Heft 
(1.1.2019) 07
Seite
289
Einzelbild herunterladen

'0imcn

Novelle von A. Müller von Brandenburg.

war es. Im Sonnenschein lagen die Berge mit ihren grünen Bäumen, die Wiesen mit ihren Blumen und das kleine, mit Weinreben umrankte Haus am Eude des Dorfes, da, wo die Straße ins Gebirge hinaufzusteigen beginnt, und in der großen Linde vor dem Hause sang ein Buchsink so lustig und vergnügt, als ob es in der ganzen weiten Welt nur eitel Lust und Freude gäbe. Auf diesen Gedanken mußte freilich auch Jedermann kommen, der den jungen Wanderer von stattlicher Figur, braunem Gesicht und eleganter städtischer Tracht sah, der soeben die Straße Her­abstieg und im Gehen ein lustiges Lied halblaut vor sich hinpfiff, um jedoch in dem Augenblick zu verstummen, wo er sich vor dem Häuschen befand, welches er neugierigen Blickes musterte.

Dies ist das Häuschen, die Linde und die alte Bank," sagte er stehen bleibend zu sich selbst, alles wie sonst; behaglich, gemüthlich, zum Träu­men wie geschaffen. Wie das Glück frischer Schul­ferienzeit weht es mich an und macht mir das Herz höher schlagen, und tausend und aber tausend liebe Erinnerungen erwachen im Angesicht der Stätte, wo mir die schönsten Jugendjahre entschwanden." Und von dem Hause fort schweiften seine Blicke nach der anderen Seite, wo die Straße von einem kleinen wohlgepflegten Garten begrenzt wurde. Da öffnete sich geräuschlos die Thür des Häuschens, ein frisches junges Mädchen in halb ländlicher, halb städtischer Tracht, ein Arbeitskörbchen in der Hand,

II. 3 .

Alle Rechte, besonders auch der Dramatisirung borbehalton.

trat heraus und schien im Begriff, sich auf die Bank unter der Linde niederlassen zu wollen, als sie des Fremdlings ansichtig wurde und plötzlich den Schritt hemmte.Wer steht denn da," sagte sie zu sich selber,und schaut sich so neugierig um? Das ist Jesses, das ist er! Endlich! Endlich!" und in demselben Augenblick eilte sie die wenigen Stufen vor der Thür herab, lief auf den jungen Mann in freudiger Erregung zu, als dieser sich umwandte und sie, wie es schien, unangenehm ent­täuscht, Halt machte, indem sie halblaut ausrief: Nein, er ist's nit!"

Nun," lachte der Fremde,wer bin ich denn nicht, und wer sollte ich von rechtswegen sein?"

Die junge Dame erröthete über und über, wäh­rend sie gleichzeitig den anderen schärfer in's Auge faßte, als ob sie sich besinnen müsse, wer denn das wäre, und dann lachte sie hell auf, ergriff die Hände des jungen Mannes und rief:Wahrhaftig, das ist ja der lustige Herr Falk; trotz Bart und kein End' erkenn ich ihn wieder. Grüß Gott, und um alles in der Welt, wo kommt Ihr denn her? Eine Ewigkeit hat man ja von Euch nichts gehört und gesehen. Na, wird der Onkel eine Freud' haben, wenn er heimkommt und Euer ansichtig wird!"

Das soll mir lieb sein," sagte Falk;es thut wohl, wenn man herzlich willkommen geheißen wird in der Heimath, die man seit acht langen Jahren nicht gesehen hat. Ja, Bärbi, so lange ist's gerade

37