de Monseigneur Darboy" (deutsch: Herr L'Hermite, der Mörder von Monseigneur Darboy) aus dem Jahre 1978. 5 Da sie an entlegenem Ort erschien und weithin unbekannt geblieben ist, sei sie hier vorgestellt.
Die Autorin richtet ihr Augenmerk vor allem auf das, was Fontanes Roman im Zusammenhang mit dem Pariser Erzbischof erzählt. Sie hat Dokumente aus dem Archiv des Schlosses von Vincennes, des berühmten Militärmuseums bei Paris, und weitere Literatur herangezogen und teilt nun mit, wie die Erschießung von Monseigneur Darboy, dem Erzbischof von Paris, abgelaufen ist. Es war ein wichtiges Ereignis während der Existenz der Kommune, die mit dem Aufstand vom 18. März 1871 begonnen hatte und in der ,Blutwoche' vom 21. bis 28. Mai durch das brutale Eingreifen der ,Versailler', der regulären Truppen unter Regierungschef Thiers, ihr grausames Ende fand. Am 4. April war Darboy auf Befehl von Raoul Rigault, dem Sicherheitsbeauftragten des Kommune-Rates, gefangengesetzt worden. Als die Versailler vom 21. Mai ab die Barrikaden der Kommune bestürmten und unter massenhaftem Morden in die Stadt einbrachen, entschloß man sich in der Kommune, den Erzbischof zusammen mit fünf weiteren Kirchenmännern zu erschießen. Diese Erschießung war, so präzisiert Chevanne, nicht als Vergeltung für das Morden der Versailler gedacht (deren Massaker am Trocadero besonders traurige Berühmtheit erlangt hat), sondern war geplant als Bestandteil des Kampfes gegen die Kirche und ihre Macht, der den Kommunarden, die darin der Revolution von 1789 folgen wollten, wichtig war. 6 Immerhin wurde die Erschießung durch die Ereignisse des Ansturmes beschleunigt.
Über den Erzbischof und seine fünf Mitgefangenen trat am Morgen des 24. Mai ein Kriegsgericht zusammen, das ihre Hinrichtung entschied. Mit dieser Erschießung wurde ein Kommando betraut, das ein gewisser Verig befehligte; dieser Vérig hatte keinen besonderen Rang, war aber vom Sicherheitsausschuß der Kommune mit der Vollziehung von Todesurteilen betraut worden. Die Erschießung der sechs Kleriker fand im Gefängnis La Roquette am 24. Mai 1871 gegen 8 Uhr abends statt. Nach der ersten Salve des Hinrichtungskommandos stand Darboy noch lebend da mit zum Segen erhobenen Händen; einer schoß erneut auf ihn, andere vollendeten die Hinrichtung durch weitere Schüsse und durch Kolbenhiebe. Vérig sagte anschließend zu zwei Gefängniswärtern, indem er ihnen seine Pistole zeigte: „Seht, sie ist noch ganz warm, soeben habe ich sie benutzt, um auf diesen berühmten Erzbischof den letzten Schuß abzugeben." 7
Vérig ist also der Mörder („assassin") des Erzbischofs. Chevanne hält dies ausdrücklich fest. Am Rande weist sie darauf hin, daß die ihr vorliegenden Akten jene andere Darstellung widerlegen, wonach ein gewisser Schuster Sicard die Erschießung befehligt habe. 8 Insoweit ist also Vérig das Vorbild für Fontanes Camille L'Hermite? Wenn Fontane seinen Camille sagen läßt: „Und der letzte war der Erzbischof ... Ich übernahm selber das Kommando ... Er ist gestorben wie ein Held, wie nur die von der Kirche zu sterben verstehen", 9 so umschreibt dies tatsächlich recht genau, was der reale Vérig erlebt hat — wenngleich seine Wiedergabe nicht so respektvoll erfolgt. Der unmittelbar vorausgehende Satz Camilles: „Die Sache da draußen am Trocadero war kein Spaß, und daraufhin wurden die Geiseln erschossen", wonach also die Erschießung der Würdenträger als direkte Vergeltung angesehen werden muß, trifft nach Chevanne, wie bereits dargelegt, nicht den Kern.
Chevanne teilt noch mit, Verig sei ein Trinker gewesen (ein „ignoble ivrogne", ein ehrloser Säufer 10 ), so daß also auch L'Hermites Vorliebe für den unverdünnten Absinth ihr Original in Verig hat. Chevanne kommt zu dem Schluß: Monsieur L'Hermite „ist also sicherlich der Säufer Verig, der hassenswerte (franz.: odieux) und
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