Allgemeine Rundschau.
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ebenfalls mit Brillanten zwischen den Blättern verzierten Flächen des Kreuzes sieben selten schöne Rubine zeigen, die dem aufgelötheten gothischen Blattwerk der Schenkel einen ganz besonders schönen farbigen Reiz verleihen und so gefaßt sind, daß sie mit den übrigen Edelsteinen der Vorderseite auch auf der aus reichem gothischen Maaß- nnd Blattwerk gebildeten Rückseite des Kreuzes wahrgenommen werden können. Die Mitte des 1 Centimeter starken und ca. 14 Centimeter hohen Kreuzes wird durch den Kopf des Heilands nach der von Thorwaldsen geschaffenen herrlichen Christusstatue gebildet. Derselbe ist in Feingold aus einem Stück en Imul ralist' getrieben und mit einem Kranz von acht großen Brillanten, sowie von zahlreichen nach den vier Ecken des Kreuzes sich ausbreitenden, von zahlreichen kleineren Brillanten eingefaßten Strahlen umgeben und ein wahres Meisterwerk der Goldschmiedekunst, ein Lob, welches ebenso den am oberen Ende des Kreuzes die mit einem kostbaren von sieben großen Brillanten eingefaßten Rubin verzierte Agraffe tragenden zwei Cherubgestalten gebührt, zwischen deren ausgebreiteten Flügeln die zum Tragen des Pectorales bestimmte schwere goldene Kette angebracht ist und das von den Königlichen Hofjuwelieren Joh. Wagner L Sohn in Berlin gelieferte, dem deutschen Kunstgewerbe zur höchsten Ehre gereichende kostbare Geschenk vervollständigt. 8.
Miscellen.
Der betrogene Pascha. Wirsinden, daß bei manchen in Monogamie lebenden Vögeln das Männchen die Eier ausbrüten hilft, so bei verschiedenen Singvögeln. Allerdings geschieht dies nur täglich wenige Stunden, während das Weibchen inzwischen auch nicht müßig ist, sondern nach Futter ausgeht. Dagegen kümmert sich das iu Vielweiberei lebende Männchen gar nicht um das Ausbrüten und doch läßt sich auch hier die Natur zwingen und man kann selbst den echten Pascha, den Hahn, zum Brüten benützen.
Bekanntlich richten die Chinesen Capauneu ab, Mutterstelle bei jungen Küchlein zu vertreten — diese sollen den Hennen nichts an Sorgfalt nachgeben, sondern ihre Pflegebefohlenen mit seltener Treue hüten, Futter für sie suchen und Nachts die Küchlein unter ihren Flügeln wärmen, wie es die eigene Mutter nicht besser könnte. Die Chinesen richten die Capannen auf die Weise ab, daß sie die Thiere betrunken machen und ihnen, während des Rausches, die Küchlein zugeselleu.
In Frankreich werden häufig Truthähne zum Ausbrüten und Aufziehen von Hühnern verwandt. So ein Pflegevater kann zwanzig bis dreißig Eier ausbrüten, während Frau Henne an der reichlichen Hälfte genug hat. Man gießt dem Truthahn ein Glas feurigen Weins in den Hals und während der sich infolgedessen einstellenden Betäubung rupft mau ihm die Federn von der Brust und setzt ihn auf die auszubrütenden Eier. Wenn das Thier wieder zur Besinnung kommt, findet es sich mit Geduld in sein Schicksal, denn die glatten Eier thun dem durch das Abrupfeu gereizten Körpertheil wohl.
