Heft 
(1889) 48
Seite
775
Einzelbild herunterladen

Deutschland.

Seite 775.

^ 48.

im französischen Recht," und sie verteidigte die These mit vieler Würde, Gelehrsamkeit und Scharfsinn.

Man kann darüber streiten, ob, wenn eine Frau sich ans Liebhaberei einem Studium widmet, gerade die Mathematik und die Jurisprudenz die geeigneten Gebiete sind. Indessen haben wir an den Beispielen der englischen und der rumänischen Dame gelernt, daß selbst die abstraktesten Gebiete von den Frauen mit Erfolg betreten werden können. Man kennt junge Mädchen, die eine sehr gute Suppe zu machen verstehen und dennoch ihre Fähigkeiten zu Verrichtungen höherer Art als Näharbeiten verwenden können. Vielleicht entdeckt man eines Tages, daß die wachsende Zahl gebildeter Damen und selbst weiblicher Doktoren die hingebenden Gattinnen und aufmerk­samen Mütter nicht vermindert.

Weibliche Pedanten und Zwittertrüger, die bei jedem Wort ihren braven Gatten korrigieren, sind gewiß keine angenehme Erscheinung. Eine Frau, die an Stelle des Herzens einen Kodex oder ein Lehrbuch im Busen trügt, die an Stelle des reizenden Geplauders Gesetzesparagraphen oder mathematische Formeln von sich giebt, ist ohne Zweifel keine ideale Lebens­gefährtin. Aber das ist mehr oder weniger Karikatur, Possen­requisit. Warum sollte ein bißchen Wissen gerade der Frau notwendig ihren Reiz nehmen? Ebenso gut könnte man von uns behaupten, es sei unmöglich, daß wir gelehrte Leute und gute Kameraden zugleich sind. Gewiß, es kommt vor, daß ein gelehrtes Haus ein unausstehlicher Pedant ist und daß ein gelehrtes Frauenzimmer ein abscheulicher Blaustrumpf ist; aber wenn man verallgemeinert, wird man ungerecht, bei Männern wie bei Frauen.

Im übrigen mögen sich diejenigen Männer beruhigen, welchen ein bißchen Klugheit beim Weibe fatal ist. Es werden immer genug Frauen übrig bleiben, die viel mehr Wert darauf legen zu gefallen als zu wissen.

Fräulein Bileescn hat in der Wahl ihres Themas einen guten Geschmack verraten, was man von den männlichen Dok­toranden nicht immer behaupten kann. Sie hätte ebenso gut irgend eine brennende, sensationelle oder dunkle Frage der Rechts­wissenschaft behandeln können und dabei bewiesen, daß nicht nur die Männer allein im stände sind, weise zu salbadern. Wie nahe Hütte ihr die famose Frage der Frauenrechte und der Emanzipation gelegen! Aber sie wühlte ganz einfach die rechtliche Lage der Mutter zum Gegenstände ihrer Dissertation und hat damit zugleich ihr Doktorat vor schlechten Witzen be­wahrt und gezeigt, unter welchen Umstünden die höhere Geistes- thätigkeit der Frau unsere Sympathie gewinnt.

Dazu ist vor allem eines nötig: daß sich die Frauen innerhalb ihrer eigenen Domäne halten. Möglich, daß diese Domäne sich mit der Zeit erweitert; heute ist sie noch ziemlich enge. Eine Frau, die für ihr Geschlecht den Militärdienst be­ansprucht, weil eine Jungfrau von Orleans die Engländer und eine Johanna Prohaska die Franzosen geschlagen hat, oder eine Frau, die die Wählbarkeit und das Wahlrecht reklamiert, macht sich lächerlich, wie neulich z. V. die Frauen von Edgerton in Nordamerika sich lächerlich gemacht haben. Aber eine Frau, die aus guten und ernsthaften Gründen die Verbesserung der gesetzlichen Lage der Mutter und Gattin verlangt; eine Frau, die ihr Wissen, ihre Geduld, ihre Nachsicht in den Dienst der Erziehung stellt, sind treffliche und hochachtungswürdige Er­scheinungen.

