Herrenabende, die sie noch wenige Jahre zuvor gewesen waren. Der König hatte mittlerweile von ihrem Ablauf feste Vorstellungen entwickelt. So legte er detaillierte Listen mit Themen vor, die in den Symposien abzuhandeln waren und deren Diskussion ausführlich protokolliert wurde — meist von eben jenem Franz Löher, dessen Stelle Fontane erben sollte. Er mag sich dabei mit Schrecken an seine Verpflichtungen als ,Tunnel'-Protokollant erinnert haben. Schließlich wurden den Mitgliedern der Tafelrunde Spezialgebiete zugewiesen, aus denen sie dem Monarchen das Neueste zu referieren hatten. Justus von Liebig war für die Naturwissenschaften zuständig, Heinrich von Sybel für die Geschichte, Friedrich Bodenstedt für die neuesten Reiseberichte, und Heyse und Geibel mußten über die schöne Literatur in Geschichte und Gegenwart auf dem laufenden sein, damit beispielsweise der Protokollant am 24. Februar 1859 als Gesprächsgegenstände festhalten konnte:
1. über hydraulischen Mörtel, Lavakalk, Alfresco und Stereochromie
2. Klopstock am Hofe in Karlsruhe. 14
Es ist verständlich, daß die beiden führenden Köpfe der .Krokodile', Heyse und Geibel, keinen besonderen Wert darauf legten, solch strengem Reglement auch bei den Sitzungen des Dichtervereins wiederzubegegnen. Aber ebenso verständlich ist es, daß Fontane, der sich um diese Zeit vom .Tunnel' auch und vor allem wegen dessen Kindereien zu lösen begann, an der gesteigerten Zwanglosigkeit und Unernsthaftigkeit der .Krokodil'-Sitzungen keinen Gefallen finden konnte. Die Protokolle der Sitzungen vom 10., 17. und 25. März 1859, 15 an denen er teilnahm, haben sicher auch nicht dazu beigetragen, ihm die .Krokodile' in einem günstigeren Licht erscheinen zu lassen. Sie stammen aus der Feder Sigmund Lichtensteins, einem nach Heyses Urteil „ganz unproductiven" 10 Mitglied des Vereins. Lichtenstein verfaßte die Protokolle vom 10. und 17. März ausgerechnet in der Form des Ghasels — wegen der Notwendigkeit, eine große Zahl von Wörtern auf den gleichen Reim zu finden, bekanntlich eine der schwierigsten lyrischen Formen überhaupt. Entsprechend schaurig sind die Versprodukte des Unproduktiven denn auch geraten. 17
Es werden nun, wenn aus der Feder Protokolle fließen
Nilschlammgaselen wie die Pilze in die Höhe schießen.
Flußkrokodilus las die Verse eines Ungenannten.
Man konnte sie nach Lust gefeilt und ungefeilt genießen.
Die Ungefeilten schmeckten gut. Flußkrokodilus meinte:
Poetischschönes sei vor metrisch Richtigem zu kiesen.
Wer hats gemacht? Die Mehrzahl stimmt: das Nashorn sei Urheber.
Ein Feinohr hörts vom guten Nashorn amorgleich beniesen.
Drauf bringt ein Fremdling Fontane Legitimationspapiere
Die einen wohlproportionirten Dichter sehen ließen.
Prinz Louis Ferdinand saust prächtig hoch zu Roß vorüber;
Er sinkt, als sich erhoben seines Landes Unglücksriesen.
Flußkrokodil vergleicht die Dichtung mit dem glatten Rocke,
Den ohne Fäserchen als makellosen Alle prießen.
Als Fontane Manches durch des Raums Ökonomie erklärte.
Sprach Eidechs: den Poeten muß Ökonomie verdrießen.
Nun gings ans Reinigen; das war gar herrlich anzuschauen
Wie an den Fäserchen die Krokodile mächtig bliesen.
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