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Deutschland.
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Zwei Umstünde waren es, die ihre richtige Erkennung lange Zeit verhindert hatten: ihre ungewöhnliche Kleinheit, und ihr Vorkommen innerhalb anderer Zellen. Wo wir sonst Er- nührungsgemeinschasten kennen, verflicht sich wohl Gewebe mit Gewebe; aber Zelle bleibt von Zelle geschieden. Das hiervon abweichende Verhalten war zu unerwartet gewesen, um gleich richtig erkannt und gedeutet zu werden; inzwischen aber ist es nicht vereinzelt geblieben.
Was vom Siebenarm des Süßwassers gilt, das haben die Brüder Hertwig gleicherweise für eine ganze Anzahl im Meere lebender Seerosen, der mit dem Einsiedlerkrebs zu- sammenlebenden verwandt, festgestellt. Auch hier lebt Zelle in Zelle; auch hier ist es die Darmschicht, die allein von den fremden Einwohnern besetzt ist. Auch hier gehen die Tiere zu Grunde, wenn man ihren winzigen Genossen das Licht nimmt, und ihnen selbst die Atmung beschränkt. Auch hier leben die Algen fort; Wochen-, sa monatelang, wenn ihre Herberggeber gestorben sind; vorausgesetzt, daß sie selbst nur Licht haben. Auch hier machen sie Teilungen durch; wachsen und vermehren sich; und eine Hülle und einen Kern, Stärkebildnng und Saner- stofsansscheidnng zeigen sie auch.
Nur sind hier die Algen gelb. Aber auf die Farbe, das heißt ans die eigentümliche Art der Erregung, die das von dem Farbstoff znrückgeworfene Licht ans die Netzhaut unseres Auges ansübt, kommt es nicht an. Hier handelt es sich nur um die Eigenschaften, die im Verlaufe des tierischen und pflanzlichen Stoffwechsels beider Teile in ihrer gegenseitigen Einwirkung zu Tage treten: auf die lebensbedentsame Leistung. Diese ist aber auch bei den gelben Algen dieselbe wie bei den Grünzellen des Pflanzenreiches; der Gilbstoff, das Tanggelb (Phykoxanthin) ist nur eine Abänderung des Lanbgrüns (Chlorophylls). Auch das Tanggelb vermag im Lichte Kohlensäure zu zersetzen, den Kohlenstoff daraus unter Bildung von Stärke anfznnehmen, und den Sauerstoff wieder ausznscheiden. Dieser Gilbstoff ist auch nicht die einzige derartige Abänderung; im Bereiche der niederen Pflanzen giebt es noch eine Anzahl ähnlicher Stoffe, die Gleiches leisten: das Tangrot der Rottange (Florideen), das Tangbrann der Branntange, wie des bekannten gemeinen Blasentangs, und andere, gehören hierher.
Dem Gesagten entsprechend stellt sich die Verbreitung der.Gilbalgen oder Gilbzellen, soweit sie an der Vergesellschaftung mit den Seerosen der verschiedenen Arten teilnehmen. Denn nur in solchen kommen sie vor, deren Leibesmasse glashell, oder doch wenigstens zum Teile lichtdurchlüssig — durchsichtig oder durchscheinend — ist. Nur in solchen kann ja das Licht bis zu ihnen gelangen, und sie zur Bethütigung der in ihnen ruhenden stofflichen Wirkfähigkeit anregen. Ist die Hantschicht von dunklerer Färbung, so gelangen die Lichtstrahlen nicht bis zum Darmblatt; wären also dort auch Algen eingeschlossen, so müßten sie bald ans Lichtmangel zn Grunde gehen; sie könnten weder selbst sich genügend ernähren, noch ihren Wirten, in deren Schutz sie leben, etwas leisten. Den schlagendsten Beweis für die Richtigkeit dieser Auffassung hat Hertwig geführt, indem er feststellte, daß Seerosen, welche zum größten Teile durchscheinend, an gewissen Stellen aber purpurn gefleckt waren, an diesen keine, sonst aber zahlreiche Gilblinge in ihrer Darmschicht enthielten.
Ähnliche Gilbkörner, wie bei den Seerosen, waren schon früher bei Stralingen (Qualstern, „Radiolarien") als häufiges Vorkommnis bekannt gewesen; ja hier ist ihr Zellwert nach den neueren Entdeckungen womöglich noch zweifelloser, weil sie nicht in anderen Zellen, sondern nnr innerhalb der Gallerthülle erscheinen, die diese, zn den Wurzelfüßern gehörigen, Kleintierchen um sich herum, und durch die Öffnungen ihres zierlichen Kieselgerüstes hindurch, ansscheiden. Der wesentliche Sachverhalt ist der gleiche; die Gilblinge finden Schutz und passende Wohnung, auch ausgeatmete Kohlensäure aus erster Hand im Körper ihres Wirtes, und liefern ihm dafür Sauerstoff zur Atmung, und ihren eigenen Überschuß an Stärke zur Nahrung. — Im übrigen ist auch hier der versuchliche Beweis
gelungen, daß die Gilblinge fremde Bestandteile sind; denn züchtet man die Stralinge in gefiltertem Wasser, so bleibt die Veralgung aus. Es geht daraus hervor, daß sie erst von außen her, ans im Wasser vorhandenen Keimen entstammend, in den Körper der Stralinge einwandern.* — Auch zwischen Algen und Meeresschwümmen sind bereits ähnliche Lebensgemeinschaften beobachtet worden; und neuerdings hat Weber eine ebensolche zwischen einer höheren Alge (Rreiwe- ftolllm 8xor>Aopbi1n) und einem Süß Wasser schwamm entdeckt, der in dem See von Manindschan ans Sümatra vorkommt.
