steigen aus der zartesten Unmerklichkeit bis hinauf zu einem dramatischen Höhepunkt des Ganzen. Da mufj man schon über den Zaun der Kunstgattung hinwegspringen, hinüber zur kontemporären, denselben Zeitgeist wie Fontanes Roman atmenden spätromantischen Musik. Dort gäbe es Beispiele in Hülle und Fülle, um nur eines davon herauszugreifen: Richard Wagners Rheingold- Vorspiel. „Unwiederbringlich" ist Fontanes schönster und tiefsinnigster Versuch, einen gesellschaftskritisch-realistischen Stoff in eine auserlesene spätromantische Kunstform zu kleiden.
Anmerkungen
1 Jorgensen, Sven-Aage: Nachwort zu Theodor Fontanes Unwiederbringlich. Reclam Stuttgart 1971, S. 307. Ich zitiere diese Kritik an der formalen Anlage des Rcmans nicht um ihrer selbst willen, sondern weil sie als repräsentativ gelten kann für ein in der Fachwelt vorherrschendes Urteil, das hier nur besonders klar und unprätentiös formuliert ist.
2 Eilert, Hilde: . . .und mehr noch fast, wer liebt. Theodor Fontanes Roman Unwiederbringlich und die viktorianische Sexualmoral. ZfdPh 101 (4) 1982, S. 530.
3 Alle Seitenzahlenangaben im Aufsatzheft beziehen sich auf Theodor Fontane, Unwiederbringlich. Ullstein-Fontane-Bibliothek Bd 15, hrsg. v. Walter Keitel und Helmuth Nürnberger. 2. Aufl. 1984. Bis auf einen Ausnahmefall (vgl. Anm. 4 und 5) wird nach dieser Ausgabe auch zitiert. .Wolljacke" (120) wird berichtigt in .Welljacke".
4 Zitiert nach dem Vorabdruck, s. Deutsche Rundschau. Bd 66, 1891, S. 168. In der Interpunktion, auf die es hier besonders ankommt, stimmen Vorabdruck und erste Buchedition (Hertz 1891) überein.
5 In den Ausgaben von Hanser und Ullstein sind diese Anführungszeichen offenbar das Opfer einer sogenannten behutsamen Modernisierung geworden; was wieder einmal zeigt, daß man es mit der Behutsamkeit bei manchem Autor gar nicht weit genug treiben kann. Auch das Komma hinter .so heiße sie denn auch Elisabeth Petersen" findet sich in keinem der beiden Abdrucke von 1891. Manche neuere Ausgaben (Nymphenburger Verlagshandlung, insel-taschen- buch) interpolieren außer diesem Komma noch ein .es' (. . . Petersen, und es sei eigentlich recht gut so), während Fontane es doch anscheinend in der Schwebe lassen will, ob man sich .es“ oder .sie" als Subjekt zu denken hätte.
6 Vielleicht hat Fontane hier den Protektor des jungen Leutnants im Sinn. „Auf der Reise durch die Herzogtümer im Jahre 1854 hatte L. N. Scheele, der Landrat von Pinnenberg, getan, was er konnte, damit die Reise gut verlief. Er war von da an der Liebling der Gräfin — und nach Ansicht vieler auch ihr Liebhaber." Roar Skovmand / Vagn Dybdahl / Erik Rasmussen, Geschichte Dänemarks 1830—1939. Die Auseinandersetzungen um die nationale Einheit, demokratische Freiheit und soziale Gleichheit. Deutsch v. Olaf Klose. Neumünster 1973, S. 125.
7 Ist Pentz ein Agent der Danner? Die Frage ist nicht so abwegig, wie zunächst scheinen mag. Er muß gewußt haben, was er tat, als er Holk bei Hansens einquartierte, und in wessen Interesse als dem der Danner könnte er es getan haben? Erstaunlich nur. daß er unter den Augen der Prinzessin so handelt, wohl wissend, daß sie die Vorgänge ja begreift und mit Verdruß erlebt. Es ist keineswegs nur Scherz, wenn sie ihn, einen Versprecher schadenfroh ausschlachtend, der „unerlaubten Beziehungen zur Gräfin-Putzmacherin' verdächtigt (vgl. 121). Es scheint an Pentz und den Hansen-Frauen zu liegen, wenn sie sich von der Danner beobachtet fühlt (vgl. 135). Andererseits ist Pentz vermutlich gerade wegen seines Zutritts zum Danner-Kreis für sie eine unersetzliche Informationsquelle, und so mag sie es hinnehmen, wenn er ein wenig kollaboriert.
8 Anhang zu Theodor Fontanes Unwiederbringlich. Ullstein, S. 174; zitiert wird nach H.-H. Reuter (Hrsg.). Theodor Fontane, Briefe an Julius Rodenberg. Eine Dokumentation. Berlin und Weimar 1969, S. 33 ff.
9 Es wäre reizvoll, einmal der Frage nachzugehen, inwieweit die lange Verkennung von .Unwiederbringlich' zurückgeht auf die einstige Vorherrschaft jener Methode des immanenten Inter- pretierens, dergemäß sich jede deutende Hypothese durch den Nachweis ihrer Herkunft aus dem Text zu legitimieren hat. Daß man sich mit diesem Grundsatz gegenüber einer schriftstellerischen Strategie wie der hier vermuteten zur Textblindheit verurteilt, dürfte auf der Hand liegen. In diesem Aufsatz wird daher anders verfahren. Die Hypothesen treten zunächst unlegitimiert auf, aber die aus ihnen deduzierten Erklärungen sollen sich am Romantext bewähren.
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