Wir werden für eine Ärztin, die Beine und Arme ampu­tiert und allerlei Krankheiten behandelt, wenig Sympathie em­pfinden; aber wir werden sie verehren und segnen, wenn sie ihr medizinisches Wissen, ihre milde und leichte Hand, ihre feine und stille Beobachtung in den Dienst des weiblichen Geschlechts und der Kinder stellt und deren mannigfache Leiden zu lindern versteht.

Ich fasse meine Betrachtung der thatsüchlichen Verhält­nisse in folgendem Satz zusammen: Man gestatte den Frauen mit genügender Vorbildung das medizinische Studium; man lasse sie zu den staatlichen Prüfungen zu und gewähre ihnen

die Ausübung der ärztlichen Praxis; man beschränke sie in ihrem Wirken jedoch auf Frauen- und Kinderkrankheiten. So erfüllt man ein Gebot der Zeit und der Gerechtigkeit, ohne die Grenzen einer maßvollen Neuerung zu überschreiten. Die Probe ist in allen Ländern rings um uns her gemacht und man hat sich noch nirgends ernsthaft beklagt. Vielleicht wird mancher Gegner stutzig, wenn er erführt, welches die beiden einzigen Länder Europas sind, in denen das medizinische Franen- studium untersagt ist. Diese beiden Länder sind Deutschland und die Türkei.

Dagoberts Traum.

Eine Skizze

von

M n n cr Z3 o ek.

Ich habe keine Illusionen mehr! Mit allem, was man darunter versteht, habe ich abgeschlossen! Einst hatte ich welche! Ich habe geliebt ich habe geglaubt ich habe geträumt ich habe gehofft! Aber der Strudel des Lebens riß mich mit sich fort. Ich lebte rasch, zu rasch vielleicht und fast bevor ich mir dessen noch bewußt war, hatte ich einen förm­lichen Ekel vor diesem schalen Ding, das man Leben nennt! Hinter allem fand ich nichts! Und ich sehnte mich nur nach einem; ich strebte nur nach einem: nach Klarheit nach Wahr­heit! Was nützt mir Liebe, Glaube, Hoffnung, Sehnsucht? sprach ich zu mir selber. Entkleide sie des dünnen, rosenfar- benen Gewands der Illusion, und dann siehe, wieviel Dir davon noch übrig bleibt! Und ich bat ich flehte:Nimm mir alles alles," sprach ich zu Gott.Jede Illusion, die den anderen Menschen das Leben wert macht und laß mich dafür die Wahrheit sehen die nackte Wahrheit!" So flehte ich; und im Traume erschien mir eine schöne, gütige Fee, welche mich vor meinem allzuvermessenen Wunsche warnte.

Das Leben," sprach sie,ist so beschaffen, daß es Dir nach und nach von selbst, ohne daß Du darum zu bitten brauchst, jede Illusion benimmt. Aber langsam und allmäh­lich soll das geschehen, damit sich Dein menschliches Auge mit der Zeit an die erschreckend gewaltige, nackte Gestalt der Wahr­heit gewöhnt."

Aber warum?" fragte ich ungeduldig,ist sie denn so abschreckend häßlich, die Wahrheit?"

Keineswegs," entgegnete die Fee.Jedoch ist das mensch­liche Auge zu schwach, um die sengenden Strahlen, die von ihrer Gestalt ausgehen, ertragen zu können das mensch­liche Herz zu weich, um über ihren trostlosen und doch so er­greifenden Anblick nicht zu brechen. Behalte Du die rosenfar- benen Schleier der Illusionen vor den Augen, welche Deinen Jahren angemessen sind, und strecke die Hand nicht aus nach zu Hohem, nach etwas, das nur auf einem fürchterlichen Wege zu erreichen ist."

Auf einem fürchterlichen Wege?" rief ich ans.O zeige ihn mir. Ich habe keine Furcht."

Du wirst sie bekommen, wenn es zu spät ist-"

Nie, niemals!"