Heft 
(1889) 43
Seite
705
Einzelbild herunterladen

M 43.

Deutschland.

Seite 705

werde. Aber das ist wahr, daß die Zukunft Sansibars als Handelsstadt in deutschen Händen liegt, woraus folgt, daß die Engländer schon im eigenen Interesse etwas entgegenkommen­der gegen die Deutschen im Auslande sich zeigen dürften.

Dagegen läßt sich durchaus nicht in Abrede stellen, daß Sansibar für unser ostafrikanisches Schutzgebiet von größter strategischer Wichtigkeit ist. Auf Sansibar gestützt, kann eine feindliche Flotte das ganze Gebiet mit allen feinen Häfen er­folgreich blokieren und alle Handelsverbindungen unmöglich machen. Jedenfalls werden aber die Schlachten des Zukuufts- krieges nicht in den Kolonieen geschlagen werden, wenigstens dürften die Kolonialkriege nur eine ganz untergeordnete Rolle spielen, da alle Flotten und Landheere in Europa verwendet werden können. Auch ist nicht anzunehmen, daß England in einem Weltkrieg auf seiten der Feinde Deutschlands zu finden sein wird, wenn es seine Neutralität nicht sollte bewahren kön­nen, und selbst wenn England mit den Feinden Deutschlands gemeinsame Sache machen sollte, bedarf es seiner Flotte zum Küstenschutz und hat Besseres zu thun, als unser ostafrikanisches Küstengebiet zu blockieren, wozu doch eine starke Flotte gehört und was Deutschland noch nicht lahmlegen würde.

Dagegen ist für Deutschland der Besitz von Helgoland gerade in strategischer Hinsicht wichtig. Auf Helgoland gestützt, ist es für eine genügend große feindliche Flotte ein Leichtes, die ganze deutsche Nordseeküste zu blockieren. Dadurch aber werden nicht nur die beiden großen deutschen Handelsmetropolen Hamburg und Bremen aufs empfindlichste geschädigt, es wird der ganze deutsche Seehandel lahmgelegt, und die beiden deut­schen Flottenhälften in Kiel und Wilhelmshaven können an ihrer Vereinigung nicht nur, sondern geradezu in ihrer Ver­wendbarkeit für die Küsteuvertcidigung gehindert werden. Der mit großem Kostenaufwand gebaute Nord-Ostsee-Kanal erlangt für unsere Flotte erst seine richtige Bedeutung durch die Ab­tretung von Helgoland an Deutschland. Und eben dieses Eiland, so klein es auch ist, kann durch zweckmäßige Befesti­gung wesentlich zum Schutze unserer Nordseeküsten beitragen. Daß übrigens im Auslande und namentlich bei denen, die wir im nächsten Kriege als unsere Feinde glauben ansehen zu müssen, die Wichtigkeit der Abtretung Helgolands an Deutsch­land gebührend gewürdigt wird, hat uns die russische und französische Presse gezeigt, die mehr oder minder einen empfind­lichen Ton anschlng, als die Sache in die Öffentlichkeit kam, und als sie erkannte, daß man es hier mit einer Politik der vollendeten Thatsachen zu thun habe, gegen welche nichts zu machen sei.

Nun giebt es ja Deutsche genug, welche meinem, Helgo­land habe ja für England keine, für Deutschland eine große Wichtigkeit. England hätte es aus freien Stücken abtreten können, ja eigentlich müssen, da es ja zu Schleswig-Holstein ursprünglich gehört habe und demnach nach Recht und Ge­rechtigkeit deutsch sei. Nun hat es mit der Zugehörigkeit zu Schleswig-Holstein eine eigene Bewandtnis. Helgoland gehörte ursprünglich zu Nordfriesland und kam mit dieser Landschaft an das Herzogtum Schleswig, wurde aber 1712, als die Her­zöge von Holstein-Gottorp es mit dem Schwedenkönig hielten, vom König von Dänemark erobert und nicht wieder heraus­gegeben. Als England es also 1807 mit Beschlag belegte, war es dänisch, nicht schleswig-holsteinisch, und an Dänemark Hütte es abgetreten werden müssen, nicht an Schleswig-Holstein oder an Deutschland, wenn England es dahin geben wollte, wohin es vor der englischen Herrschaft gehörte. Übrigens ist es mit dem Abtreten eines Besitzes aus freien Stücken, ledig­lich einem anfwallenden Gerechtigkeitsgefühl zuliebe, eine eigene Sache. Kriegsrecht ist auch ein Recht und selbst, wenn alle Gebiete, die eigentlich ohne Recht und Gerechtigkeit im Laufe der Zeiten besetzt worden sind, dem rechtmäßigen Eigen­tümer am 1. Januar 1891 zurückgegeben werden müßten, so könnten wir ruhig alle Atlanten und Karten der Welt wegen völliger Unbrauchbarkeit ins Feuer werfen.

