Ich bin nicht in der Stimmung, auf Deinen unendlich friedlichen Brief, der nach
Abgeschiedenheit und nach jedem beliebigen Jahrgang-nur nicht nach
1848 schmeckt, einzugehn; die Ereignisse der letzten Tage: der Wrangelsche Armeebefehl und das Ministerium „Pfuel, Eichmann, Bonin" erklären geradezu die Contre-Revoloution und fordern zum Kampf heraus. 127
Ähnlich wie die „Berliner Zeitungshalle" (die .natürlich' sofort, am 23. 9., als erste Zeitung nach den Märztagen beschlagnahmt wird) 128 am 20. März die „Revolution" beim Namen genannt hatte, belegt Fontane jetzt die ,Gegenbewegung' mit dem Terminus „Contre-Revoloution". 129 Aber Fontane will es nicht beim Benennen belassen:
Mit dürren Worten: hast Du nicht auf väterlicher Rumpelkammer eine alte aber gute Büchse? Ich fordre es von Dir als einen Freundschaftsdienst mich nicht im Stich zu lassen, wenn Du meinen Wunsch erfüllen kannst, und sehe einige Zeilen, noch lieber aber dem Muskedonner in Person entgegen. Lache nicht, die Sache hat ihre sehr ernsthafte Seite. War' ich nicht, wie immer, in Geldverlegenheiten, ich würde mir auf die einfachste Weise helfen, und nicht einen so sonderbar klingenden Wunsch (manchem wird' er nach Renommisterei schmecken) Dir an's Herz legen. 130
Auf den ca. 400 Druckseiten in „Von Zwanzig bis Dreißig" findet sich lediglich ein Dutzend Anmerkungen. Eine davon widmet Fontane der Paronomasie „Muske- donner", um sie als Ironiesignal zu deuten, das es einem Königstreuen möglich gemacht habe, trotz eines solchen Wunsches mit einem Demokraten weiterhin Freundschaft zu halten,- 131 aber diese Deutung liest sich wie eine nachträgliche Verharmlosung; denn der Brief vom 21. September schließt auf unmißverständliche Weise:
Schande Jedem, der zwei Fäuste hat mit Hand ans Werk zu legen, und sie pomadig in die Hosentasche steckt. Hätt ich Zeit und namentlich Geld, ich wäre ein Wühler comme il faut, denn alles ist faul und muß unterwühlt werden, um im ersten Augenblick die Mine springen lassen zu können. 132
Fontane greift hier — offenbar unter Anspielung auf die bekannte „Hamlet"-Stelle — 133 das zentrale „Kampfeswort" des Jahres auf, 134 das aus dem Bildfeld ,Maulwurf' stammt 135 und „1848 als gang und gäbe Schelte der Demokraten sehr beliebt" wird. 130 Allerdings benutzt Fontane — sehr zum Ärger Lepels — 137 den Terminus ,Wühler' in einer Weise, die zeigt, daß er sich an dem Versuch der „Gescholtenen" beteiligt, das Wort „im verdienstlichen Sinne umzubiegen". 138 Ein solcher Versuch war z. B, am 20. Juni 1848 gemacht worden, und zwar in einer Rede jenes Robert Blum, 139 dessen Schwager Johann Georg Günther 1841 Redakteur der Leipziger „Eisenbahn" gewesen war, für die Fontane damals Texte geliefert hatte. 140
In seiner Antwort vom 22. September arbeitet Lepel die Gegensätze zwischen den beiden „Tunnel"-Freunden klar heraus:
Deinen Brief (...] hab' ich erhalten u. glaube behaupten zu dürfen, daß wenn ich die Dosis Argwohn besäße, die ein fürchterlicher Apotheker in seiner berüchtigten infernalischen Giftbude für Deine Seele gemischt hat, ich diesen Brief, in welchem ich direkt u. indirekt Attaquen aushalten muß, wie Du sie unsern Truppen bei einem etwaigen Straßenkampf nicht heftiger zudenken kannst, unbedingt für eine Freundschaftskündigung halten würde. Ich huldige der Constitution, Du der Republik; ich habe mich vom Kampfplatz zurückgezogen, Du bist ein Mann der Tat; ich soll erröthen bei Deinem Ausruf „Schande Jedem, der zwei Fäuste hat, mit Hand ans Werk (Freund, Du meinst kein edles)
59