Heft 
(1990) 50
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sprachlich mitkonstituiert und damit zum diskursiven Ereignis gemacht hatte: Wäh­renddie anderen Organe mühsam nach Umschreibungen dieser Bezeichnung" ge­sucht hatten, hatten dieersten censurfreien Worte" derBerliner Zeitungshalle" ge­lautet:Revolution in Berlin. 110

Mit einer Extra-Beilage sorgt G. Julius, der Redakteur des Blattes, dann am Donners­tag, dem 23. März, für Aufsehen, indem er diejenige Institution attackiert, auf die Merckel baut: gegen die Soldaten,die das tödtliche Blei auf unsere um Freiheit klopfende Brust gerichtet, die wüthend und mordend in unsere Häuser gedrungen", könne es keinen Haß geben, dajene armen Bauern, die wie eine Meute Hunde, nacheem [!] sie Tage lang gereizt und gehetzt waren, gegen uns losgelassen wurden", nurWerkzeug" gewesen seien; Haß aber müsse es gegen dasSoldatenthum" ge­ben. 111 Im übrigen meint Julius, es seider Bruch zwischen der Bürgerklasse und Arbeiterklasse schon vollendet", und deswegen zögen sich die Bürger von der Revo­lution zurück; doch das sei der falsche Weg; es komme darauf an,vorwärts" zu gehen, und zwar unter der Führung eines Königs, dermit der bisherigen Denkweise, mit dem bisherigen Systeme ganz und ernst" brechen und ein Ministeriumfür die Untersuchung und Regelung der Arbeitsverhältnisse" einsetzen müsse. 112

Daraufhin werden in der Redaktion u. a. Deputationen der Bürgerwehr, der Studen­tenwehr, Minister Graf Schwerin und der Fabrikbesitzer Borsig vorstellig, um Erkun­digungen über die Meinung des Redakteurs einzuziehen; während die Kaufmann­schaft auf der Börse den Boykott des Blattes beschließt, erscheinen in Julius' Woh­nungMeister mit ihren Gesellen, umihr einträchtiges Leben" zu demonstrie­ren .. , 113 In derSpenerschen Zeitung" schließlich mahnt ein Herr Zeller den Redak­teur Julius, er solle nicht vergessen,daß fast an allen Straßenecken politisirende Frauen stehen, welche den unschuldigsten Worten, die sie von Vorbeigehenden hören, häufig eine ganz entgegengesetzte Deutung geben, als sie wirklich haben." 114

Ende März hatte dann dieBerliner Zeitungshalle" die Berliner Theaterintendantur wegen ihres apolitischen Spielplans kritisiert und Aufführungen von SchillersFiesco" und GoethesGötz" gefordert. Während Blätter des alten Systems ihr Erscheinen ein­stellen müssen derRheinische Beobachter" erklärt sich fürbesiegt", 115Janus" tritt vor denganz neuen Verhältnissen [...) zurück" 116, hatte sich dieBerliner Zeitungshalle" vor Zuschriften kaum retten können: Anfang April hatte das Blattin den letzten Tagen allein zwischen 60 bis 70 größere Aufsätze erhalten", 117 hatte aber dennoch mit Finanzierungsproblemen zu kämpfen. 118

In diesem Blatt also dem Publikationsorgan desZentralausschusses der deutschen Demokraten",n 119 dessentreffliche" Artikel undnachhaltige Derbheit" Varnhage immer wieder lobt 126 und dessen Redakteur Julius er empfängt 121 schreibt Fontane am 31. August seinen ArtikelPreußens Zukunft", der sogleich Beachtung findet: 123 Preußen müsse inder großen deutschen Republik" aufgehen.Preußen war eine Lüge, das Licht der Wahrheit bricht an und gibt der Lüge den Tod." 123 Und am 13. September geht Fontane in seinem ArtikelDas Preußische Volk und seine Ver­treter" mit der preußischen Nationalversammlung ins Gericht, weil sie dasVolk" als noch jung und unerfahren" betrachte und aufBegeisterung" mitMittelmäßigkeit reagiere. 124

Inzwischen kommt der König der Reaktion zu Hilfe: Friedrich Wilhelm IV. ernennt General Wrangel zumOberbefehlshaber in den Marken" 125 und am 21. September jenen General von Pfuel, der am 18. März die Truppen kommandiert hatte, zum Mini­sterpräsidenten und Kriegsminister. 126 Am selben Tag schreibt Fontane an seinen Tunnel"-Freumd von Lepel:

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