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Deutschland.
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nebst anderen Reliquien der Expedition zu besitzen vorgab, bis heute alle Beweise für seiue Behauptungen schuldig geblieben.
Nun aber hat, wie aus einer Zuschrift des bekannten Botanikers Ferd. v. Mueller in Melbourne an „Petermanns Mitteilungen" hervorgeht, ein in ganz Westaustralien als bester Kenner von Land und Leuten bekannter Hinterwäldler, Mr. Alexander M'Phee, an der Lagrangebay im Kimberlay-Distrikt (Westaustralien) ans dem Munde von Eingeborenen neue und scheinbar zuverlässige Kunde erhalten. Die ältesten Männer eines von ihm ausgesuchten Stammes wollten nämlich vor langer Zeit von einem weiter südlich in der Wüste hausenden Stamme vernommen haben, es seien zwei Weiße und zwei bekleidete Schwarze, die mit Pferden von Nordosten her gekommen, in jener Gegend verdurstet. Zuerst seien die Tiere umgekommen, dann wären die Weißen einer nach dem anderen verschmachtet, nachdem sie weit und breit vergebens nach Wasser gesucht. Die Wilden behaupteten ferner, daß noch eine Axt der Verunglückten bei dem Nachbarstamme vorhanden sei, desgleichen Gebeine, Überreste von Geschirren der Pferde und andere Reliquien.
Die Vietoria-Abteilung der «lck. OeoAraplr-Kooiot^ ob ^U8traln8ia,» die zu Melbourne ihren Sitz hat, beabsichtigt nun, M'Phee nach dieser mutmaßlichen Todesstätte unseres Landsmannes und seiner Geführten zu entsenden, um, wenn irgend möglich, Licht in das geheimnisvolle Dunkel zu bringen, das über ihrem Ende ruht. Die Möglichkeit, daß Expeditious- teiluehmer uoch am Leben sein könnten, muß freilich als ausgeschlossen gelten, doch hofft man, Instrumente und vielleicht auch Tagebücher und sonstige Aufzeichnungen zu retten. Diese soll M'Phee mit Hilfe des in der Gegend hausenden Stammes sorgsam sammeln und endlich eine Steinpyramide als Denkstein an dieser Örtlichkeit errichten.
Hoffentlich werden sich diese Erwartungen erfüllen; wir, in der Heimat Leichhardts, werden das Unternehmen mit unseren besten Wünschen begleiten und mit Spannung ans die Ergebnisse desselben, von denen wir vielleicht bis gegen Ende dieses Jahres Kunde erwarten dürfen, harren.
Österreichische Grenzwsnüerungrn.
Von
Wolfgang Kirchbach. (Schlus,.)
enn man kann an allen Grenzen Österreichs nach Deutschland hin den Stammeszusammenhang der diesseitigen und jenseitigen deutschen Bevölkerungen ganz genau verfolgen. Bon Bodenbach über Aussig bis Teplitz und Karlsbad hin sitzen oben im Erzgebirge und unten im Laude bis über die Eger hin vorwiegend Deutsche, welche die Sprache des sächsischen Erzgebirges und des sächsischen Boigtlandes ziemlich genau so bewahren, wie man sie drüben über der Grenze im Königreich Sachsen spricht. Diese Deutschböhmen sind allein Anschein nach nichts anderes als Obersachsen und die nächsten Verwandten der Bevölkerung Thüringens und des Königreiches Sachsen. Gebärde und Haltung, geselliges Wesen und die Sprache, welche selbst in Teplitz noch die Sprache des Meißener Hochlandes ist, alles läßt diese Deutschböhmen als Ansiedler erscheinen, welche über das Erzgebirge hinab in die Thalebeneu gestiegen sind und auch sich fortwährend von den Höhen des Erzgebirges und Voigtlandes durch Nachschub erneuern Als ich mitten im bayrischen Gebiet, unter bayrisch redenden Menschen den unglücklichen Alfred Meißner, den bekannten deutsch-böhmischen Dichter, kennen lernte, glaubte ich einen Mann aus dein Meißener Land in diesem Teplitzer zu sehen. Denn er sprach nicht nur das Hochdeutsche mit der Bürgerlichkeit des mitteldeutschen Mannes, er hatte auch in seinem Wesen ganz
