Heft 
(1990) 50
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auch wenn er wider das Gute und Schöne zu Felde zog, stets auf seine Seite brachte.. ," 15 . Jene Waffe beabsichtigte er, durch die Potenzierung der Kräfte, die ein Verein gewährleistete, wirkungsvoll öffentlich einzusetzen. Obwohl das 1. Proto­koll der 1. Sitzung formulierte, man wolle «in Berlin eine Gesellschaft /.../ gründen, die alle religiöse, politische, und finanzielle Tendenz ausschließend, sich blos mit humoristisch-literarischen Arbeiten beschäftigen, und eine Satyre auf die unbegrenzte Lobhudelei mancher andre literarischen Gesellschaften abgeben solltee "1 6, genügt man damit eher der preußischen Gesetzgebung, als daß man die wahren Interessen der Zusammenkünfte aussprach. Saphir stand nicht der Sinn nach einem Verein, der die Begegnung zwischen Dichter und Liebhaber der Poesie herbeiführt und der Mit­teilung von neuester in- und ausländischer Literatur gibt. Diesen Zweck wie das Verbot, eigene poetische Arbeiten im Kreis vorzutragen, hatte Julius Eduard Hitzig wenige Jahre zuvor für dieMittwochs-Gesellschaft" formuliert 17 , In SaphirsTunnel" sollte die schöpferische Phantasie der Mitglieder den Ton an­geben, je wilder und witziger, um so besser. Ihre Beiträge standen im Mittelpunkt der gemeinsamen Veranstaltungen. Wo mittwochs mit Hilfe eines europäischen Kor­respondentenringes Weltliteratur im Goetheschen Sinn verbreitet wurde, arrangierte Saphir sonntags lokale, regionale und zum Teil überregionale Tagessatire.

Man produzierte unter Saphirs Anleitung und Schirmherrschaft Texte, die in dessen Berliner Schnellpost" für ein überregionales und in seinemBerliner Courir" für ein eher regionales Publikum veröffentlicht wurden. Zwar kamen auch Späne (= Bei­träge, die imTunnel" vorgetragen und beurteilt wurden) wie der von Emil Jacobi/ Wilhelm Müllerlieber den Werth des Erlernens unserer Muttersprache" 18 zum Vor­trag, dem es umeine eigenthümliche National-Literatur, gestützt auf die Grund­bedingung aller volksthümlichen Bildung, auf die Fortbildung der Muttersprache" ging, doch überwog anderes:Narrenrede",Sonntagsbommeln' oder Texte wie Hamlet der Nachtwandler". 19 Und daneben: eine große Zahl karikierter Selbst­darstellungen. Auch wurde ironisiert, was man selbst praktizierte, so z. B. mit dem Span,Eigen-Lob schmeckt oder: Ich bitte dir, kitzle mir!' Ein Blatt für Selbsthülfe, literarische Einbalsamierung, und gegenseitigem Lobspeicheln" 20 .

Thematisiert wurden nicht selten ausgesprochene Schriftstellerprobleme mit dem literarischen Markt:

Nachdruck! - Vampyr, genährt vom Blut der armen Autoren,

Nur das Schöne verfällt deinem verpestenden Hauch!" 21 Als Gemeinschaft formierte man sich, als Gemeinschaft trat man unter der Rubrik: Aus der Sonntags-Gesellschaft" vor die Leser der Saphirschen Zeitungen - und schrieb damit für ein eigenes Publikum. 32 Saphir beschränkte sich nicht auf diese Mitarbeiterschar und zog weitere, durchaus bekannte Journalisten hinzu: Heinrich Clauren, Harro Harring, Carl Herloßsohn (der zeitweilig auch demTunnel" an­gehörte), Theodor Mundt, Heinrich Stieglitz und auch Amandus Gottfried Müllner. DieSchnellpost", beobachtete Heine,die hier viel gelesen wird, hat mich gar be­sonders neugierig /.../ gemacht. Saphirs Witze amüsieren mich königlich." 23 Mit dieser Zeitung entwarf Saphir ein modernes Blatt. Es zielte auf einen neuen Leser, der sich in den Großstädten entwickelt hatte.Diese .Berliner Schnellpost' soll ein Herzblatt werden für das große Heer der jetzigen Schnell-Leser, /.../ Die Erzäh- lungen und heiteren Beiträge sollen kurz seyn, damit man schnell die geliebte End­station der Geschichte erreicht" 24 . Wie sich Saphir in Wien auf Wien und später in München auf München und deren jeweiliges Publikum konzentrierte, so ließ er in Berlin stets dessen Eigenart gelten, ja förderte imTunnel" dahingehende literarische Äußerungen. 25

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