Heft 
(1990) 50
Seite
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Die Schritte an die literarische Öffentlichkeit erfolgten von nun an entschlossen. Rück­blickend erinnerte sich Fontane an die innere Logik des damaligen Vorgehens, das dann auch kritisch gewertet wird: »Entsinnen Sie sich, daß wir mit Leipzig und Zarncke begannen, dann schloß das ,Literaturblatt' auf, dann kam die ,ARGO' und endlich die ,ARGO' mit Bilderfracht. Das war ein Schritt in die Irre, aber es war ein Schritt, es war Bewegung." 103

Die Gruppe um Kugler zeigte wenig Nachsicht mit der bis zu diesem Zeitpunkt vor­herrschenden, wissenschaftlich kaum geschulten Kritik. Unbehagen breitete sich aus. Vereine tendieren in solchen Situationen zur Spaltung oder zur Umstrukturierung unter Regie der dominanten Gruppierung. In diesem Fall wählte man eine mittlere, nicht weniger übliche Variante. Die Elite, die war es ohne Zweifel, bildete einen eigenen Kreis, ohne sich vom Mutterverein abzukapseln. Kein Statut wurde geändert, kein Bruch vollzogen. Mit demRütli", so der Name, den man sich gab, organisier­ten sich Fontane, Kugler, Eggers und Merckel wie auch der Provinzialschulrat Karl Bormann eine funktionierende Form, um die Produktivität und Wirkungsabsicht, die man verspürte, auf vereinsexterne Verhältnisse auszudehneni- . 1 04 Man begann die Pr vatheit aufzuheben.

Phasenweise, wie Fontane vorführt, verließ der Kreis (der ein Netz von Begegnungs­möglichkeiten knüpfte) den Rahmen, auf den ihn derTunnel" eingeschworen hatte. Die Unternehmungen für sich erhellen in ihrem Ablauf die ihnen zugrunde liegenden Handlungsintentionen. DasLiterarische Centralblatt für Deutschland" hatte Friedrich Zarncke 1850 als Rezensionsorgan ins Leben gerufen. Es hatte seinen Sitz in Leipzig. Anonym erschienen dort Kurzbesprechungen von Fontane, Kugler, Lepel und anderen. Fontane referierte z. B. Christian F. Scherenbergs EposLeuthen" und den von Otto F. Gruppe herausgegebenenDeutschen Musenalmanach", für den auch Tunnelianer geliefert hatten. Gruppe hatte sich direkt an den Verein gewandt mit der Bitte um vaterländische" Beiträge. 105Die Sache", schreibt Fontane mit Blick auf diese Leip­ziger Verbindung an Lepel,ist übrigens gar nicht ohne" 100 . Mit dem belletristischen JahrbuchArgo" setzte der Kreis die Entschlossenheit, nun tatsächlich an die Öffent­lichkeit zu gehen, in die Tat um. Marktorientiert hatte man dem Verleger nach­gegeben und auf das Übergewicht an kritischen und lyrischen Beiträgen verzichtet, um dafür novellistische, zu diesem Zweck verfaßte, Texte aufzunehmen. Bodo Rolika integriert in einer Untersuchung über die Belletristik in der Berliner Presse jener Jahre das Rütli/Tunnel-Projekt in die Medienlandschaft. Er erwähnt denneuerwach­ten Drang, Jahrbücher und Almanache poetischen Zuschnitts herauszugeben". Die Breite dieser Tendenz zeigte sich in dem Umstand,daß nicht nur Karl Gutzkow bei der Herausbildung des neuen Genres führend und endlich auch finanziell erfolgreich war, sondern auch Theodor Fontane, /.../, (trotz Anstellung im Ministerium R. B.) mit seinem Plan der Herausgabe Belletristischer Jahrbücher an den Erfolg solcher Publikationen anzuknüpfen versuchte." 107 Man lag im Trend.

Zeitgenossen wie Gutzkow oder der Rezensent desDeutschen Museums" erkannten in dem ersten Band derArgo" die Absicht zum Zusammengehen der in Berlin leben­den Schriftsteller. Man brachte dieArgo" mit demTunnel" in einen Zusammen­hang und spürte den norddeutschen Zug, der dem Unternehmen mitgegeben wurde, heraus. Auch organisatorisch war der Kreis bemüht, Konzentrationspunkte in Berlin zu schaffen. So holte man beispielsweise dasDeutsche Kunstblatt", das bis 1853 in Leipzig bei Weigel erschien, 1854 nach Berlin und ließ es von Heinrich Schindler verlegen. Man beabsichtigte auch, dieArgo" bei diesem Verleger herauszugeben. Fest steht, daß die kleine, straff arbeitende Runde sich von denArgo"-Plänen viel versprach. 108 Um den im Jahrbuch geübten Verzicht auf Kritiken und Rezensionen auszugleichen, fügte die Gruppe dem von Eggers redigierten Kunstblatt 1854 ein

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