jene gehaltene Liebenswürdigkeit, Feinheit und überlegene Ruhig- keit, welche die gebildeten Männer von thüringischem und altfränkischem, oberfrünkischem Gepräge auszeichnet, die das Königreich Sachsen sowohl im Voigtland wie im Meißener Land bewohnen. Gerade diese altfränkische Art findet man in den Gegenden Nordböhmens, von denen wir schreiben, vielfach; mit- telfrünkisches Feuer und leichtes Blut, mittelfrünkische Lebensseligkeit und Ruhelosigkeit wird man, da ja sie auch massenhaft nach Österreich eingewandert ist, in anderen Gegenden, ganz besonders in der alten Mark Österreich suchen müssen. So weist der Bolkscharakter des Wieners ja eigentlich, zum Unterschied von dem schwerfälligen Wesen des unverfälschten Bajuwaren, durchaus das leichtlebige und lebensselige Wesen des Mittelfrauken auf. Man hat diesen Charakter der Wiener Bevölkerung, der sich z. B. so ganz außerordentlich von dem schweren und zornigen Wesen des stammverwandten Müncheners unterscheidet, auf slawische Vermischungen schieben wollen; viel mehr Anteil daran aber dürfte das fränkische Blut haben, welches seit den Zeiten der Babenberger zeitweilig immer wieder in die Erzherzogtümer über Wels und Linz hereingekommen ist und gewiß nicht ohne Einfluß auf die Bildung des Wienertums gewesen ist. Wer durch die Erzherzogtümer gen Wien kommt, wird zum Beispiel bis zum heutigen Tage die ganz veränderte Bauart der Bauernhäuser nicht ohne Erstaunen bemerken, welche in Oberösterreich und Niederösterreich, verglichen mit Salzburg und oberbayrischen Landen, herrscht. Vergeblich wird man bei bajnwarischen Bauern dieselbe suchen. Wer aber ans Franken und Thüringen kommt, der wird eine merkwürdige Ähnlichkeit der Bauernhäuser bemerken: uud sich eutsiuueu, daß er sogar im Werrathal Ähnliches gesehen hat. In Wien dürfte eine starke Vermischung von fränkischem Blute mit dem Blute der Bajuwaren, gleichzeitig aber auch der lebhaftere Charakter der Gebirgsbevölkerung mit ihrer „Schneid," welche in Wien zur Stadtbevölkerung wird, den lebensvollen Grundcharakter dieser deutschen Stadt bestimmt haben.
Indessen wir wollen nicht zu tief ins Innere des Kaiserreichs der Habsburger dringen; wir wollen an den Grenzen bleiben, wo die Vermischung deutscher Stämme nicht so innig gewesen ist und sich die Stammesgruppen und Völkergruppen deutlicher unterscheiden. Man kann in Nordböhmen, wenn man am Erzgebirge hinwandert, sehr bald bemerken, wie man bei Karlsbad allmählich süddeutsche Menschen antrifft, während vorher noch mitteldeutsches, obersächsisches Wesen überwiegt, welchem ja natürlich ein gewisser wienerischer Schliff nicht abgeht; denn wir sahen, daß der große Mittelpunkt an der Donau mit seinen Beamten und sonstigen Einwirkungen mächtig ist. Man „wienert" also auch hier; aber es ist künstliche Zucht. Kommt man von Karlsbad weiter westlich, so gewinnt die Mundart süddeutsches Gepräge; man merkt, hier sind Bayern eingewandert und haben, wie in Wien, so auch hier mehr oder minder die Mundart bestimmen helfen. Zwar die sogenannte Egerländer Mundart hat ein ziemlich eigenartiges Gepräge: sie scheint die Mitte zu halten zwischen erzgebirgischer und bayrischer Mundart; doch überwiegt das süddeutsche bayrische Wesen ganz mächtig; und ganz abgesehen von der Mundart der Bauern, gewinnt das bürgerliche Wesen einen Anstrich, der mehr auf die bayrische Verwandtschaft hiuweist. Wandern wir nun vollends den Böhmerwald entlang zu den „Haferfürsten," so zweifeln wir keinen Augenblick, daß diese zähe, eisenköpfige urdeutsche Bevölkerung drüben über dem Böhmerwald in der Oberpfalz und Niederbayern ihre nächsten Verwandten hat, und daß die bayrischen „Waldler," diese trotzigen Bewohner des Bayrischen Waldes, ihre Verwandtschaft seit alter Zeit auch über den Böhmerwald hinüber nbgesendet haben, wo diese, im Grenzwiderstande gegen slawisches Wesen, nur noch hart- köpfiger geworden ist.
Fühlt man sich in diesen Grenzgebieten, besonders in Nordböhmeu uoch gänzlich unter deutschen Stammesgenossen, welche ihre Eigenart rein bewahrt haben, so wird man um so mehr erstaunt sein, wenn man etwa am Fuße des Erzgebirges