Zielte Bemhardi auf „Entfaltung einer- nach auße n gerichteten produktiven und kriti schen Thätigkeit "9 3, bei der auch Nichtmitglieder einbezogen werden könnten, ge mahnte der andere Alt-Tunnelianer Smidt <Bürger> an die Erhöhung der inneren Tätigkeitsmoral des Vereins; sah Stern <Collin> im Verein einen Verteidiger von Kunst und Wissenschaft gegen die Hegemonie des Politischen in der Gegenwart, w arnte Fontane davor, „daß die Zulassung der Politik (überhaupt — R. B.) bei der Divergenz der im Verein vorhandenen Elemente eine Sprengung des Vereins herbei- führen könne." 91 Mehrheiten fanden sich gegen eine Vereinsauflösung und für eine gezielte Werbung neuer Mitglieder. Die 13 Anwesenden beschlossen einen, Ausschuß der die Werbung neuer Mitglieder in die Hand zu nehmen habe. Durch den Revolu- tionsverlauf fühlte man sich im Vereinszweck bestärkt und zeitgemäß.
Zu den Diskussionspunkten, die wieder aufkamen und an die Krise 1828 erinnerten, gehörte der abschreckende (Fontane) oder gemeinschaftsstiftende und -schützende Umgangston. 95
Daß dieser Neubeginn, von dem man eingeschränkt mit Blick auf die 50er Jahre sprechen kann, zu „Tunnel"-Visionen ermutigte, läßt sich verstehen. Auszuschließen ist nicht, daß Ehrenbaums Beschwörung vom „kritischen Richtstuhl Deutschlands" Pate bei Werner Hahns <Cartesius> Vorschlag gestanden hatte, der einen über- regionalen Reorganisationsplan unterbreitete. „Der Plan", referierte Merckel im Pro- tokoll, „geht auf nichts Geringeres aus als die Kunst zu einem deutschen Reichsbun- desstaat zu machen, Berlin zum deutschen ReichskunstVorort, und den Sonntags- Verein zur Reichskunstzentralgewalt.Lepel, mit dem Hahn seit Jahren befreundet und in einem gemeinsamen Kreis tätig war, berichtete Fontane von diesem Projekt: Hahn habe im „Tunnel" den Entwurf „eines großen, durch ganz Deutschland verweigten Schriftstellervereins vorgelesen.l "9 7 Trotz zurückhaltendem Ton räumte Lepe von solchen Ideen möglicherweise weniger berührt als sein Briefpartner - dem .Tunnel" ein, für den Beginn eines solchen Unterfangens einen Halt gewähren zu können.
Der Hahnsche Entwurf ist nicht überliefert. Soweit er sich rekonstruieren läßt, war er darauf angelegt, dem isolierten Vereinsleben ein Ende zu bereiten. Romantische Züge eines Reichs der Poesie scheinen aus der Information über ihn ebenso durch wie moderne Auffassungen einer Schriftstellerorganisation. Das gemeinsame Wirken aller Schriftsteller an der „Restauration der Kunst in Deutschland- "9 8 mit dem „Tun nel" als geistigem und organisatorischem Zentrum sollte der strukturstiftende Grund- gedanke sein. Kunst und Gesellschaft wurden visionär aneinandergeknüpft. Inwieweit bei diesen Überlegungen Organisationen wie der Leipziger Literatenverein eine Rolle spielten, kann nicht ermittelt werden. Dort nahm der am 28. Januar 1842 ge- geründete Verein auch soziale Schriftstellerinteressen wahr, wirkte am Kampf um Pressefreiheit und eine einheitliche gesetzliche Regelung von Urheber- und Verleger- rechten mi- t9 9. Obwohl sich eine Vermittlung nicht belegen läßt, hatte Hahns Vor schlag Brückenkopffunktion, denn wenige Jahre später engagierten sich wesentliche Tunnelianer im Rahmen der Deutschen Schillerstiftung.
Hahn bewegte sich mit dem Vorschlag auf der Höhe des historischen Moments, des- se- n man sich bewußt war, und wollte deren Gunst nutzen, um den Verein in ein um fassendes gesamtgesellschaftliches Kunstkonzept zu integrieren. Die Reaktion des Protokollanten und des „Tunnel" wirft einen Zustand erfassendes Licht auf die Verenigung. Man konnte sich der Faszination dieses „Riesenbaus", „der aus SpezialVereinsquadern sich systematisch bis zur Generalquader auf der Spitze,n mit Name Berlin, erhebt" nicht völlig verschließen, riskierte den Blick und — zog sich in „sein enges heimisches Stübchen, wo Leben und Gegenwart webt und wirkt" zurück: der Bau sei „für den märkischen Sand fast nicht tragbar." 100
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