unterschieden haben; dafür spricht die Ähnlichkeit des zitierten Dramenmaterials. In beiden Fällen dienen Theatermotive der Figurencharakterisierung, der Orts- und Situationsschilderung, der Perspektivierung und Bewertung des Erzählten durch die Figuren oder den Erzähler. Freilich fehlt der trivialen Erzählprosa dabei das für Fontane so typische Moment der Ironie oder der Satire — ein Hinwis darauf, daß Ironie, als nur einer begrenzten Anzahl von Eingeweihten zugängliche Form der Verständigung, von Massenliteratur nur in Ausnahmefällen eingesetzt wird. Während in „Schach von Wuthenow" oder den „Poggenpuhls" die Analogie- bzw. Kontrastbeziehungen zwischen Dramen- und Romanfabel dominieren, ist den untersuchten Trivialromanen der am Lebenslauf eines Bühnenkünstlers thematisierte Konflikt zwischen bürgerlichem Anstand und künstlerischer Verderbtheit zentral. Negativ verbucht werden dabei der Drang nach Freiheit, lokaler und familialer Unabhängigkeit, der Hang zu Wohlleben und süßem Nichtstun, Allüren, Eitelkeit und Oberflächlichkeit 20 ; diesen steht der Tugendkanon innerer Schönheit, Sauberkeit, Treue, Bescheidenheit und Beständigkeit gegenüber. Damit rücken die Schauspielerfiguren Fontanes, vor allem jedoch die in „Graf Petöfy" abgehandelte Problematik in den Vordergrund. Die naiven Liebhaberinnen und Bonvivants Fontanes unterliegen denselben ökonomischen Zwängen wie ihre realen Pendants, entwickeln im Zusammenhang mit inferiorem Sozialstatus und geringer gesellschaftlicher Akzeptanz Verhaltensweisen, welche der offiziellen Moral zwar zuwiderlaufen, aus dieser jedoch erst hervorgegangen sind. Der Doppel- bödigkeit von moralischer Ächtung und heimlicher Liebäugelei sind, wiewohl getarnt durch Ironie, die Vitzewitz, Petöfy, Sarastro, Papageno und Poggenpuhls ebenso verhaftet wie der Erzähler. Auch in der „Gartenlaube" erfolgt das Verdikt über den Schauspieler durch die Figuren. Deren Sympathie gehört jenen Schauspielern und Sängern, welche sich, unbeschadet eines realitätsfernen Kunstideals, von der Sphäre des unsteten Theaterlebens ab- und der Gründung einer Kleinfamilie zuwenden.3 0 Verweigert der Schauspieler die geforderten Gewissensbisse ob seiner anrüchigen Tätigkeit, so verwirkt er das ohnehin gering veranschlagte Maß an Gesellschaftsfähigkeit. Die Bedrohung, die von ihm ausgeht, liegt in der sündigen Faszination begründet, welche ihm die Aura des Künstlerischen und der Ungebundenheit verleiht. Die Verführung durch das Exotische bedeutet für die bürgerlichen Protagonisten der „Gartenlaube" Elend, Krankheit, oft auch Tod, denn Freiheit kann nur als Vagabon- dage, außereheliche Liebe nur als Hurerei diffamiert werden. 31 Die Gestalt der Zenobia in „Grete Minde" ist in diesem Umkreis zu sehen, selbst Franziska Franz nährt, aller Nüchternheit und Bescheidenheit zum Trotz, in Petöfy die Hoffnung auf ein bislang ungelebtes heiteres, leichtes Dasein und treibt ihn, freilich ohne dies zu wollen, in den Tod. Der Frauengenießer Rybinski schließlich kostet zwar niemandem das Leben, als „Gefahr", wie Mathilde es empfindet, „die über kurz oder lang beseitigt werden" müsse (VI 261), der karrierebewußten Kleinbürgerin Zeit und Mühen. Fontanes Psychographie des Schauspielers, wiewohl Ausdruck eines durchaus traditionellen Verständnisses von Theater und Schauspiel, mindert die Macht des moralischen Imperativs, der in den Romanen der „Gartenlaube" eine uneingeschränkte Herrschaft behauptet. Der Dämon Theater, welcher die ihm Ergebenen in den Abgrund stürzt, erlangt bei Fontane den Status einer zwar nicht gerade
83