einem rosigen Licht." 2 Landschaft und Gefühlsraum fließen ineinander über Doch die Spannung zwischen der Idylle als scheinbar sozial exterritorialem Boden und den ersten Anzeichen der Unausweichlichkeit der Trennung verstärkt sich in zunehmendem Maße. Mit der Ankunft der Freunde Bothos brechen hart und unvermittelt Konvention und gekünstelte Naturschwärmerei in die scheinhafte Freiheit der Naturidylle ein. Die Landschaft wird entzaubert und ihrer anfänglichen Stimmungshaftigkeit beraubt. Der gestörten bedrohten Liebesbeziehung entspricht die von oberflächlicher Geselligkeit und konventioneller Unnatur vereinnahmte Landschaft. Die landschaftliche Kulisse wird zum tiefen Sinnträger des menschlichen Geschehens und wirkt desillusionierend. Die Natur ist nicht mehr als intakte Zwischenwelt gestaltbar. Die Idylle erweist sich als Scheinidylle — der Umschwung von der Liebes- und Entsagungsgeschichte vollzieht sich. Die landschaftliche Idylle wird somit nicht zum topologischen und ideologischen Rückzugsort, sondern zu einem bewußten Symbol eines unheilbaren sozialen Widerspruchs. Die Landschaft wird symbolisch angeeignet und in Relation zum historisch-gesellschaftlichen Bereich des menschlichen Lebens gesetzt. Die Haltung zur Natur ist für Fontane gleichzeitig ein meisterhaft beherrschtes Mittel der Figurencharakterisierung. Natur als „Gesellschaftsspiel" bei Käthe von Rienäcker einerseits und echte Naturverbundenheit bei Lene andererseits eröffnen einen tiefen Blick in die Gefühlswelt der beiden Frauengestalten. Für Käthe ist Natur Ausflugsort, Spazierweg und Erholungsgebiet. Der Ausflug nach Charlottenburg (Kap. 25), der ganz Programm- und gesellschaftsgemäß verläuft, dient allein ihrer oberflächlichen Renommier- und Vergnügungssucht. Die Parkanlage als von Menschen gestalteter Naturraum wirkt im Gegensatz zu Hankels Ablage unecht und unnatürlich. Rienäcker empfindet umso schmerzlicher den Verlust der naturhaften Einfachheit und echten Erlebnisfähigkeit Lenes. In dieser bewußten Entgegensetzung unterschiedlichen Naturempfindens wird die Wertung des Autors faßbar. Naturraum ist also bei Fontane kein veräußerlichter kulissenhafter Raum, sondern er existiert immer in Bezug auf die Figur. Über diese wechselvolle Beziehung erhält der Naturraum eine weite soziale Dimension.
Auch auf die Gestaltung von Wohnungen als Binnenräume lassen sich diese Aussagen beziehen. Da ist z. B. die Wohnung der alten Frau Nimptsch. Obwohl diese Wohnung im Dörrschen Gartenhaus nicht mehr als ein „Puppenkasten" ohne Gas und ohne Wasserleitung, also eine Kellerwohnung ist, wirkt sie anheimelnd, ja sogar freundlich und harmonisch. Denn es sind die Menschen, die Bewohner, die dem Raum das Gepräge geben. Deren ungekünstelte Menschlichkeit ist durch die Misere des Milieus nicht zu unterdrücken. Allerdings liegt hier wohl auch eine Gefahr der Glättung sozialer Widersprüche. Die Figur der Frau Nimptsch wird fast ausschließlich durch ihre Beziehung zu dem sie umgebenden Binnenraum und den darin befindlichen Gegenständen charakterisiert. So sind Figur und der Herd als Raumdetail aufs engste miteinander verbunden. Der Herd als Spender von Wärme und Licht ist eine lebensnotwendige Einrichtung für die alte Frau in ihrer körperlichen und seelischen Anfälligkeit (Kap. 1, 4, 15, 17, 19). Der Herd erhebt sich über seine unmittelbare Gegenständlichkeit zum Symbol für Einfachheit, Güte und Menschlichkeit. Wesen und Charakter der Frau Nimptsch werden in dieser Beziehung zum Raumdetail versinnbildlicht. Auch die Beschreibung der Rien-
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