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Deutschland.
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ihn an . . . Er hatte den einen Arm um ihre Schulter gelegt. Sie fühlte, wie der Arm zitterte, und plötzlich wurde sie ganz verwirrt. Sie fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen stieg, und eine fürchterliche Angst überkam sie. — Am liebsten hätte sie sich losgerissen und wäre geflohen.
Aber sie konnte nicht, sie hatte allen Willen über sich verloren — dann fühlte sie seine Lippen auf den ihren, und ohne sich zu wehren, ließ sie sich von ihm küssen. Sie schloß die Augen, — ihr war wie im Traume, und sie fühlte nur immer wieder, wie er sie küßte.
Mit einer plötzlichen Willensanstrengung riß sie sich los und lief davon, ohne ans sein Rufen zu hören.
Er eilte ihr nach. Sie brach sich Bahn durch den Wald. Wie gehetzt jagte sie davon, da sie ihn noch immer hinter sich zu hören glaubte. —
Sie hatte sich von hinten auf den Hof geschlichen, und als sie die Stimme des Vaters hörte, versteckte sie sich für eine Zeitlang in den Stall, wo die Kühe mit den schweren Ketten rasselten und sich an den Wänden rieben. Zuweilen brüllte eins der Tiere mit dumpfem, langgezogenen Tone, oder ein anderes legte sich schwer nieder, um mit dem breiten Maule schläfrig wiederzukäuen.
Sie strich sich die Haare zurecht und kühlte sich das erhitzte Gesicht; aber das Herz klopfte ihr so wild, und sie fürchtete sich, vor dem Vater zu erscheinen. —
Die ganze Nacht schlief sie nicht, und die folgenden Tage ging sie wie im Traume umher.
Sie versuchte, sich die Seene wieder vorzustellen ; aber es gelang ihr nicht . . .
Ein paarmal hatte sie Fritz von weitem gesehen und war ihm ausgewichen. Er hatte nach ihr gefragt — aber sie ließ sich nicht blicken.
Endlich standen sie sich doch wieder gegenüber, er stammelte etwas von Verzeihung, ohne daß sie seine Worte hörte, so wild schlug ihr das Blut. Das alte trauliche Verhältnis war zerstört.
Die Streifereien nahmen ein Ende, und Ellen vermied jedes Alleinsein mit ihm, so daß er nicht dazu kommen konnte, sich nochmals auszusprechen.
So war er wieder zur Universität gegangen. Sie hatte wohl ein Dutzend Briefe von ihm, die sie als ihren kostbarsten Schatz hütete, ohne ihm jedoch auch nur mit einer Zeile zu antworten.
Wie oft hatte sie seitdem unter dem wilden Rosenstrauche gesessen und an den Tag zurückgedacht, als er sie geküßt.
Allmählich dämmerte es ihr auf, daß sie sich eigentlich recht wie ein thörichtes kleines Mädchen betragen hatte. Weshalb nur hatte sie eine so schreckliche Angst gehabt?
Ein paar von den wilden Rosen hatte sie sich abgeschnitten. Sie war, obgleich es niemand gesehen hatte, rot dabei geworden. Wenigstens glaubte sie es; denn als sie nach dem kleinen elfenbeinernen Taschenspiegel suchen wollte, um sich zu überzeugen, hatte sie ihn natürlich zu Hans gelassen.
Als sie zu Weihnachten aus der Pension zurückkam, war Fritz nicht da. Ihr erster Gang galt den Dornenbüschen, die jetzt traurig kahl unter dem Schnee froren.
Wie häßlich sie doch aussahen. —
Zwei Jahre später hatte sie dann Will geheiratet, ohne daß sie Fritz, der inzwischen in Schottland war, wiedergesehen hatte.
Jetzt war er in die Heimat zurückgekehrt. Als der Vater ihr neulich davon schrieb, hatte ihr mit einemmal das Herz geschlagen. Sie wußte selbst nicht weshalb. — Dann hatte sie erfahren, daß er einen Ruf nach Berlin erhalten habe. Er konnte also ganz in ihrer Nähe sein ....
