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Deutschland.
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1847 an, eine letzte Nachricht kam vvn ihm am 3. April 1848, und seitdem ist er mit seinen Gefährten verschollen. Verschiedene Unternehmungen haben über sein Ende Klarheit zu bringen gesucht, jedoch vergebens. Nun kommt aus Melbourne die Nachricht, daß abermals eine Expedition ins Innere vorbereitet wird, um noch einen Versuch zu machen, Aufschluß über das Geschick des seit 42 Jahren Verschollenen und seiner wackeren Genossen zu erhalten.
Dieser Anlaß fordert dazu auf, in kurzen Zügen das Andenken an den Reisenden zu erneuen, der auch ein edler, liebenswerter Mensch war, und dessen Name für immer mit der Geschichte der geographischen Erforschung des fünften Weltteiles verknüpft bleiben wird.
Friedrich Wilhelm Ludwig Leichhardt ist ein Kind der Mark Brandenburg und am 23. Oktober 1813 zu Trebatsch bei Beeskow geboren. Seine Eltern waren schlichte Bürgersleute, die mit vielen Kindern gesegnet waren. Trotzdem ließen sie ihren gute Anlagen verratenden Ludwig das Gymnasium in Kottbus besuchen und dann in Göttingen und Berlin Philologie und Naturwissenschaften studieren. Er hing mit zärtlicher Liebe an seinen Eltern, und als er sich entschlossen hatte, Forschnngsreisender zu werden, und sich nach vorbereitenden Studien in London und Paris und Reisen durch Italien und die Schweiz nach Australien einschifste, schrieb er vorher an die Lieben daheim: „Wenn man von Gütern sich trennt, erkennt man, welchen Wert sie haben, weit tiefer und schmerzlicher, als wenn mau in vertrauter Gemeinschaft lange mit ihnen lebt. Ihr, das weiß der liebe Gott, seid meine höchsten Güter stets gewesen; ich muß von Euch gehen, weil es der Gang meines Lebens so mit sich bringt."
1842 landete Leichhardt in Sydney und suchte sich alsbald durch längere Ausflüge, die er zum Anlegen wertvoller Sammlungen benutzte, auf eine Durchkreuzung des ganzen Kontinents vorzubereiten, die er vvn vornherein als Hauptziel und eigentliche Aufgabe ins Auge gefaßt hatte. Er lebte wochenlang einsam im „Busch" und machte sich mit den Müh- saleu und Gefahren des australischen Wanderlebens vertraut, indem er die der Kultur erst teilweise erschlossenen Gebiete von Neusüdwales, Moreton-Bay und Neuengland durchstreifte. Es gelang ihm, nutzbringende Beziehungen anzuknüpfen und Privatleute und die Regierung für eine von ihm geplante Expedition zu interessieren, welche von Sydney aus in möglichst gerader Richtung nach Nordwesten gehen sollte, um Vietoria am Port Essington auf der Coburg-Halbinsel zu erreichen.
Am 14. August 1844 segelte er von Sydney nach der Moreton-Bay, wo die Landreise begann. Dieselbe war mit unerhörten Anstrengungen und Mühseligkeiten verbunden. Auf der Wanderung durch trostlose Einöden gingen die Lebensmittel aus, so daß die schon halb verhungerten Mitglieder der Expedition (acht an der Zahl) zuletzt sogar die Haut ihrer geschlachteten Ochsen verzehrten, nachdem man sie eine Nacht hindurch gekocht hatte, da sie dann immer noch besser schmeckte, als das entsetzlich zähe Fleisch der gleichfalls dem Hungertode nahen Tiere. Leichhardts Gefährte Gilbert fiel einem nächtlichen Überfalle durch die schwarzen Ureinwohner zum Opfer; die übrigen erreichten am 17. Dezember 1845 Port Vietoria und kehrten vier Wochen später zu Schiff nach Sydney zurück, wo das glückliche Eintreffen der längst Verlorengeglaubten allgemeinen Jubel erregte.
Leichhardt erhielt eine ansehnliche Belohnung von der Regierung, man veranstaltete eine öffentliche Subskription zu seinen Gunsten, und die Akademieen von London und Paris zeichneten ihn aus. Die Ergebnisse seiner Reise, durch die er der Entdecker von Queensland und Nordaustralien geworden ist, waren aber auch höchst bedeutende; ausgedehnte Gebiete für Weide- und andere Kolonisationszwecke waren dadurch erschlossen worden.
