Heft 
(1889) 51
Seite
815
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51.

Deutschland.

Seite 815.

Gedanken aus, der ihn auf dem ganzen Wege beherrscht hatte:

Wie hoch belaufen sich Ihre Ersparnisse, Fräulein Do­rothea?"

Sind Sie aber neugierig, Herr Steiuert."

Na da wir uns doch heiraten!"

Ja, aber mein Geld behalt' ich für mich."

Bei den Wortenmein Geld" zog Dorothea den Mund so breit, als ob sie ihrenSchatz" in der Kehle hätte und ihn hinunterschlucken wollte.

Na ja, aber ich muß doch wissen, wie viel es ist," sagte Hermann dringlich.

So ungefähr 8000 Mark," würgte Dorothea hervor, und neigte ihren dicken Kopf nach der anderen Schulter hin, einen ungeschickten Versuch machend, schelmisch zu erscheinen.

Und haben Sie Erben, Fräulein Dorothea?"

Aber, Herr Steinert! Was denken Sie denn von mir nein, so was! Sie sind ein unverschämter Mensch, Herr Steinert!"

Und sie wurde ganz beleidigte Vestalin.

Nein, nein, ich meinte ja bloß, Sie könnten doch Ver­wandte haben, die im Fall . . . ."

Na ja, ich Hab' eine Schwester, aber die ist verhei­ratet . . . ."

Wissen Sie, liebe Dorothea, es ist doch besser, wir machen Gütergemeinschaft, wenn nicht mit 'm Ganzen, aber doch mit fünf- oder sechstausend Mark."

Wieso denn? Warum? Sehen Sie bloß, wie Sie sind." Und ihre runden Augen rollten böse in ihrem Voll­mondsgesicht.

Ja, wissen Sie, wenn Sie sterben, und wir haben keine Kinder das ist doch nicht sicher dann krieg' ich nichts. . . Überlegen Sie doch! Warum Heirat' ich denn? Ich bring' doch zu, was ich verdiene, da könnten Sie doch auch . . .

Ich dank schön! Nein, Herr Steinert, so dumm bin ich nicht. Nachher, wenn schlechte Zeiten kommen und Schmal­hans Küchenmeister ist dann ist mein schönes Geld futsch ... nein, das thu' ich nicht . . . nein, nein!"

Aber liebe, einzige Dorothea!"

Haben Sie sich nicht so, Herr Steinert, das nützt doch zu nichts."

Ich dachte aber doch, ich wollt' mich mit Ihrem Zuge­brachten selbständig machen. Ein eig'nes Geschäft, seh'n Sie mal . . . das ist doch ganz was anderes . . . auch für Sie! . . . Wenn Sie Frau Priuzipalin sind!"

Was ich nur daraus mache! Und nachher kommt der Gerichtsvollzieher und der Konkurs und alles ist hin. Bleiben Sie man ruhig auf Ihrem schönen Posten. Das ist sicher. Dem Brodhun in der Schwerinstraße ist es auch so gegangen. Und nun sitzt seine Frau da mit zwei Kleinen."

Aber was Hab' ich denn davon?" kreischte der kleine Mann. Seine Stimme wurde weinerlich.Was Hab' ich denn von der ganzen Heirat?"

Dorothea schwieg einen Augenblick, dann sagte sie:

Eine so gute Partie sind Sie gar nicht. Ein Kind haben Sie auch . . . und das kostet doch ... ich wünsch' ihm ja alles Gute, aber ... es ist nu doch mal da."

Wenn ich meinen Jungen nicht hätt' . . . dann hält' ich mir eine Jüngere ausgesucht."

So? Na, aber ich bin für Sie doch immer noch eine gute Partie."

Gott, ja . . . ja!" Und er rückte ärgerlich mit dem Kinn in die Höhe.

Na, und glauben Sie," sagte Dorothea, phlegmatisch die Worte ziehend,ich hätt' mir einen Witmann genommen, wenn er nicht den Lebensunterhalt verdienen thät'?"

Ich soll also alles allein verdienen," entgegnete Hermann gereizt,das wür' schön! Nein, Sie müssen auch was in die Wirtschaft geben."

Nein! Ich behalt' lieber mein Geld als Notgroschen. Wenn nachher nichts im Haus ist soll ich dann hungern? Sie ... na ja . . . Sie sind 'n Mann . . . Sie sehen, wo Sie bleiben . . . Aber ich armes Weib, was thu ich dann?"

Sie können ja wieder in Stellung gehen, wenn Not am Mann ist."

So? Ich dank' schön! Das bin ich nu satt . . . Und wenn ich dann vielleicht noch" und dabei senkte sie ihre Augen verschämt in den Schooßein Kind haben sollt' . . . das wär' erst 'ne rechte Plag' . . . wer kümmert sich dann um das Wurm, wenn ich fort, bei fremden Leuten sein muß? Nein, nein!"

Die Sonne war tiefer herabgesunken, sie berührte schon den Rand des Dunstkreises am abendlichen Horizont, den sie in ein glühendes Rot tauchte. Ihre schrägen Strahlen über­gossen den Rasen mit dem anheimelnden matteren Licht, das sich williger dem Grün vermählt, als die grelle Tagessonne. Die Vegetation, befreit von dem schwülen Druck des unge­wöhnlich warmen Maitages, atmete tief und freudig auf, ihr Duft erhob sich in Wolken über die Pfade. Der Gesang der Vögel wurde leiser, die Luft würziger und erfrischender. Es schien etwas in ihr zu schwimmen, das man wie ein stilles starkes Glücksgefühl einsog. Aber die eisigen Herzen der beiden zankenden Menschen blieben unberührt von dem Zauber des Frühlingsabends. Er verfolgte habgierig seine Idee, sich des Geldes seiner Verlobten zu beinächtigen. Sie widerstand hart­näckig und gereizt. Dann rief plötzlich Hermann in lyrischer Verzweiflung:

Fräulein Dorothea, Sie lieben mich nicht."

Sie antwortete im grollenden Ton:

Ich werfe mich keinem Mann an den Hals."

Hermann schwieg. Dann kam ihm eine Idee.

Na, so versprechen Sie mir wenigstens, daß Sie am Hochzeitstage ein Testament zu meiner: Gunsten machen. Wenn Sie sterben, dann Hab' ich das Nachsehen. Ihre Schwester sackt sich das Geld hübsch ein."

Sie können einem wirklich graulich machen, Herr Stei­nert. Wer denkt denn an so was? Das ist ja gottlos."

Und nun klammerte er sich an die Idee mit dem Testa­ment wie an die letzte Rettungsplanke.

Es wurde sieben Uhr. Hermann lud seine Erkorne ein, nach den Zelten zu gehen und zusoupieren." Er dachte, nach einem Wiener Schnitzel und einem Glas Echten würde sie weicher werden. Er stürzte sich sogar in die Unkosten einer Portion Himbeereis für Dorothea, die für so wasihr halbes Leben" ließ.