Lothar Sommer (Berlin)
Vor 60 Jahren: „Fontane-Abend / Berlin" gegründet
Die Erinnerung an die am 14. November 1927 in Berlin auf Anregung des Verlagsbuchhändlers S. Martin Fraenkel und Dr. Eugen Pinner erfolgte Gründung des Fontane-Abends kann sich mitnichten in einer lapidaren Feststellung erschöpfen. Wenn wir jedoch heute und hier einen nur kurz zu bemes- senden Rückblick in die Vergangenheit wagen, so vermögen wir wohl wichtige historische Konturen und einzelne verdienstvolle Persönlichkeiten zu erfassen, hingegen nur ein unvollständiges Bild vom Wirken der bibliophil organisierten Fontane-Liebhaber wahrzunehmen. Es ist später zu ergänzen. Bücherfreunde und Büchersammler hatten seit eh und je das begreifliche Bedürfnis nach Umgang mit Gleichgesinnten. Im Vergleich zu anderen Ländern fanden sich in Deutschland die Bücherfreunde aber erst spät zu Vereinigungen zusammen. Die erste bibliophile Organisation, die „Gesellschaft der Bibliophilen" wurde am 1. Januar 1899 in Weimar gegründet. Nach ihrem Vorbild entstanden in der Folgezeit zwar etliche Tochtergesellschaften, dennoch verwundert es schon, dal) sich in Berlin ein zunächst kleiner Kreis von 16 interessierten Verehrern des märkischen Dichters in einem bibliophilen Verein zusammenschlofj. Als Ziele und Aufgaben wurden formuliert: „Der Fontane-Abend will in zwangloser Unterhaltung die literarischen und kulturellen Strömungen Berlins, von der Zeit Friedrichs des Großen ab bis zur Jetztzeit, unter besonderer Berücksichtigung Fontanes und seiner Epoche, erörtern und erforschen. Diesem Zweck sollen auch Veröffentlichungen dienen." (aus der Satzung des „Fontane-Abends" v. 24. 1. 1933, §1; zitiert nach: Deutsche Bibliophile in drei Jahrzehnten. Veröffentlicht von der Gesellschaft der Freunde der Deutschen Bücherei, Leipzig 1931, S. 227.). Zu dem verschworenen Liebhaberkreis, dessen Mitgliederzahl auf 40 begrenzt wurde, gehörten u. a. der Begründer und Herausgeber der „Zeitschrift für Bücherfreunde" Fedor von Zobeltitz, der Direktor der Universitätsbibliothek Dr. Rudolf Hoecker, der Fontane-Biograph Dr. Mario Krammer, der Fontane-Sammler Paul Emden, die Professoren Max Belowsky und Julius Petersen, der bekannte Bibliophile Dr. Abraham Horodisch, die Gebrüder Reinhold und Erich Scholem, der Patensohn Fontanes Hans Sternheim, Heinrich Spiero usw. Friedrich Fontane, der jüngste Sohn des Dichters, war Ehrenmitglied. In der organisierten Bibliophilie Deutschlands stand diese Gesellschaft als einzigartiges Beispiel, denn nur dem Dichter Theodor Fontane wurde ein eigener Verein zugedacht.
Schon von Anbeginn wehte im Vereinsleben ein frischer Wind. Als aber im Jahre 1928 die Berliner Presse fast vollständig den 30. Todestag des Dichters ignorierte, war das Anlaß für die Vereinsmitglieder, sich noch stärker als treue Sachwalter und aktive Verwerter des Fontaneschen Erbes zu betätigen. Abgesehen von den vielen Vorträgen und Veranstaltungen ist die Zahl der Veröffentlichungen des Fontane-Abends und der ihm gewidmeten druckschriftlichen Gaben für die kurze Dauer seines Bestehens beachtlich. Wir wollen uns bewußt einer beispielhaften Aufzählung von Drucken enthalten, um einer späteren Bibliographie nicht vorzugreifen. Hingegen soll nicht unerwähnt
99