Entsprechend heißt es im „Tunnel"-Protokoll vom 5. 11. 1848:
Ein solcher Vorsatz [nämlich „neue Kräfte heranzuziehen"] würde viele [!] Theilmehme [!] finden, aber nicht sofort unter den jetzigen Vereinsformalitäten, an denen Mancher sich zunächst stoßen möchte, wie sie überhaupt zeither Manchen abgeschreckt hätten; dies Letzteres bestätigt Lafontaine. 218
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Man hat davon gesprochen, „im Herbst des Sturmjahres" habe „eine regelrechte Neukonstitution" des „Tunnels" stattgefunden. 219 Zirkulare und Protokoll vom 5. 11. 1848 sprechen demgegenüber von „Reorganisation" 220 und verwenden damit — wie oben berichtet — den zeit- und ortsüblichen Terminus für die durch die Revolution erzwungenen Reflexionen innerhalb jener Vereinigungen, die im Vormärz gegründet worden waren und die die Selbstauflösung vermeiden wollen. Daß die „Reorganisation" allerdings die Substanz betreffen soll, wird bereits formal durch zweierlei deutlich: Der Bankkaufmann Ludwig Lesser <Petrarka> — ein Gründungsmitglied, das, „mit Paragraphen gepanzert", als „Wahrer der Tradition" und „Polizist des Tunnels" gilt — 221 beantragt — wie oben gezeigt — am 22. Oktober 1848 förmlich die „Prüfung der Statuten". Und Merckel <Immermann> stellt — wie oben angedeutet — am 5. November die Beschlußunfähigkeit unter Berufung auf § 4 der Statuten fest, der lautet:
Aenderungen dieser Statuten können nur in Gegenwart sämmtlicher ordentlichen Mitglieder des Vereins und auch dann nur durch eine Majorität von drei Viertheilen der Stimmen beschlossen werden. Ordentliche Mitglieder, welche wegen Krankheit nicht erscheinen können, und dies schriftlich dem Vereine anzeigen, werden hier jedoch ausnahmsweise nicht mitgezählt. 222
Mithin geht es um den — für Vereine in der Regel seltenen — Ernstfall einer Satzungsänderung; dennoch ist trotz spezieller Einladung Beschlußfähigkeit nicht zu erreichen: Zeichen für den desolaten Zustand des Vereins oder Taktik derer, die alles beim alten lassen wollen?
Diejenigen jedenfalls, die zur entsprechenden Sitzung erscheinen, sorgen dafür, daß der ,Ernst der Stunde', der formal deutlich signifiziert wird, u. a. zwei inhaltliche Entsprechungen findet:
Lafontaine macht darauf aufmerksam, daß die Zulassung der Politik bei der Diskrepanz der im Verein vorhandenen Elemente eine Sprengung des Vereins herbeiführen könnte.
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ESchultze findet, daß man am Ende dazu gedrängt werden würde, die jetzige Gesellschaft aufzulösen und neue Statuten zu schaffen. 223
Ist eine Diskussion an einem solchen Punkte angelangt, verfallen deutsche Gremien in der Regel auf ein bewährtes Mittel: Man gründet einen Ausschuß. Aber ein entsprechender Vorschlag von Siegmund Stern <Collin> findet keine Resonanz: „Ein definitiver Beschluß wird (.. .] noch nicht gefaßt." 224
Eine wichtige Fortsetzung der Diskussion erfolgt in der Sitzung vom 19. November; jedenfalls nach Meinung von Lepels, der bedauert, daß Fontane daran nicht teilgenommen hat, und deswegen einen Tag später ausführlich berichtet:
Hahn hat daselbst einen Entwurf einer Organisation nicht sowohl des Tunnels, als vielmehr eines großen, durch ganz Deutschland verzweigten Schriftsteller-
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