deutsche wie ausländische Literatur kam zur Beurteilung. Zu den besprochenen Autoren gehörten F. v. Uechteritz, F. A. v. Stägemann, A. Grün. N. Lenau, F. Rückert, Bechstein und Chamissoe .7 0 Nicht selten halfen längere Zitate über gedanklich Lücken hinweg. Beiträge wie der von Siegmund Stern <Collin> „Versuch zu einer Allgemeinen Theorie der Künste" 71 blieben vereinzelt. Scheinbar wegen zurückhaltender und wenig qualitätsgerechter Beteiligung erinnerte F. Streber <Feuerbach> im Dezember 1837 noch einmal mit Nachdruck an die Absicht. Der Verein — d. h. das Publikum, die Leser/Hörerschaft — könne mit Recht verlangen, „daß er durch das Litt.Bl. mit der Zeit schritt halte" und ihm die „neueste — werthvollere oder charakteristische — Thätigkeit in der Litteratur" 72 erläutert werde. Parallel mit dieser mahnenden Erinnerung fixierte Streber eindringlich die unterschiedlichen Standorte von Literatur- und Wochenblatt: Das Literaturblätt sei „ein Erzeugnis der ernsteren Richtung des Vereins u. soll der Repräsentant einer umsichtigen, vorurtheilsfreien Kritik sein, die sich /. ., / nur zur Förderung der Kunst geltend macht, während sich im Wochenblatte mehr der Sinn für Produktion u. eine gemüthliche wissenschaftliche Unterhaltung hervorthut." 73 Mit dieser Funktionsaufteilung lehnten sich die Unternehmungen an die übliche Praxis vergleichbarer öffentlicher Blätter an. Zum Teil trennt die einzelnen Beiträge des Literaturblattes ein erhebliches Qualitäts- befälle. Inkompetenz und -konsequenz in den angelegten Maßstäben und eine unübersehbare Unentschlossenheit bei der Vereinheitlichung der Artikelanlage fallen ins Auge. Man darf, was bei den Urteilen über den „Tunnel" leicht geschieht, nicht Vergessen, daß es in der Überzahl eben Zwanzigjährige waren, die sich der ungewohnten Aufgabe annahmen. Heinrich v. Mühler war 1813, Siegmund Stern 1812 und Schweitzer 1815 geboren worden, um nur die wichtigsten jener Zeit zu nennen, Smidt, Jahrgang 1798, bedeutete die Ausnahme.
Drei Besprechungen verdienen exemplarische Behandlung. Sie stammen alle aus der Feder Schweitzers, der sie 1836 — kurz nach seiner „Tunnel"-Aufnahme — verfaßte, Die erste galt der zweiten Auflage von Anastasius Grüns „Schutt". Der Rezensent lobt abwägend, aber sehr freundlich diese die Vormärzlyrik beeinflussende Dichtung. „Mag auch", schreibt er, „/.../ der Bildreichthum häufig in allzu reicher Üippigkeit ausströmen, so wird man dennoch kaum eine kernigere Weichheit, einen mannhafteren Freiheitssinn, eine klarere Reflexion u. einen schöner gebauten Vers so wunderbar ineinander geschmolzen finden." 74 Auch die beiden anderen Urteile zeugen von angestrebter Einsicht, freilich auch von der Lust, die Schriftsteller zu be- werten, die öffentlidh schon von sich haben reden machen.
"Unter allen Erzeugnissen neuerer Zeit steht obenan ,Hannibal', ein /... / kolossales Werk jenes /... / von allen Schmerzen u. Sehnen der Zeit ergriffenen Dichters /.../ Grabbe." 75 Mit diesen Worten und der Empfehlung, sich an die „Grenzlinien der har- monischen Schönheit" zu halten, prophezeit Streber dem nur noch kurze Zeit leben- den Grabbe eine Zukunft unter den ersten Dichtern.
Zu sprechen kam das Literaturblatt auch auf Gutzkow, den Schriftsteller der „Wally", den als Sittenverderber Verurteilten und Denunzierten. Nicht „Wally", sondern der zum Lesedrama tendierende „Nero" gab den Gegenstand der sich arglos verhaltenden Kritik ab. Anders als Grabbe lasse Gutzkow in seinem Stück „die neue Zeit mit allen ihren Streiten u. Bewegungen abspiegeln." 76 Konkreter wird der Kritiker jedoch nicht, lobt den „haarscharfen Verstand", den Witz und die „geistelnde Persiflage", vermißt aber — sich dabei ganz auf einen apolitischen Kunstdiskurs beschränkend — „die Poesie der Schönheit".
Unter der Hand entwickelten sich so ästhetische Positionen, die auf Tuchfühlung mit den literarischen Vorgängen außerhalb des Vereins beruhten. Die Aktiven im „Tun-
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