England war im ungestörten Besitz von Helgoland, und

wenn es auch Leute gab, die eine Abtretung des unnützen Be­sitzes an Deutschland befürworteten, so waren die Engländer im allgemeinen schlau genug, die Insel nicht nach dem Wert zu taxieren, den sie für England, sondern nach dem, den sie für Deutschland hatte. Deswegen waren die Leiter der eng­lischen Politik auch nie ernstlich für eine bedingungslose Ab­tretung an Deutschland, sondern wollten die Gelegenheit nb- warten, bis sich etwas Rechtschaffenes dafür eintauschen lasse.

Die Gelegenheit hat sich nun gezeigt und ist benutzt worden. Mögen denn auch in Deutschland viele sein, die mit dem Tausch uicht zufrieden sind, und Hütte vielleicht auch von deutscher Seite ein günstigeres Resultat erreicht werden können, zweierlei steht doch fest: daß der Besitz von Helgoland einen nicht zu unterschätzenden Wert für uns hat, und daß auch nach Abtretung von Sansibar, Witn und des von Peters unter deut­schen Schutz gestellten Gebietes in der Gegend des Victoria Nyanza unser ostafrikanisches Interessen- und Schutzgebiet kein wertloser Besitz geworden ist.

Lin Rückblick

aus dem

Jahre 2000 auf das akademische Kunstjahr 1890.

^^er Flibustier-Artikel machte ungeheures Aufsehen. Das bekanntlich tief im Volke wurzelnde Rechtsbewußtsein empörte sich beinahe so gewaltig, als ob ein genialer Staatsmann a. D. einen publizistischen Rippenstoß durch einen Faustschlag pariert Hütte. Eine ganze Woche hindurch lebten alle oppositionellen Zeitungen von derschnöden Willkürherr- schaft der akademischen Stiefel-Jury." Es mußte etwas ge­schehe, um die erregten Gemüter wieder zur Ruhe zu bringe, denn schon hatte ein Teppichhündler, um die großen Inserate zu sparen, sein neu eröffnetes Sandsteingebüude zu einem «8n- lou des dottiues rstusäes» angetragen. Das Dntzedkollegium trat zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen, und am Sonntag erschien in einem stillen Blättchen, mit gesperrten Lettern gedruckt, die folgende Erklärung:

Gegen die Thütigkeit der Jury der «ersten akademischen Stiefel-Ausstellung» werden gegenwärtig in der Skandal- und Judenpresse Angriffe erhoben, die man wohl in das Gebiet des groben Unfuges verweisen darf. Die hochgeachteten Namen der zu Preisrichtern erwählten Männer, die in nicht genug zu bewundernder Selbstlosigkeit ihres verantwortungsvollen und mühseligen Amtes gewaltet haben, geben jedem Unbefangenen wohl hinreichende Bürgschaft für die vorurteilslose Unpartei­lichkeit dieser erlesenen Körperschaft, zu deren Beratungen übri­gens Vertreter der verschiedensten Schusterkunstanschanungen hinzugezogen worden sind. Wenn diese Leute, nachdem sie mit ihren perversiven Tendenzen satzungsgemüß überstimmt worden sind, sich jetzt durch perfide Verdächtiguugen au der Mehrheit zu rächen versuchen, wenn sie die Einrichtung der Jury, die einzig im Interesse des Publikums die Spreu vom Weizen zu sondern und das Gesamtbild der Ausstellung zu einem wür­digen zu machen bestrebt war, ist und sein wird, mit allgemei­nen Angriffen niedrigster Art bedenken, so genügt wohl der Hinweis darauf, daß die Berliner Schuster-Akademie nur einen alten, schönen Brauch wieder ausgenommen hat, um die Tchreier zu widerlegen. Denn was den ungebildeten Skandalmachern natürlich unbekannt ist! bis zum Jahre 1890 einschließlich ist das Arrangement der großen akademischen Kunstausstellungen zu Berlin ausnahmelos der ans hervorragenden Fachkünstlern zusammengesetzten Jury Vorbehalten gewesen, ohne daß gegen diesen Modus jemals Klagen laut geworden wären. Was den