor mir gegenüber etwas unterschlagen hat. Um die angegebene Zeit, als die Sonne wieder mit tropischer Glut die Erde küßte, die Gesellschaft sich aufznlösen begann nnd der goldene Regen völlig aufzuhören schien, da hoffte mein Doktor, die Kongreßidee würde ruhig einschlafen, nnd man werde seiner Versicherung glauben, daß die Kosten des Unternehmens gerade durch die Einnahmen gedeckt worden seien. Da wurde Monsignore durch einen unglücklichen Zufall Mitwisser unserer Geschäftsgeheimnisse, und es kam zu einer Katastrophe, ach, eine der vielen Katastrophen meines unschuldigen Lebens. Ich bin in diese Dinge nicht vollkommen eingeweiht worden und kann daher auch nur lückenhaft berichten.
Mitte Mürz hatte ein englischer Geistlicher den Doktor ausgesucht und ihm hundert Pfund, d. h. zweitausendfünfhundert Francs bar angeboten, wenn der Kongreß anstatt in Rom, in London abgehalten würde. Der Engländer war Spiritist, reich nnd ein fanatischer Gegner des Katholizismus. Der Doktor nahm die hundert Pfund und versprach alles.
Einen Monat später lernten wir durch Monsignore einen Italiener kennen, der entweder ein Kriminalpvlizist oder ein römischer Geistlicher gewesen sein muß. Er kannte annähernd die Betrüge, die wir erhalten hatten, er hatte offenbar besser Rechnung geführt als wir selbst; er kannte auch das Abkommen mit dem Engländer. Er drohte leise und vornehm mit Denunziation, wenn der Kongreß nicht in Rom abgehalten würde und wenn wir uns nicht seines Rates bedienten. Der Doktor meinte, man wolle dem Spiritismus einen katholischen Anstrich geben, was ihm (dem Doktor) so gleichgültig sei, wie Wurst am Freitag. Als er aber seiner lasterhaften Gewohnheit gemäß bares Geld verlangte, sprach der Italiener mit Monsignore, und es kam zu furchtbaren Auftritten. Monsignore berief plötzlich eine Sitzung des vorbereitenden Komitees zu-