* In den zuletzt betrachteten Fällen ist es das Tier, das die Herberge bietet: die Pflanze, als die kleinere, genießt des Schatzes und zeigt sich erkenntlich dafür. Aber auch das Umgekehrte kommt vor. Ich müßte hier vor allem wieder a»f die Ameisenpf'lanzen verweisen; stellen sie doch sozusagen lebende Ameisennester vor, indem sie Kost und Wohnung zugleich liefern; die Kostgänger und Einwohner aber bilden dafür ein stets kriegsbereites Heer, das seine Heimstätten vor Ausrottung schützt. Wieder anders ist das Verhältnis zwischen gewissen Lebermoosen und Rädertierchen; welches sich noch genauer den algenbesiedelten Tieren gegenüberstellen läßt; und das uns Kerner von Marilaun schildert. Auch hier sind die Tierchen die ersten Empfänger; die Pflanze giebt Wohnung und Schutz, und sie zeigen sich dankbar; doch nicht durch Verteidigung mit den Waffen, sondern durch Versorgung mit Nahrung. Wir haben hier also die genaue Umkehrung des Verhältnisses zwischen den Magensacktieren, und den Grün- oder Gilbalgen. Es verhält sich damit folgendermaßen.
Die Lebermoose sind grüne, meist lagerleibige Pflanzen; das heißt solche, deren Körper zu wenig gegliedert ist, uni auf den Formwert eines, sich in Stengelgebilde und Blätter sondernden, Sprosses Anspruch erheben zu können; ihr Laubkörper breitet sich meist flächenförmig, lappenartig aus, und sendet bloße Sang sä den in die Unterlage, auf der sie wachsen. Nur an stets feuchten Stellen können sie gedeihen. Es giebt aber unter ihnen eine Anzahl, die man stets außen an Baumstämmen findet. Dann schmiegt sich ihr Körper der Rinde dicht an; die Risse der Borke müssen Halt, und das Rieselwasser, das bei Regen herabrinnt, muß Feuchtigkeit und Nahrungssalze liefern. Zum Auffangen des kostbaren Nasses, und zum Ausspeichern desselben für schlechtere, trockene Zeiten, hat eine Art ans ihrer Unterseite eigene, kappenförmige Vertiefungen ausgebildet, die als winzige Sammelbecken dienen. In diesen findet man nun stets Rädertierchen.
.Die Rädertierchen sind glashelle, kleine, trotz ihrer Kleinheit aber nicht mehr auf der niedrigsten leiblichen Gliedernngsstufe stehende Wesen, welche sich durch ein sogenanntes Wimper-Rad werk auszeichnen und die man als den Würmern zunüchststehend betrachtet. Sie werden etwa höchstens einen halben Millimeter lang und nähren sich von noch kleineren Vertretern des tierischen Lebens: von Aufgußtierchen, Kleinalgen, Keimzellen, Blütenstaubkörnern und dergleichen mehr; alles derartige wird ihnen mit dem Anflugsstanbe der Luft, der sich an der Baumrinde festsetzt und mit dem Regenwasfer herabgewaschen wird, zugeführt. Auffallend sind die hohen Grade der Austrocknung, die sie ertragen tonnen, ohne Schaden zn nehmen; ihr Leben steht dann still, gleichwie sich die lebendige Kraft eines fallenden Steines in Ge wicht verwandelt, sobald eine feste Unterlage das Weiterfallen verhindert; aber es erwacht wieder, wenn sie Feuchtigkeit finden, und sei es nach Jahren; ähnlich dem der Flechten. Haben sich nun solche Rädertierchen in den Wasserkappen der rindeubewohnenden Lebermoose angesiedelt, so finden sie dort stets einen gedeckten Tisch: sie leben, pflanzen sich fort, und sterben. So lange sie leben, erfüllen sie das Wasser zum Teile mit ihren flüssigen Ausscheidungen; ist ihre Zeit um, so verwest und verflüssigt ihr ganzer Körper. Das Ergebnis ist in allen Fällen ein stickstoffhaltiger Dünger, welcher der Herberggewährenden Pflanze zu gute kommt, und zu ihrem Gedeihen wesentlich beitrügt.
(Schluß folgt.)
Gis Hsnftrms Schriften.
Von
In W.
(^^ie Leser dieses Blattes haben früher als die meisten an- dern deutschen Leser den fremdartigen Namen Ola Hansson kennen gelernt; gleich in den ersten Nummern dieser Zeitschrift erschienen einige seiner „Gedichte in Prosa," und hatten bei den vielen schriftstellernden und den welligen übrigen Menschen gleiches Glück. Das erste Zeichen des Erfolges war, daß die Redaktion allerlei Anfragen über die Persönlichkeit des Dichters zu beantworten hatte. Wir wußten aber selbst nicht mehr, als daß Ola Hansson ein junger Mann sei, ein Mann