Heft 
(1.1.2019) 07
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A. Müller von Brandenburg.

her, daß ich mich in der Welt umhergetrieben habe, in Asien, in Australien, sogar in Angra Pequena und in Kamerun."Aber was habet's denn da angestellt bei den Wilden?" sragte Bärbi neugie­rig;Gottes Wunder, daß sie Euch nicht aufge- sressen haben!"Studien habe ich gemacht," ent- gegnete Falk lustig,als Naturforscher."

O Je, als ob's keine Natur gäbe bei uns daheim!"

Und frische und gesunde, das beweist Ihr mir."

Nun sang' Herr Falk nur nicht gleich mit seinen alten Witzen wieder an. Er bleibt doch eine Weile bei uns? Sein Stüble ist noch immer parat."

Wenn Ihr und der Onkel Bronker mich nicht fortschickt "

Ei, warum nicht gar!"

Und doch bin ich nicht der Rechte. »Er ist's«, hat das Bärbi freudig ausgerufen, und dann ganz traurig: »Er ist's nit«! Wen erwartet Ihr denn?"

Den Conrad," entgegnete Bärbi;er kann jeden Tag kommen, so hat er geschrieben; seit fünf Jahren ist er nicht mehr heimgekommen, und da könnt Ihr doch Wohl denken, daß dem Onkel das Herz schlägt"

Und dem hübschen Bärbi erst recht," ergänzte Falk,aber weshalb ist denn der Conrad volle fünf Jahre nicht ins Vaterhaus gekommen?"

Es ging nicht," sagte das junge Mädchen treu­herzig.Die Zeit brauchte er zum Studiren, denn er soll schrecklich gelehrt geworden sein, und das Kleingeld zur Reise konnte er doch auch nicht vom Baume schütteln. Aber geschrieben hat er jede Woche, und gut und lieb ist er noch, wie immer"

Besonders der kleinen Base," neckte Falk das Mädchen.

Fangt Ihr schon wieder au," nahm sie das Wortgefecht auf.Ich weiß gar nicht, weshalb ich deswegen roth werde. Warum sollte ich meinen leiblichen Vetter denn nicht lieb haben?"

Mit großer Geläufigkeit und ersichtlichem Eifer berichtete Bärbi nun Alles, was sie über den Vetter zu erzählen wußte, wie er seine Studien beendet, wie er Referendar und Assessor geworden, wie er bei seinem letzten Besuche es ihr auf die Seele gebunden, für seinen Vater zn sorgen und ihn wohl zu Pflegen, und wie er hiuzugesügt habe: »Wenn er alt wird und 's Schulmeistern wird ihm zu beschwerlich, und Du bist vom Backfisch zur prächtigen Jungfrau herangewachsen, dann werde ich wohl so weit sein, daß ich für uns alle drei sorgen kann.« Dem Onkel würde das Unterrichten jetzt allerdings schon etwas sauer, sie selbst sei kein Kind mehr, und schon munkle man davon, daß der Conrad bald Landrichter in der Nähe werden würde.

So plauderte die Kleine alle ihre Leiden und Freuden offenherzig aus, und Falk benutzte man­ches ihrer Worte, um einen Scherz, eine harmlose Neckerei daran zu knüpfen, bis Bärbi sich plötzlich erinnerte, daß sie noch alle Hände voll zu thun hatte, denn der Onkel müßte bald zurückkommen, und noch war für das Mittagbrot nicht gesorgt. Aber heute, das versicherte sie, sollte es auch etwas ganzExtras" geben, weil der Onkel einen so lieben Gast hätte, nur müßte sie sich ernstlich ausbedingen, daß er ihr nicht etwa in die Küche folge, sondern er möge sich unter der Linde oder drinnen die Zeit vertreiben, so gut es ihm gelin­gen wollte; und mit einem zierlichen Knix ver­schwand Bärbi in der Thür des Hauses. Falk sah ihr wohlgefällig nach* Ans dem niedlichen Kinde, das er vor acht Jahren zuletzt gesehen hatte, war ein reizendes junges Mädchen geworden, das so heiter und zufrieden in die Welt hineinschaute, in dessen Augen ein Himmel von Unschuld und Un­befangenheit blaute und das so allerliebst zu schwatzen verstand, daß Falk unwillkürlich ausrief:Glück­licher Courad, dem ein solches treues Herz seine erste Liebe entgegenbringt!" Unwillkürlich verglich er sich mit seinem Jugendfreunde. Dieser Conrad war doch ein Glückskind. Seine Studien hatte er glänzend absolvirt, eine feste Stellung war er, wie Bärbi erzählt hatte, im Begriff zu erreichen, eine reizende, jugcndfrische und hübsche Braut war ihm sicher, und er, Doktor Heinrich Falk, er hatte von alledem nichts; er hatte seine Zeit in der Ferne, bei den Wilden verbracht, hatte keine Stellung, kein Vermögen, stand allein da, hatte kein Herz, das für ihn schlug und allerlei wunderliche Gedanken stiegen in ihm auf, Träume beschlichen ihn, deren er sich weder erwehren konnte noch mochte. Da plötzlich störten nahende Schritte ihn auf; er sah empor die Straße herab nahte sich ein Mann mit bleichem, ermüdeten Antlitz, der entweder von der Wanderung angegriffen oder über­haupt kränklich zu sein schien; und im nächsten Augenblick hatte er ihn erkannt.

Conrad!"

Heinrich Falk! Du hier? Und von Dir den ersten Gruß an der Schwelle der Heimath! Das nenne ich ein unverhofftes Glück!" und froh be­wegt schüttelte er dem Jugendfreunde die beiden Hände. Aber sogleich fuhr er, fast krankhaft er­regt, fort:Wo ist mein Vater? Er ist doch nicht leidend?"

Falk beruhigte ihn, indem er ihm mittheilte, daß der alte Mann noch in der Schule sei, daß er selbst ihn noch nicht gesehen und daß Bärbi dabei sei, das Mittagbrot zn bereiten, ihm aber den Eintritt in die Küche strengstens verboten habe, daß er sie jedoch trotzdem sogleich herbeiholen wolle.