Heft 
(1988) 45
Seite
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reputierlichen, aber auch nicht skandalösen Liebhaberei; die ertragreiche Ver­bindung von Sexualität und Ökonomie in einemGartenlaube"-Roman Adolf Wilbrandts noch gleichbedeutend mit moralischer Indolenz' 12 , wird im Falle Wandas und Phemis zum liebenswerten, weil ironisierten Defekt.

So stellt sich das Verhältnis zwischen der Theatermotivik in der Trivialliteratur des späten 19. Jahrhunderts und in der Erzählprosa Fontanes als Nebenein­ander von Identität und Alterität dar. Derselbe Stoff innerliterarische Rezep­tion renommierter, zumeist klassischer Dramatik, das Theater als Ort von Freizeit und Bildung, der Schauspieler als Künstler, Schmarotzer und Opfer der Gesellschaft erfährt eine unterschiedliche epische Ausgestaltung der Art, daß die Autoren derGartenlaube" einfach, eindeutig und ohne rhetorische Ornamentalik schildern, während Fontane ein breites Spektrum erzähltech­nischer Finessen mit dem Ziel von Uneindeutigkeit und Relativität des Geschil­derten entfaltet. Der Bezugspunkt Realität bleibt gleichwohl unbestritten. Als notwendige Bedingung für die Utopie des Trivialen und die Immanenz realistischer Poetik ist sie in beidem in reichem Maße zu finden. Sie verliert mit der Aktualität ein gut Teil ihrer poetischen Relevanz zugunsten histo­rischen und historiographischen Gewichts.

Anmerkungen

1 Vgl. dazu das in meiner Dissertation .Theater-Leben: Studien zur historischen Relevanz von Theater und Schauspiel in der Erzählprosa Fontanes* (1984) sowie bei Bettina Plett, .Die Kunst der Allusion: Formen literarischer Anspielungen in den Romanen Theodor Fontanes" (1986), S. 329466, präsentierte Datenmaterial.

2 Ehrhard Bahr, .Fontanes Verhältnis zu den Klassikern", Pacific coast philology, 11 (1976), 1522. hier 16. Erscheinungsjahr von .Frau Jenny Treibel*: 1892.

3 Dieses Ergebnis von erst kürzlich durchgeführten statistischen Berechnungen revidiert sowohl die in der ungedruckten Fassung meiner Dissertation formulierte Hypothese, wonach zwar die absolute Zahl der Theatermotive im Alterswerk zunehme, deren unterschiedliche Dichte jedoch keineswegs den Schluß einer eindeutigen Tendenz erlaube (vgl. Kampei, S. 15), als auch B. Pletts, S. 319, geäußerte Vermutung, daß keinerlei Beziehung zwischen Entstehungszeitraum bzw. Erscheinungsjahr der Romane und der Häufigkeit literarischer Anspielungen bestehe. In der gedruckten Version (B. Müller-Kampel, .Theater-Leben: Theater und Schauspieler in der Erzähtprosa Fontanes" im Druck) gehen Darstellung und Analyse vom korrigierten Befund aus.

4 Band- und Seitenzahl im Text beziehen sich in der Folge auf die von Edgar Groß u. a. besorgte Gesamtausgabe der Werke Fontanes (1959ff.).

5 Interpretationen und Analysen dieser hier nach dem Prinzip der Repräsentativität aus- gewählten Episoden finden sich etwa bei Walter Müller-Seidel,Theodor Fontane: Soziale Romankunst in Deutschland" (1975), S. 412426; Gunter H. Hcrtling,Theodor Fontanes .Stine': Eine entzauberte .Zauberflöte'? Zum Humanitätsgedanken am Ausgang zweier Jahr­hunderte' (1982), Europäische Hochschulschriften, Reihe I, Deutsche Sprache und Literatur, 451; Gerhard Kaiser,Schach von Wuthenow oder die Weihe der Kraft", Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft, 22 (1978), 474495, Frances M. Subiotto,Aspects of the theatre in Fon- tanes novels", Forum of Modern Languages Studies 6 (1970), 149168; Kampel, 1625, 2837, 4252, 6285; Plett, 238246, 286308; Lieselotte Voss, .Literarische Präfiguration dargestellter Wirklichkeit bei Fontane: Zur Zitatstruktur seines Romanwerks* (1985), 177192, 226232.

6 Vgl. dazu erstmals Hans-Heinrich Reuter,Fontane" (1968), S. 440,

7 Diese Spannung zwischen Assimilation und Dissimilation ist nach Herman Meyer,Das Zitat in der Erzählkunst: Zur Geschichte und Poetik des europäischen Romans" (1961), 12, generell dem Zitat inhärent; unabhängig von seinem Genre verbinde es sicheng mit seiner neuen Umgebung, aber zugleich hebt es sich von ihr ab und läßt so eine andere Welt in die eigene Welt des Romans hineinleuchten'.

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