Wie er wohl aussehen mochte? — Ob er je wieder an den Tag gedacht hatte, oder ob das alles für ihn vergessen war? —
Sie lächelte vor sich hin, wenn sie an jene Zeit dachte, an die häßlichen, wilden Rosen. —
Wie er sie geküßt hatte! . . . Wenn sie nur daran dachte, durchschauerte es sie. —
Sie seufzte tief auf und blickte auf die breit in der Sonne liegende Havelbucht zu ihren Füßen. Der kleine Dampfer fuhr wieder nach Potsdam zurück, und der Schornstein stieß dichten schwarzen Rauch aus, während die Schifssglocke ihr ohrenzerreißendes Geklingel ertönen ließ . . .
Ob es hier Wohl wilde Rosen gab? —
Sie hatte noch garnicht daran gedacht . . . Sie mußte doch einmal darauf achten. —
Wilde Rosen! ...
Sie hatte den ganzen Garten voll der seltensten Edelrosen in allen Farben, mit den schönsten, wohlklingendsten Namen. —
Und der schwere Duft zog durch die etwas nebelfeuchte Morgenluft. Aber das war ihr etwas so Altes . . . immer dasselbe — so langweilig . . .
Ihre Finger hatten mechanisch an der Rose gezupft, die ihr Gatte beim Fortgehen noch so galant für sie abgeschnitten hatte.
In Gedanken hatte sie die arme schöne Rose völlig zerpflückt, und nun lag nur ein Hänschen blutroter Rosenblütter in ihrem Schoße ans dem weißwolligen Gewände, wie Blutstropfen im Schnee. —
Sie mußte ein bißchen spöttisch darüber lachen, wie herzlos sie mit der Blume nmgegangen war . . . Dann nahm sie plötzlich all die Blätter und warf sie lachend in den Wind, daß sie nach allen Seiten lustig zerflatterten . . . und dann blickte sie ihnen mit träumerischen Angen nach, die schlanken weißen Hände lässig im Schoß gefaltet, den feinen Kopf mit den krausen blonden Haaren etwas nach vorn geneigt, und die Lippen, um die noch das Lächeln irrte, halb geöffnet, als ob sie gespannt auf etwas lausche. — — — — — — — —
Leben sgem ei ufrhsften.
Vvn
De. Theodor Jaensch. (Fortsetzung.)
ast noch sonderbarer als die beispielsweise geschilderten, gestalten sich die bis jetzt bekannten Lebensgemeinschaften zwischen Tieren und Pflanzen. Spielen sie auch keine so große Rolle im Welthanshalte der Natur, wie etwa die der Flechten, so weisen sie andererseits die ausfallendsten Anpassungen des einen Wesens an das andere ans, die wir kennen. Ich muß nun freilich von der Schilderung eines der merkwürdigsten hierher gehörigen Fülle, des die sogenannten „Ameisenpflanzen" betreffenden, absehen; ich verweise, um Wiederholungen zu vermeiden, ans meinen eingangs schon erwähnten früheren Aufsatz. Dagegen erübrigt es mir noch, ans ein Ge- nossenschaftsverhültnis einzugehen, das man, wie bei den Flechten, schon längst kannte, jedoch früher ganz anders gedeutet hat; welches aber auch eben darum der Einreihung in die bekannten Thatsachen ungemeine Schwierigkeiten bereitete, die nun wie mit einem Schlage gehoben sind. Ich meine die Vergesellschaftung gewisser Wassertiere mit Algen: welche nicht wie bei dem Pilz der Flechte zwischendurch innerhalb ihrer Gewebe, sondern geradezu in ihrem Körper wohnen.
Bereits seit lange kennt man ein grün gefärbtes Tierchen, den Siebenarm oder Süßwasserpolypen, dessen Grüne, ungleich der der Heuschrecken, Blattläuse und zahlloser anderer Tiere, ans derselben Grundlage beruht wie die der Pflanzen. Diese Grundlage besteht in dem Vorhandensein verdichteter Keimstoffkörnchen, deren Färbemittel ganz bestimmte stoffliche, kraftliche und lebensbedeutsame Eigenschaften aufweisen, wie sie eben nur dem echten Laubgrün oder Pflanzen grün zukommen. Im übrigen gehört der Siebcnarm zu