deren Orten stieß die Infanterie mit Kolben und Bayonetten ruhige Spaziergänger nieder, einzelnen Flüchtlingen wurde nachgesetzt, und selbst Offiziere brachten ihnen Säbelhiebe bei. 10 Im Protokollbuch des „Sonntags-Vereins" findet sich nun ein leeres Blatt, offenbar später eingeheftet (und danach folgt so etwas wie ein ,Sammelprotokoll': drei Sitzungen auf einer einzigen Seite; doch davon später).
Am Samstag, dem 18. März, kommt es in Berlin zu „Massenversammlungen vor dem Berliner Schloß". 17 Die Menge — offenbar .vaterländisch' gesinnt wie die „Tunnel"- Mitglieder auch — jubelt dem König wegen der inzwischen eingeräumten Konzessionen zu, sieht sich aber zunehmend durch Militär irritiert, das sich schließlich anschickt, den Schloßplatz zu räumen. 18 Dann sind zwei Schüsse zu hören: „Die Massen stoben auseinander." 19 Unter ihnen auch der Apotheker Jean Auguste Ferdinand Jung, Fontanes Chef. 20
An den nun einsetzenden Barrikadenkämpfen beteiligt sich Fontane offenbar aktiv. 21 In der folgenden Nacht schreibt Friedrich Wilhelm IV. die Proklamation „An meine lieben Berliner!" 22 Am Nachmittag des nächsten Tages verfaßt Fontane — und hier besteht kein Grund, seiner späteren Schilderung zu mißtrauen — einen langen Brief an seinen Vater, den Apotheker Louis Henri Fontane in Letschin. Da es an diesem Tage keine Postverbindung gibt, bringt der Sohn den Brief zum Stettiner Bahnhof und reicht ihn in den Postwagen eines Eisenbahnzuges; als der Brief am nächsten Morgen eintrifft, ist es für Letschin und die Nachbardörfer des Oderbruchs die erste Nachricht von den Ereignissen in Berlin und erregt entsprechendes Aufsehen. 23 Zur gleichen Zeit, da der Apothekergehilfe Fontane dafür sorgt, daß die Meldungen über die Revolution die Provinz erreichen, macht sich der Assessor am Berliner Kammergericht von Merckel auf den Weg, seiner .Pflicht' zu genügen. Denn der 19. März ist ein Sonntag, mithin ist ein „Tunnel"-Protokoll anzufertigen. Hier dessen Wortlaut:
Allgemeine Abwesenheit Sechszehnte Sitzung
Berlin 19. Maerz 1848.
Der Sekretair, trotz Revolution und Bürgerbewaffnung, ging seiner Amtspflicht nach, fand aber das Sitzungslokal verschlossen und, nachdem er, ohne ein Wort zu verlieren, gegen diesen Zustand der Dinge protestirt hatte, zog er sich nach Hause zurück.
Immermann 24
An diesem Nachmittag, da von Merckel beim „Tunnel" nach dem Rechten sieht und Fontane seinem Vater schreibt, kommt es zum „Gipfelpunkt der Revolution", 2 5 über den beide „Tunnel"-Brüder schweigen: Es kommt — so ein Historiker der siebziger Jahre dieses Jahrhunderts — zu „der an Shakespeare gemahnenden Szene, 26 die als Demütigung und Unterwerfung des Königs unter die Revolution aufgefaßt wurde: Friedrich Wilhelm mußte sich vor den in den Schloßhof gebrachten Leichen der gefallenen Revolutionskämpfer verneigen." 27
Zwei Tage später, am Dienstag, dem 21. März, ist Fontanes Vater in Berlin. Vater und Sohn erleben, wie Friedrich Wilhelm IV. durch die Straßen reitet, geschmückt mit schwarz-rot-goldenen Emblemen, also „deutschen", nicht preußischen Farben; 28 und sie erleben, wie er Ansprachen an die „Volksmenge" hält und verspricht, sich an die Spitze Deutschlands stellen zu wollen".21 1
Am Samstag, dem 25. März, fährt der König um 10 Uhr mit einem Extrazug nach Potsdam, um einerseits den Potsdamern zu zeigen, daß er sich frei bewegen kann, andererseits den Berlinern „zu beweisen, daß sie von Potsdam aus keine Reaction zu befürchten haben". 30 Merckel ist ebenfalls nach Potsdam geeilt. Doch während „der