Auch ich versuchte es einmal mit einem gewöhnlichen Haushahn, er lebte in beständigem Streit mit dem zweiten Hofhahn. Zwischen beiden hatten erbitterte Kämpfe stattgefunden, keiner wollte das Feld räumen. Beide beanspruchten den ersten Platz, jeder setzte die Sultanmiene auf. So sing ich mir denn eines Tages Pascha, um endlich einmal Frieden unter dem Hühnervolke zu haben und — drehte ihm den Hals um? — Nicht doch, ich goß ihm ein Spitzglas Branntwein in den Hals. Der Alkohol begann nur zu bald zu wirken, meinem Hahn wurden die Federn von der Brust gerupft und er in den Nistkasten auf zwanzig frischgelegte Hühnereier gesetzt. Als Pascha allmählich
zur Besinnung kam, blieb er ruhig sitzen, er schien seine Hahnennatur ganz vergessen zu haben, ja, er saß besser auf den Eiern als manche Henne. Dieser Pflichteifer dauerte so lange, bis die Küchlein herauskrochen. Als das Picken und Pipsen kein Ende nehmen wollte, schien das Pascha denn doch über den Spaß, er sprang auf, rannte eiligst zum Stall hinaus und auf dem Hofe angelangt, begann er zu krähen, wiederholt, heftig, daß alle Hühner zusammenliefeu und sein Nebenbuhler mit gespreizten Federn auf ihn zugestürzt kam — sollte dieses Krähen Triumph oder Unwillen ausdrücken, wer kann das wissen?! — Genug, Pascha kümmerte sich nicht mehr um die untergeschobenen Kinder, er hätte sie umkommen lassen; wir mußten sie an zwei Glucken vertheilen, die gerade mit Familie gesegnet waren und sich den Zuwachs ganz.ruhig gefallen ließen.
Pascha war wie umgewandelt, gegen mich und das Hausgesinde zeigte er sich mißtrauisch, wo er früher zutraulich, ja dreist gewesen war. Früher hatte er mir oft das Futter aus der Hand gepickt, jetzt lief er jedesmal spornstreichs davon, wenn er mich kommen sah, als fürchte er, ich werde ihm noch einmal ein Betäubungsmittel eingeben. So viel steht fest, hätte Pascha eine Stimme im Reichstage gehabt, er wäre sicher für das Branntweinmonopol gewesen, ja, ich glaube bestimmt, er hätte alle Gegner desselben todtgeschrieen. E. Bruneck.
* Aus den „geheimen und sonderbaren Kriegs-Nachrichten" des Marquis de Feuquiäres erfahren wir manche interessante Nachricht über die damalige Verpflegung der Truppen. Wir sehen, daß Louvois, der geniale Kriegsminister Ludwigs XIV., diesem wichtigen Zweige des Kriegswesens seine ganze Aufmerksamkeit zuwandte und Einrichtungen hatte oder plante, die wir als Erwerbungen der neuesten Zeit anzusehen gewohnt sind. So sehen wir, daß die französische Armee der damaligen Zeit Oefen mit sich führte, um darin im Nothfall Brod zu backen wie unsere Truppen, daß den Soldaten in den beiden ersten Monaten eines Feldzuges täglich vier Loth Reis-Pulver gereicht wurden, ja daß Monsieur de Louvois Vorhabens gewesen ist, nach dem Exempel der orientalischen Völker den Truppen Fleisch-Pulver austheilen zu lassen. Wie aber in selbigen warmen Ländern solches Pulver die Sonne macht und daher in diesen Landes-Gegenden eben dasselbige nicht wohl practiciret werden könnte, so hatte ermeldeter Herr von Louvois große Oefen von Kupfer, die acht Ochsen auf einmal in sich zu fassen im Stande waren, verfertigen, auch wirkliche Proben darinnen machen lassen. Allein dessen Tod hat dieses Vorhaben gehindert, welches, wie ich glaube, dem Dienste überaus zuträglich gewesen wäre. „Dieses Fleisch-Pulver giebet sehr gute Suppen: Wenn zwei Loth davon iu Wasser gesotten werden, so können vier Mann sich genüglich daran satt essen, und ein Pfund frisch Fleisch giebet zwei Loth Pulver." Also Louvois — der Vorgänger Liebig's.
* Ein Mißverständnis; bei der Uebersetzung einer plattdeutschen, in diesem Falle hamburgischen Redensart in's Hochdeutsche ist bei dem bekannten „Flötengehen" passirt: „In de Fleets (Kanäle) gähn", damit bezeichnet^ man früher in Hamburg das Verlorengehen einer Sache, denn den Hamburger Dienstmädchen soll nach alter Ueber- lieferung beim Wäschespülen in den Fleets durch allzulebhafte Unterhaltung manches Stück fortgeschwommen sein, wie ja auch schon Schiller sagt:
„Wenn gute Reden sie begleiten,
Dann stießt die Arbeit munter fort!"
Aus dem: „In de Fleets gähn" hat derselbe Hans Unverstand oder doch einer aus seiner großen Familie „Flötengehen" gemacht, und dabei denke sich 'mal Einer etwas!