zu legen, u, sie pomadig in die Hosentasche steckt". Du forderst mich auf, Dir eine Waffe zu gehen, mit der Du vielleicht aus Freundschaft die Pflicht, die ich verabsäume, mit übernehmen willst. Zwei so verschiedene Leute — dies würde der Argwohn aus Deinem Brief lesen — können im Jahr 1848 keine Freunde sein, also auseinander mit ihren Herzen, die nur der Gesang zusammengeführt hatte, der jetzt kein Recht mehr hat zu leben. 141
Lepei hält nur deswegen die Freundschaft nicht für erledigt, weil er sich sicher zu sein glaubt, Fontane als der „im Finstern Tappende" werde als „ein unglückselig Verblendeter" 1 1 2 den Weg .zurück' finden: „die G emeinheit ist auf der l inken Seite";1 43 „glaube nicht, daß [...) Deine Ansicht über kurz oder lang noch dieselbe sei."14 4 Fontane gesteht am 24. September zu:
Meine letzten Zeilen waren eine Uebereilung. Ich habe Dich verletzt und mich lächerlich gemacht. [. ..] Die Worte: „Schande Jedem, der u.s.w." rief ich nur mir selber zu. [. ..]
[. .. ]
So weit kriech' ich zu Kreuz. Im Uebrigen hat Dein Brief gar keinen Eindruck auf mich gemacht, am allerwenigsten mich auch nur im geringsten umgestimmt. Was geht mich das an, daß sich Hahn im constitutionellen Klub befriedigt fühlt, und daß Eggers auf dem Punkt steht einer reactionairen mecklenburgischen Zeitung seine Feder zu leihen? [. ..] was bedarf ich der Entschuldigung, daß ich gradatim bis zur Republik gekommen bin, eine Entwickelung, die Millionen mit mir durchgemacht haben? 14 *’
Lepei hatte versucht, Werner Hahn <Cartesius]> und Friedrich Eggers <Anacreon> — beide hatten bis in den April und Mai 1848 hinein zu den wenigen gezählt, die noch zu „Tunnel"-Sitzungen gekommen waren — gegen Fontane auszuspielen. 146 Man sieht: Der „Tunnel" tagt offenbar u. a. deswegen nicht mehr, weil seine Mitglieder sich auf entgegengesetzten Saiten engagieren. Hatte der „Tunnel" vor dem März 1848 .Politik' deswegen leicht .ausschließen' können, weil sie durch den — thematischen — Konsens, von dem die .Poesie' weitgehend getragen wurde, immer schon präsent war, so konstatiert Fontane jetzt eine Dichotomie, die durch harmo- nistische Konzepte nicht gemildert werden könne. Hier der Schluß seines Briefes:
Einig dürften wir schwerlich werden; alles „Vereinbaren" scheint heutzu Tage auf Hindernisse zu stoßen, aber sollten wir auch in Politicis als Antipoden uns gegenüberstehn, die Kunst wird von Zeit zu Zeit Brücken schlagen, und beim Klang einer guten Terzine werden wir uns fühlen wie ein Herz u. eine Seele. Nichts für ungut. 147
Damit aber läßt Fontane das „Tunnel"-Konzept, das auf der Fiktion eines apolitischen Status von „Kunst" basiert, auf einer Art Schillerschen „Horen"-Konzeptes also, letztlich doch intakt.
Daß Fontane am 24. September Lepel gegenüber das Gefühl hat, sich „lächerlich gemacht" zu haben, 148 hängt sicherlich auch mit der politischen Entwicklung in Berlin zusammen: Der für den 22. September erwartete Aufstand des Berliner Volkes 149 war ausgefallen, weil von Pfuel in der Nationalversammlung erschienen war und „durch sein ruhiges, würdiges Benehmen, sein ehrwürdiges Aeußere, die weißen Haare, das edle schöne Gesicht einen angenehmen Eindruck" gemacht hatte. 150 Fontane, den am 15. September „ein Sonnenstrahl des Glücks" getroffen hatte — er hatte in die Apotheke des Diakonisseri-Krankenhauses Bethanien wechseln können, wo er täglich nur zwei Stunden läng zu arbeiten brauchte — , 131 zieht am 1. Oktober ins dortige Doktorhaus um. 152
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