Heft 
(1889) 46
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Individualisierung derselben ihre höchste und naturgemäß letzte Spitze erreicht.

Ziehen wir nun ans dieser entwickelungsgeschichtlichen Ab­leitung der Familie als der sozialen Urzelle das Facit, so er­halten wir einzelne philosophisch wertvolle Schlüsse, die aber auch bei der Entscheidung einzelner von Sozialisten der Gegen­wart aufgeworfener Fragen von nicht zu unterschätzendem Be­lang sein dürften. Es hat sich uns nämlich ergeben, daß der Nntnrprozeß der sozialen Evolution unverkennbar die Tendenz offenbart, vom geschlechtlichen Kommunismus, der sich als kul­turhemmend erwiesen hat, zunächst zur teilweise individuellen Ehe und von dieser zur völlig individuellen überzugehen. Dar­aus folgt zweierlei. Erstens scheint ausgemacht, daß die Pri­mitivehe, die, nur aus dem konkretesten Bedürfnis entsprungen, eine ästhetische Auslese kaum geahnt hat, die menschliche Rasse keineswegs in dem gleichen Maße zu verschönern und zu ver­edeln geeignet war, wie die spätere Jndividualehe, bei welcher das ästhetische Empfinden in der Auslese des Schöneren viel­fach zum Durchbruch kam. Ohne Jndividualehe wären wir wohl kaum über den Zustand der Barbarei hinausgelangt, weil uns die physiologischen Vorbedingungen zur Erzeugung höherer Kultursvrmen gefehlt hätten. Hat sich aber die Einehe solcher­gestalt, rein als natürlicher Evolutionsprozeß der Familie be­trachtet, als gestaltveredelnd und rassenhebend erwiesen, dann hat sie dem HMlebenden nicht bloß darum als unantastbar zu gelten, weil Staat, Kirche und Moral sie fordern, sondern zuhöchst deshalb, weil der Naturlauf selbst, wie wir hier ge­zeigt haben, auf dieselbe hingewiesen, ja hingedrüngt hat. Darum wird das Institut der Monogamie auch in einem et­waigen sozialistischen Staat, sofern dieser nur auf dem Boden der Kultur steht, unweigerlich beibehalten werden müssen, weil dieses nicht bloß ein unerläßliches Postulat der entwickelteren Volksanschaunngen in Recht, Sitte und Religion ist, sondern zuoberst deshalb, weil das Naturgesetz dasselbe als die höchste Ausgestaltung geschlechtlichen Zusammenlebens aus sich heraus gezeitigt hat. Und mögen auch rechtliche, moralische und reli­giöse Vorstellungen wandelbar sein, das Naturgesetz ist es nicht, und nur barer Wahnwitz wird sich demselben entgegen­zustemmen suchen.

Die zweite philosophische Schlußfolgerung aus unseren Darlegungen über die Urgeschichte der Familie ist folgende. Selbst Sozialisten von der Farbe eines Engels, welche der Monogamie als dauernder Institution nicht günstig gegenüber­stehen, müssen eingestehen, daß sich dieselbe am Ausgange der Barbarei einstellt, ja daß sie ein Zeichen beginnender Civili- sation ist (Engels, S. 34). Nun gebe ich gern zu, daß der naheliegende Schluß p 08 t borg pi-opter lloo kein zwin­gender ist. Sicherlich ist die Einehe nicht die einzige Vor­bedingung der Civilisation; aber eine ihrer Voraussetzungen ist sie zweifellos. Wie sollten wir uns denn sonst mit der auffälligen Thatsache absinden, daß die Kultur einen durch­greifenden, besonders aber einen bleibenden Vorschritt nur unter Völkern mit monogamischer Familienform kennt! Ist demnach die Einehe auch nicht die einzige Möglichkeit eines Kultur-Fortschritts Chinesen und Araber haben das Bei­spiel eines Anfraffens zur Kultur, freilich auch das eines Stag- nierens derselben gegeben, so darf man doch zum mindesten behaupten, daß sie ständige Begleiterscheinung einer be­harrenden Kultur ist. Wenigstens fehlt der geschichtliche Nachweis, daß ein Volk trotz der Polygamie eine beträchtliche Kulturstufe nicht bloß erringen, sondern Jahrtausende hindurch behaupten und ständig steigern kann. Bis zur Beibringung dieses Erweises aber hat man das Recht, an seinem Gelingen zu zweifeln.