Schon auf der Rückreise hatte er den kühnen Plan gefaßt, nunmehr den ganzen Kontinent von der Ostküste bis zum Schwanenfluß im Westen zu durchkreuzen und dann längs der
Westküste bis Port Essington im Norden zu ziehen. Die Mittel zu dieser neuen Expedition wurden mit Leichtigkeit aufgebracht, und schon im September konnte der rastlose Forscher, mit Vorräten für zwei Jahre versehen, aufbrecheu. Sechs Weiße und zwei Schwarze begleiteten ihn, aber durch Krankheit und die Unlust seiner Genossen scheiterte das Unternehmen, so daß Leichhardt schon um die Mitte des nächsten Jahres zurückkehren mußte, ohne nennenswerte Erfolge erzielt zu haben.
„Ich bin von einer Entdeckungsreise zurückgekehrt," schrieb er damals, „doch nicht so siegreich mit fliegenden Fahnen und unter dem Zujanchzen eines ganzen Volkes, sondern erschöpft von Krankheit, mit unzufriedenen Geführten, sah ich mich gezwungen, selbst ehe ich noch in unbekannte Gegenden eindrang, umzukehren und meine Geführten nach Ägyptens Fleischtöpfen zurückzuführen. Die Ursachen dieses Mißlingens sind ungefähr die folgenden: Die jungen Leute, welche ich mit mir nahm, waren aus Sydney; sie waren an ein weichliches, behagliches Stadtleben, aber nicht an das harte Leben des Busches gewöhnt. Ihrem Körper fehlte jene Elastizität, vermöge welcher, wenn auch der Krankheit unterliegend, man sich schnell erholt und dem Gemüt jene Zufriedenheit und Schmiegsamkeit zurück- giebt, welche sich nur der Gegenwart zuwendet und nicht in die Ferne schweift oder zu den verlassenen Freuden des Stadt- lebeus verlangt. Sie kannten kein anderes Interesse als ein weltliches; sie hofften am Ende ihrer Reise von der Regierung Anstellungen und vom Volke Geld zu erhalten. Sie hatten unseren Empfang in Sydney bei unserer Zurückkunft vvn Port Essington gesehen und glaubten, ohne Schwierigkeit dieselben Lorbeeren ernten zu können. Sobald die Schwierigkeiten der Reise kamen, war ihre Festigkeit erschüttert, und anstatt sich ihrer früheren Dankbezeugnngen zu erinnern, betrachteten sie mich als einen harten Meister."
Um so mehr fühlte Leichhardt sich jetzt angetrieben, diesen Mißerfolg wett zu machen. Mit möglichster Eile traf er seine Vorbereitungen und brach am 28. Februar 1848 abermals auf, das inzwischen entdeckte Thal des Barku zum Wege in das Innere wühlend. Sein letzter Brief kam aus Maephersons Station am Cogunfluß und meldete, daß Leichhardt und seine Begleiter wohlauf seien — seitdem fehlt jede sichere Nachricht über ihre ferneren Schicksale. Sind sie in einer jener schrecklichen Einöden des Innern den Qualen des Hungers und Durstes erlegen, sind sie einem hinterlistigen Überfall der Wilden erlegen — wir wissen es nicht!
Auf drei Jahre hatte Leichhardl selbst die Dauer seiner Expedition veranschlagt, es dauerte daher eine Weile, bevor man in den Kolonieen zu der Überzeugung gelangte, dieselbe müsse verunglückt sein, und Versuche machte, darüber Gewißheit zu erlangen und, wo möglich, einzelnen, vielleicht noch irgendwo am Leben befindlichen Mitgliedern derselben Hilfe zu bringen.
Die zu diesen: Zwecke unternommenen Expeditionen von Help (1852), von Gregory (1858) im Aufträge der Leichhardt- Assoeiation, von Mac Jntyre (1865), der selbst dabei sein Leben einbüßte, und von John Forrest (1869) sind sämtlich erfolglos geblieben. Gilmore (1871) drang bis zu der Gegend vor, wo Leichhardt vermutlich fein Ende gefunden hat, und will dort Gräber von Weißen entdeckt haben. Nach einer Kunde aus dem Innern, die später Beamten des Überlandtelegraphen zuging, glaubte man bisher mit einiger Wahrscheinlichkeit schließen zu dürfen, daß der kühne Forscher mit seinen Genossen unter dem 25. Grade südlicher Breite und dem 138. östlicher Länge dein: Übersetzen über einen Fluß von Eingeborenen niedergemacht worden sei.
Andere, viel bestimmter auftretende Nachrichten haben sich längst als Humbug enthüllt. Großes Aufsehen erregte es, als 1874 ein geflüchteter Sträfling, Namens Hume, austrat und behauptete, an der Grenze von Queensland und Südaustralieu längere Zeit mit einem Geführten Leichhardts, Adolf Elasten, zusammengetebt zu haben, doch ergaben sich bald die begründetsten Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Ebenso ist ei:: gewisser Sknthorpe, der Leichhardts und Classens Tagebücher