Heft 
(1990) 50
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Man sucht ihn [den Prinzen] vor allem rein zu waschen von dem Vorwurf, am 18. März Befehle gegeben zu haben, und beweist, er habe keine Befehlführung gehabt; das steht allerdings fest, aber eben so fest begründet ist die That- sache, daß er unaufhörlich mitgesprochen, mitbefohlen, angeordnet und be­sonders seine Gesinnungen ausgesprudelt hat; der Auftritt mit Pfuel ist nicht der einzige dieser Art; den Militairdünkel, den Durst nach der Genugthuung, das Volk durch die Soldaten niederwerfen, zusammenhauen zu lassen, die Verachtung des Bürgerthums, den Wunsch, die Obergewalt durch Blutvergießen bestätigt zu sehen, hat er nicht nur in jenen Sturmtagen, sondern wochen- und monatelang vorher immerfort ausgesprochen. 72

Zur 25.Tunnel"-Sitzung am 21. Mai finden sich sechs Mitglieder ein. Merckel liest am Vorabend der konstituierenden Sitzung der Nationalversammlung .einen statu­tenwidrigen Span über die französische Republik vor." Obwohl Werner Hahn <Car- tesius>Schenkendorffs Campagne-Gedicht auf .Schleswigs Ostern', gleichsam das Regimentskind des ,Tunnel's," bei sich hat, kommt es nicht zu einer Verlesung, was den Protokollanten zu dem mit graphemischem Nachdruck unterstrichenen Ausruf O tempora, o mores!" veranlaßt. 73 JederAnsatz zur alten zwanglos heiteren Ge­selligkeit" ist alsoerstickt, so daß der Verein im Sommer und Herbst des Revolu­tionsjahres immer wieder einzugehen" droht 74

Die 26. Sitzung vom 28. Mai besuchen nur fünf Mitglieder. Besonders erwähnt wird, daß Louis Schneider <Campe> fehlt, der sich der Revolutionentrückt" habe, niemand wisse, wohin. 75

Die 27. Sitzung vom 4. Juni bringt dann den bisherigen Tiefststand des Sonntags- Vereins im Jahre 1848:

Sieben u. zwanzigste Sitzung

Berlin 4 Juny 1848.

Büsch

Immermann

Endlich heute war es erreicht, daß nur noch zwey im Jardin Belvedere zusam­mensaßen, einmüthig darüber, wie unerklärlich sey, daß so Wenige es inter­essant fänden, der alten Gewohnheit genugzuthun; daß so Wenige das Bedürf- niß fühlten, die alten Freunde zu suchen und vom Markt der Partheyen auf eine stille Stunde in den verarmten Kreis zu treten.

Immermann 76

Auf demMarkt der Partheyen" tummeln sich an diesem Sonntagmindestens Zwei- drittheile [...] der gesammten berliner Bevölkerung". 77 Denn an diesem Sonntag, dem 4. Juni, kommt es um 3 Uhr zu einemZuge nach dem Friedrichshain [...], um das Gedächtniß der dort Liegenden zu ehren"; 78 Initiator ist einComite der Studen­tenschaft", dem sich derdemokratische, der constitutionelle, der Bürgerwehr- und der Volksclub, wie auch der Verein für Volksrechte" begeistert anschließen. 79 Das Tunnel"-Mitglied Blesson <Camot>, das soebeneinstweilen" dasCommando der Bürgerwehr" übernommen hat, 80 gerät an diesem Tag politisch zwischen die Fron­ten: Einerseits stellt er es in einemTagesbefehl"jedem Bürgerwehrmanne" frei, ohne Waffen daran Theil zu nehmen"; 81 andererseits läßt er jedem Bürgerwehrmajor einen geheimen, versiegelten Brief zukommen, der den Befehl enthält, sichin Bereit Schaft zu halten undbeim ersten Allarm auszurücken". 82

ImTunnel" verdoppelt sich am nächsten Sonntag die Zahl der Anwesenden, was aber auch nichts hilft:

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