Damit ist der Verein gemäß § 4 der Statuten beschlußunfähig; mithin kann man ledig lich mit einer vorläufigen „Besprechung der im Zirkulare angedeuteten Angelegenheiten" beginnen. 198
Diese „Besprechung" zeigt, daß der „Tunnel" unter einem Modernisierungsdruck steht, der vor allem 4 Problemkreise betrifft, die eng miteinander Zusammenhängen und dem „Tunnel" von der Berliner Vereinslandschaft des Jahres 1848 aufgezwungen werden:
5.1 Wirkung nach außen
Thomas Nipperdey hat für die Anfänge des bürgerlichen Vereinswesens in Deutschland „vier Motiv- und Zielkomplexe" benannt,' 199 von denen der „Tunnel" bis 1848 nur zwei realisiert: 1. sich unterhalten, 2. sich belehren. 200 Für unseren Zusammenhang hilfreich ist zum einen, daß Nipperdey beide .Komplexe' zusammenfaßt, indem er von Wilhelm Roeßler den Begriff .arbeitende Geselligkeit' übernimmt, 201 und zum anderen, daß er dabei insbesondere auch das Zusammenwirken von Bürgern und Adligen berücksichtigt: 202 Es ging um „Austausch von Welt- und Lebenserfahrung und -kenntnis aus verschiedenen Lebenskreisen, um sich gegenseitig zu belehren". 20 3 Das Stichwort lautet: „sich bilden". 204 „In diesem Prozeß wird Kultur zum Gegenstand eines allgemeinen Interesses von Privatleuten." 205 Hierhin gehört ein Phänomen, das auch im „Tunnel" eine wichtige Rolle spielt: der .Dilettant'. Er ist nach Nipperdey der „eigentlich legitime Repräsentant der bürgerlichen Kultur und ihrer Organisation in Vereinen." 206
An dritter Stelle nennt Nipperdey „mehr oder weniger spezielle gesamtgesellschaftliche Zwecke, die über den Verein selbst hinausweisen", 207 also das .Gemeinwohl' betreffen. In dieser Hinsicht ist der „Tunnel" ganz und gar abstinent; ebenso hinsichtlich des vierten Punktes, einer Sache nämlich, z. B. der Kunst, „dienen" zu wollen. 208 Dieser Verzicht auf jegliche Wirkung nach außen, der z. T. auch Reaktion auf die seit 1819 immer wieder verschärften Restriktionen des Staates ist, wird im Frühjahr 1848 — wie oben gezeigt — von Privatpersonen wie Vereinen aufgegeben. Als Privatpersonen folgt ein Teil der „Tunnel"-Mitglieder — wie ebenfalls gezeigt — ziemlich bald diesem Drang, für die eigene Position in der — neu gewonnenen — Öffentlichkeit tätig zu werden; als Vereinsmitglieder aber müssen sie sich — wenigstens .offiziell' — noch immer zurückhalten.
Entsprechend heißt es im „Tunnel"-Protokoll vom 5. 11. 1848:
Leisewitz entwickelt seine Ansichten über Reorganisation des Vereins. Er beginnt mit einer Kritik der Statuten, wird aber vermocht, vom Allgemeinen zum Besonderen überzugehen, und beschränkt sich nun auf seine Idee über Ent faltung einer nach außen gerichteten produktiven und kritischen Thätigkeit im Gebiete der Kunst, und der Wissenschaft im weitesten Sinne durch Begründung eines Journals. 209
5.2 Offenheit auch für Nichtmitglieder Nipperdey formuliert:
In den 40er Jahren kann man allgemein eine Welle der .Demokratisierung bemerken: das Vereinswesen, von der Oberschicht inauguriert, hatte sich ungeheuer ausgebreitet und war damit populär geworden. Alle Volksteile fanden in den Vereinen ein Feld der Aktivität. Ältere Vereine betonten generell ihre Offenheit für Beitrittswillige aus allen Schichten. 210
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