Und so hat sich uns denn aus dieser knappen Betrach­tung der Urgeschichte der Familie ergeben, daß die Einehe keine zufällige, aus rein geschichtlicher Tradition hervorgeflossene Institution, vielmehr eine aus den zu immer höheren Daseins­formen drängenden Entwickelungsgesetzen der Menschennatur selbst hervorgegangene Einrichtung ist. Da die Monogamie

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aber ferner eine ständige Begleiterscheinung höherer Kultur­formen ist, so muß selbst die kümmerlichste Logik daraus fol­gern, daß man jene nicht ungestraft antasten darf, ohne diese zu gefährden. Der Kampf gegen die Einehe ist demnach geradezu kulturfeindlich.

Llitzsrhlsg und Vlitzgefshr.

Von

Julius Lcrug.

elektrischen Entladungen der Atmosphäre sind in ihren physikalischen Ursachen noch keineswegs so eingehend klargelegt, wie die Alltäglichkeit der Er­scheinung etwa vermuten ließe. Besser erkannt sind schon die Wirkungen des Blitzschlages und damit auch die mannig­fachen Gefahren, die der zur Erde niederfahrende elektrische Funke für den Menschen in sich birgt. Alljährlich zur Som­merszeit ereignet sich eine nicht unerhebliche Anzahl von durch Blitzschlag verursachten Unglücksfüllen. Nach einer amtlichen Zusammenstellung wurden in Preußen in den Jahren 1854 bis 1857 im ganzen fünfhundertelf Personen vom Blitze ge­troffen, davon zweihundertneuuundachtzig getötet nnd zweihun­dertzweiundzwanzig verletzt. In Frankreich werden durchschnitt­lich jährlich zweiundsiebzig Personen durch Blitzschlag getötet, in England (ohne Schottland und Irland) zweiundzwanzig, in Schweden neun u. s. w. Auffallend ist die übereinstimmende Angabe, daß der Blitz eine entschiedene Vorliebe für das männ­liche Geschlecht zeige, welches zweifelhafte Glück man vielleicht dem Umstand zuzuschreiben geneigt wäre, daß die Thütigkeit der Männer dieselbe!: im allgemeinen mehr in das Freie ver­weist. Diese bisher sehr beliebte Annahme, daß der Aufenthalt im Freien die Blitzgefahr vergrößere, muß indessen im Hinblick auf die neuerdings veröffentlichten Resultate der durch den Pariser Arzt Sestier veranstalteten Statistik als nicht zutreffend bezeichnet werden. Nach dieser Statistik, die sich auf sechs- hundertundein Fülle vom Blitze Getroffener bezieht, wurden von diesen ans freiem Felde vom Blitze ereilt nennnndsiebzig, in Kirchen nnd Häusern aber zweihnndertfünszehn Personen. Der Aufenthalt im Freien ist meist nur dort gefährlich, wo gar keine anderweitigen, höheren und besseren Leiter für den Blitz vorhanden sind. Die größte Gefahr des Getrofsenwerdens bietet nach obiger Statistik aber der Aufenthalt in geschlossenen Räumen dann, wenn eine größere Menschenmenge versammelt ist, wie in Kirchen. Dieser Umstand, die größere Ansammlung von Menschen, erhöht auch wesentlich die Blitzgefahr im Freien, und eine weitere Steigerung derselben entsteht dabei durch die Anwesenheit zahlreicher, gut leitender Gegenstände, namentlich Waffen. So schlügt der Blitz verhältnismäßig häufig in mi­litärische Lager ein, wobei starke Durchnüssung der Kleider an­ziehend zu wirken scheint. In der Art wurde 1864 ein nord­amerikanisches Regiment getroffen. Eine ungeheure Fenersäule fuhr in das ans einem Hügel befindliche Lager hinab, zerstreute dasselbe, warf sämtliche Mannschaft zu Boden, tötete achtzehn von derselben und ebenso fast alle Pferde, während auch von den übrigen Soldaten kaum einer unverletzt blieb. Dazu ent­luden sich auch noch bei zwei Gewehrpyramiden die Läufe, und die Geschosse töteten drei Mann in einem anstoßenden Lager. Fast ebenso groß ist die Gefahr unter Bäumen, obgleich, wie die tägliche Erfahrung lehrt, der Blitz sehr häufig diese besseren Leiter, wie überhaupt höhere und ihm näher stehende Gegen­stände, selbst Blitzableiter, umgeht und direkt auf den Men­schen bezw. auf niedrige und schlecht leitende Gegenstände über­springt.

Die Art der Wirkung des Blitzschlages auf den mensch­lichen Körper ist neuerdings sehr eingehend von Wilhelm Stricker, Arzt in Frankfurt a. M., studiert worden. Um den Lauf des

Deutschland.